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Mittwoch, 24. November 2010

Die Banken auf dem "Irr-Land-Weg"

Mail vom 23.11.2010
Prof. Joachim Kohlhof an
David McLion






Lieber David,

Ich bin soeben aus den Niederlanden von einer ähnlichen Veranstaltung wie bei Lassalle zurückgekehrt. Schwerpunkt war das mangelnde (unethische) Verhalten und Unverständnis vieler deutscher Banken, die in Irland, Portugal und Spanien engagiert sind und mit ihren zinslosen Giroeinlagen ihrer Geldanleger hochverzinsliche und risikoreiche Schuldverschreibungen des irischen Staates gekauft haben, den hohen Zinsgewinn mitgenommen haben und nun nach dem irischen Kollabs nach der Rettung durch die EU, sprich Deutschland rufen, damit die einmal eingeheimsten Zinsgewinne nicht infrage gestellt werden. 

Die Banken wollen zwar ihre  Gewinne gerade wegen der hohen Länderrrisiken behalten, aber die Rettung soll bitte der Steuerzahler, insbesondere in Deutsch-land bezahlen. Eine fürwahr unethische Bankenpraxis. Die meisten Banken haben offenbar noch nicht gelernt, dass sie am Finanzchaos dieser Welt maßgeblich mitbeteiligt sind, ja sogar ihre Urheber sind und dass am Ende der Kollabs uns alle treffen wird. Das ist das, was ich sagte zum Thema "der internationale Finanzmarkt als freies Gut". Wir brauchen eine Bankenethik, die wieder eine Symmetrie herstellt zwischen den notwendigen bankseitigen Handlungsfeldern und ihrer menschen-gerechten Verantwortung zum Erhalt eines lebenswerten Daseins. Hierzu wird Dein Projekt VITAO wichtige Weichen stellen.

Ich wünsche Dir bei deiner bewundernswerten Arbeit den erhofften Erfolg.
Belächeln, Bespotten, Ignorieren, Beobachten, Beachten, Bewundern.“ In dieser Sequenz gewinnt auch die Ethik ihre Hochachtung. Man muss nur lange und überzeugend daran arbeiten.

Beste Grüße

Joachim  

Montag, 22. November 2010

(08) SR DRS - Beitrag C. Buschan




"ZEITREISE" 21.11.2010

Im April 1977 wird der deutsche Generalbundesanwalt Siegfried Buback von einem Motorrad aus in seinem Dienstwagen erschossen. Auch sein Fahrer und ein Leibwächter sterben im Kugelhagel. Seit Oktober dieses Jahres steht die ehemalige RAF-Terroristin Verena Becker in Stuttgart-Stammheim vor Gericht. Michael Buback, der Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts, will nachweisen, dass Verena Becker auf seinen Vater geschossen hat.
Der Arm der RAF reichte sogar bis in die Schweiz. Die Waffe, mit der auf Buback geschossen wurde stammte aus der Schweiz. Und zwei RAF-Terroristen wurden in der Schweiz verhaftet und inhaftiert. Ein früherer Kantonspolizist (Christian Buschan) erinnert sich an diese auch in der Schweiz bewegte Zeit.

Link zum gekürzten Beitrag auf dem BLOG von Christian Buschan
Link zur gesamten Sendung
Link zum Podcast der gesamten Sendung

Sonntag, 21. November 2010

Gewaltsignale unserer Zeit (07)

Christian Buschan MSc
Mitbegründer der
VITAO ALPEN AKADEMIE
Artikelserie
Sinnlehre gegen Sinnleere!

Wir ließen und lassen es weiter zu, dass die Achtung vor gültigen gesellschaftlichen Normen und Werten sowie auch vor dem Gesetz in den Schmutz gezogen wird. Und wir nehmen hin, dass die individuelle Fähigkeit zur Übernahme von (Selbst-) Verantwortung schleichend abgebaut wird. Wir fördern mit unserem am Konsum und am Haben orientierten Lebensstil eine immer mehr Sinnlosigkeit produzierende Gesellschaft. Zu viele tragen stumpfsinnig billigend, gleichgültig fahrlässig oder sogar primitiv vorsätzlich zu dieser unheilvollen Entwicklung bei. Kurz und frei nach Erich Fromm: Es ist an der Zeit, vom Haben zum Sein zu wechseln.

Die Psychotherapie weiß, wie sehr auch junge Menschen nach einem Lebenssinn suchen, nach freiwilliger Hingabe an eine Aufgabe, die ihnen auf den Leib – um nicht zu sagen auf die Seele – geschnitten ist. Und die Logotherapie weiß ganz besonders, wie viel Aggressivität und Gewalttätigkeit sich abbauen ließe, wenn Jugendliche einen persönlichen und konkreten Sinn in ihrem Leben zu finden vermöchten. Helfen wir ihnen doch endlich dabei, Eigensinn durch eigenen Sinn zu ersetzen!

Den legeren Umgang mit Gewalt, Sicherheit und Verantwortung müssen wir uns definitiv abschminken. Wir alle müssen Verantwortung wieder häufiger, konkreter und dezidierter auch in unserem persönlichen Umfeld wahrnehmen. Und damit meine ich vor allem und zuerst, dass wir uns als Einzelpersonen, aber auch als Gruppe oder als ganze Gesellschaft endlich einen tüchtigen Ruck geben sollten und mutig das längst Notwendige nicht mehr nur weinerlich herbeireden, sondern endlich selber und gemeinsam mit anderen zumindest das unmittelbar Not-wendige tun! Es gibt mehr Gleichgesinnte als wir denken!

Zum Schluss zitiere ich das Glaubensbekenntnis der Gemeinschaft der Gebildeten (frei nach Dietrich Schwanitz):

"Ich glaube an Shakespeare und Goethe und an die kanonischen Werke, die da Anerkennung fanden im Himmel und auf Erden. Ich glaube an Vincent van Gogh, Gottes berufenen Porträtisten, geboren in Groot-Zundert bei Breda, gereift in Paris und Arles, verbrüdert und verkracht mit Gauguin, gelitten, verrückt geworden und Selbstmord begangen, aufgefahren gen Himmel, sitzend zur Rechten Gottes, von dannen er kommen wird, zu richten die Kenner und die Banausen. Ich glaube an die Kraft der Kultur, das ewige Leben der Genies, eine heilige Kirche der Kunst, die Gemeinschaft der Gebildeten und die zeitlosen Werte des Humanismus, in Ewigkeit Amen."

Dipl. Logotherapeut und Existenzanalytiker NDS HF
Pensionierter Polizeipsychologe APPS
Bühlhofstrasse 64 c, CH-8633 Wolfhausen
christian.buschan@bluewin.ch

Gewaltsignale unserer Zeit (06)

Christian Buschan MSc
Mitbegründer der
VITAO ALPEN AKADEMIE
Artikelserie
Was kann die Polizei tun?

Die Polizei muss noch wesentlich öfter als bisher aus ihren Büros und Streifenwagen herauskommen und echte Bürgernähe suchen. Informationen von Seiten der Bürgerinnen und Bürger soll die Polizei suchen, auswerten und einbeziehen. Auch scheinbar harmlose Regelverstöße soll sie konsequent aber fair verfolgen und nach Möglichkeit sofort ahnden oder ahnden lassen. Sie muss Partnerschaften vor allem mit sozialen und fürsorgerischen Einrichtungen eingehen, um die komplexen Probleme vernetzt und interdisziplinär angehen zu können. Die Öffentlichkeit muss von der Polizei regelmäßig, sachlich und offen über die wirkliche Lage im Land, in der Stadt und im Quartier orientiert werden, damit die Menschen die notwendigen – die Not wendenden! – Eingriffe der Polizei besser verstehen, akzeptieren und mittragen können.

Auf das Gemeinwesen bezogene Polizeiarbeit, also Community Policing, ist nicht nur zeitaufwendiger und personalintensiver als klassische Arbeitsformen. Sie erfordert auch mehr unmittelbare Härte gegen Straftäter sowie mehr Flexibilität im Umgang mit den anderen Akteuren. Resignierende, patriarchalische oder möchtegern-autoritäre Polizeiführungen schaffen diese Wende in der Polizeiarbeit nicht. Sie müssen deswegen von ihren politisch Vorgesetzten endlich ausgewechselt werden. Kluge, interdisziplinär denkende und handelnde Polizeibeamtinnen und -beamte sollen ihren breiten Erfahrungsschatz in alle relevanten Entscheidungsprozesse einbringen können. Demokratisches Mitwirken stärkt die Mitverantwortung aller für die Belange der Dienststelle und der Öffentlichkeit.

Die Gesellschaft und der Einzelne haben ein Recht auf Schutz vor Schädigung. Die Verursacher müssen für die von ihnen angerichteten Schäden zur Rechenschaft gezogen werden. Sicherheit, Ruhe und Ordnung sowie die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger müssen vom Staat und damit stellvertretend von der Polizei geschützt werden. Wenn die Gesellschaft das frühzeitige Eingreifen aus übersteigerter Bewertung der individuellen Freiheit unterlässt, werden ihr sehr bald die Ressourcen für die wirklichen Notfälle fehlen. Ein trunksüchtiger, prügelnder Familienvater muss lange bevor er seine Frau halb tot schlägt oder seine Tochter missbraucht aus dem Verkehr gezogen und behandelt werden!

Gewaltsignale unserer Zeit (05)

Christian Buschan MSc
Mitbegründer der
VITAO ALPEN AKADEMIE
Artikelserie
Ethik, Werte und Normen

Die letzten zwei Jahrzehnte haben fast alles in Frage gestellt und teilweise zielstrebig unterhöhlt: Ethik, Moral, Gesetze, Grenzen, Kulturen. Sowohl die am höchsten einzustufenden Einstellungswerte, als auch die schöpferischen und die (echten!) Erlebniswerte sind heute einem erschreckenden Zerfallsprozeß ausgesetzt. Selbst fundamentale Werte eines funktionierenden Gemeinwesens wie Solidarität, Hilfsbereitschaft und Uneigennützigkeit verlieren in der täglichen Realität Schritt für Schritt an Wert. Oberflächlichkeit und Beliebigkeit werden von vielen vor Stabilität, Verlässlichkeit und Dauerhaftigkeit gestellt.

In allen gesellschaftlichen Bereichen bestehen zunehmende Defizite an aktiver Vermittlung grundlegender ethischer Werte und Normen sowie an persönlichem Vorbild. Dieses halte ich für die eigentliche Bedrohung unserer Gesellschaft. Nicht die Freiheit von etwas scheint mir deshalb wichtig, sondern die Freiheit zu etwas, beispielsweise die Freiheit, sich für ein ethisch vertretbares Leben entscheiden zu können.

Ethik entstammt dem Bedürfnis nach Orientierung. Ethische Probleme ergeben sich beim Fragen nach tieferem Sinn, z.B. bei der Frage nach dem Sinn des eigenen Lebens. Konflikte zwischen dem Recht auf Entfaltung des Einzelnen und den Rechten der Gesellschaft sowie die Verteilungskonflikte, die wir heute haben, rufen nach Orientierung. Die Notwendigkeit von Einigkeit verlangt ebenfalls nach Ethik. Es geht bei der Ethik also nicht nur um grundlegende sittliche Werte und Normen wie die Ehrfurcht vor dem Leben, das Übernehmen von Verantwortung, niemandem schaden wollen, Hilfe in der Not leisten, Mitsprache, Gerechtigkeit und Ausgleich. Sondern es geht auch um Güter des Menschen, die ethisch bedeutsam sind wie beispielsweise das Leben, die Freiheit, die Wohlfahrt, die Sicherheit, die Menschenrechte und die Würde. Die Folgen der gegenwärtigen Normenkonflikte liegen auf der Hand: Es geht in erster Linie um die Beeinträchtigung der Rechte der Gesellschaft durch Gewaltanwendung aller Art bis hin zur Gefährdung des Rechtsstaates, durch Korruption, durch Ausgrenzung, Not und Verelendung von Minderheiten.

Grundlegende ethische Konflikte lassen sich zurückführen auf die Spannung zwischen der Autonomie des Einzelnen und dem Paternalismus, also der Suche der Gesellschaft nach Eingriff, nach obrigkeitlicher Hilfe. Es geht um die Freiheit des Einzelnen versus das Recht und die Pflicht des Staates zum Eingreifen. Die sozialen und finanziellen Folgekosten des Nichteingreifens oder Zuwartens liegen in aller Regel um das Vielfache höher als jene der frühzeitigen Intervention. Es geht also auch um den Schadenersatz an die Gesellschaft. Wie lange noch dulden wir, dass einzelne anderen kollektiven Schaden zufügen? Die Frage ist also nicht ob, sondern ab wann und wie weit die Gesellschaft den Einzelnen von der Schadenstiftung abhalten darf.

Heute dominiert die individuelle Selbstentfaltung. Ordnungsfaktoren wie Familie, Familienleben, Kirche, Erziehung und Schule zählen kaum noch, sie werden oft sogar belächelt. Das übersteigerte Bedürfnis nach Selbstverwirklichung und den Drang, alles und jedes um jeden Preis auszuprobieren, halte ich schlicht für zerstörerisch. Dabei stellt sich Selbstverwirklichung von selbst ein, wenn ein Mensch den tieferen Sinn seines Lebens erfüllt. Sobald Selbstverwirklichung jedoch selber als Lebenszweck verstanden und krampfhaft erzwungen werden soll, kann sie nur noch verfehlt werden. Die Logotherapie benützt das Ausmaß der eigenen Orientierung auf einen Lebenssinn sogar als Hauptkriterium für psychische Gesundheit! Ethische Werte wie Nächstenliebe, Pflichtbewusstsein und Dienstbereitschaft – ja die Ethik selbst – werden heute zunehmend in Zweifel gezogen, Laisser-faire und Beliebigkeit sind im Vormarsch. Viele jagen wie pickende Hühner dem Sinn des Lebens nach und geben sich nie mit dem Erreichten zufrieden. Mit dem Ergebnis, dass sie schließlich nichts in Händen halten und das wirkliche Leben an ihnen vorüberzieht.

Hedonismus, die Orientierung am Lustprinzip, ist in Mode. Gemeint ist das Streben nach und das Bewahren von positiven Zuständen. Dabei wird den kurzfristigen Erlebnissen mehr Bedeutung beigemessen als den langfristigen Folgen. Hedonismus bedingt Sorglosigkeit, diese wird selbst zum angestrebten Dauerzustand. Sorgfalt würde mindestens kurzfristig Aufwand bedeuten, deswegen wird sie gemieden. Sorglose Menschen ignorieren Informationen, die ihnen längst Sorgen machen müssten. Ihre Frühwarnsysteme sind ausgeschaltet, und sie sind kaum motiviert, bestehende Gefahren überhaupt wahrzunehmen. Sie bewahren sich vielmehr ihre unkritische gehobene Stimmung und wenden raffinierte Strategien an, um ihre Sorglosigkeit beibehalten zu können.

Die hedonistische Sofort-Mentalität ist die Geschäftsgrundlage für die vom Marketing künstlich beschleunigten Zyklen von Herstellung und Verbrauch. Ein regelrechtes Enthemmungsprogramm wird inszeniert, eine Abkehr vom alten Ideal des Aufschiebens und Abwartens. Selbstkontrolle war einmal das Merkmal persönlicher Reife! Das gilt für die wachsende Sphäre des Konsums nicht mehr. Wir dürfen und wir sollen wieder sein wie die Kinder: Lass es raus! Greif zu! Ins! Trink! Reise jetzt, bezahle später! Du darfst!

Besonders krass zeigt sich diese Haltung am antisozialen Verhalten zunehmend zahlreicherer Menschen im öffentlichen Raum: Schwindendes Unrechtsbewusstsein im Straßenverkehr als Ausdruck offener Aggression, Mauscheln und Betrügen als Lebensprinzip und Lebensgrundlage, primitive und einfältige Sprache als Ausdruck von Beliebigkeit und unscharfen oder behinderten Denkens. Besonders widerliche Indizien dieses Niedergangs sind Kotze, Spucke, Pisse und Scheiße überall. Sind dies vielleicht die letzten Zeichen der endgültig Gescheiterten? Das Verludern des Anstandes und der guten Sitten hat immerhin schon ganze Weltreiche aufgeweicht und letztlich zerstört...

Gewaltsignale unserer Zeit (04)

Christian Buschan MSc
Mitbegründer der
VITAO ALPEN AKADEMIE
Artikelserie 
Intolerante "Toleranz"

Scheinbar toleriertes Verhalten wie allgemeiner Vandalismus, mutwillige Ruhestörung, aggressives Betteln, öffentlicher Konsum legaler und illegaler Suchtmittel, alles begleitet und umrahmt von unbekümmertem Spucken, Kotzen, Pissen und Scheißen - dies alles fördert nicht nur das rapide Zersetzen von Anstand, Moral und Rechtssicherheit. Sondern es fördert vor allem die spätere Zunahme weiterer und schwererer Kriminalität. Übeltäter am Beginn ihrer Karriere zu stoppen ist wesentlich einfacher und billiger, als später Gewaltverbrecher festzunehmen und für teures Geld zu "resozialisieren"!

Es gilt mit aller Konsequenz zu verhindern, dass ordnungswidriger – auch optischer und akustischer! – Müll und Unrat überhaupt erst entsteht. Wo Müll, da Ratten! Alle Straftaten sind Straftaten und dürfen nicht leichtfertig hingenommen werden. Recht und Gesetz bieten genügend Spielraum für legales Aufbegehren und Verändern! Dem Terrorismus militanter Minderheiten muss endlich ein faires aber klares Ende gesetzt werden. Sonst greifen immer mehr Einzelne oder radikale Gruppen zu gefährlicher Selbstjustiz.

Typischerweise spricht man viel häufiger von "notwendiger Toleranz", als von zu verteidigenden Tugenden. Die häufig höchst intolerant geforderte Toleranz ist bei vielen Menschen im Grunde nichts weiter als ein mickriges Feigenblatt vor ihrem eigenen Mangel an Zivilcourage. Sie ist bei vielen bloß noch schlechte Tarnung für persönliche oder kollektive Feigheit, für Gleichgültigkeit oder Hilflosigkeit. Toleranz besteht ja nicht darin, dass man die Ansichten eines anderen einfach teilt. Sondernd darin, dass man ihm das Recht einräumt, anderer Ansicht zu sein. Toleranz wird jedoch korrumpiert, wenn man so weit geht, Intoleranz zu tolerieren. Wohin falsch verstandene "Toleranz" letztlich führt, können wir in unseren versauten Innenstädten täglich sehen.

Geforderte Toleranz ist für Renitente oft nichts weiter als ein raffiniert verstecktes, vorsätzliches Ritzen des Rechtsstaats. Aber wehe, wenn der Rechtsstaat selber das Recht ritzt – selten zwar und nur für kurze Zeit, indem er beispielsweise über Notstandsgesetze entschlossen Ordnung bei maroden Zuständen schafft! Respekt vor den gültigen Rechtsnormen hat nichts mit spießbürgerlich kleinlichem Denken zu tun, wie es von gewissen Kreisen bösartig oder mangels besserer Einsicht immer wieder behauptet wird. Dieser Respekt ist eine der tragenden Säulen sowohl des funktionierenden Rechts- als auch des Sozialstaates. Und genau diesen Respekt fordere ich auch für die Polizei, die diesen Rechtsstaat auf vollkommen legitime Weise repräsentiert und vertritt!

Gewaltsignale unserer Zeit (03)

Christian Buschan MSc
Mitbegründer der
VITAO ALPEN AKADEMIE
Artikelserie
Neid, Hass und Gewalt

Gewalt ist ein soziales Phänomen, eine Form des Handelns. Hass ist ein seelischer Zustand, der durch das Erleben eigener Schwäche entsteht. Schwäche beruht auf einem Ungleichgewicht zwischen den eigenen Bedürfnissen und den eigenen Kräften zu deren Befriedigung – das Ergebnis ist Frustration. Was kann man dagegen tun? Zweierlei: Entweder man stärkt alle seelischen, geistigen und körperlichen Kräfte umfassend, oder man verringert die Bedürfnisse massiv. Zur Gewalttätigkeit neigende Menschen haben beides nie wirklich gelernt. Sie sind in Wirklichkeit zu schwach und sie haben zu hohe Ansprüche – an andere, nur nicht an sich selbst! Das ist der Nährboden für den Neid, der wiederum zur Grundlage des Hasses werden kann.

Hass und Gewalt haben viel miteinander zu tun. Manchmal führt Hass zu Gewalt, manchmal führt Gewalt zu Hass. Und oft ist Hass die Folge der eigenen Ohnmacht, der Unfähigkeit, Gewalt mit Gewalt zu beantworten. Es gibt Gewalt ohne Hass: Das Gewaltmonopol der Polizei zum Beispiel müsste theoretisch emotionslos ausgeübt werden. Wer Polizist ist, weiß, wie unendlich schwer das oft ist. Und es gibt Hass ohne Gewalt: Psychosomatisch kranke Menschen, die alle Wut in sich hineinfressen, können ein Lied davon singen. Und es gibt schließlich jene Fälle, wo Hass bewußt erzeugt wird, um die Effizienz der Gewalt zu steigern. Ich denke an gewisse Demonstrationen, bei denen zum vornherein für alle klar ersichtlich ist, dass es nicht oder nur zum Schein um eine Sache geht, sondern schlicht um primitive Randale.

Hass zielt auf Vernichtung, meist nur in Gedanken, öfter aber auch in der Realität. Hass ist mörderisch, weil der Hassende sich oder das, womit er sich identifiziert, nicht nur durch konkrete Handlungen des anderen bedroht sieht, sondern bereits durch dessen bloße Existenz. Die Tiefenpsychologie lehrt uns: Wodurch wir uns bedroht fühlen, darin sehen wir die verdrängten Schatten unseres eigenen Wesens. Darum sind Hass und Selbsthass oft identisch. Und deswegen kann zwar Gewalt durch Gegengewalt besiegt werden – man denke an den so genannten finalen Rettungsschuss, nicht aber Hass durch Gewalt, Verachtung oder Gegenhass.

Die Überwindung des Hasses kann nur gelingen durch das Überwinden der Schwäche, aus welcher er entspringt. Und durch das Anerkennen der Ebenbürtigkeit des anderen selbst dort, wo er uns als Feind entgegentritt und bekämpft werden muss. Deshalb kann sportlicher Wettkampf selbst unter ebenbürtigen "Feinden" zur Minderung des Hasses beitragen. Sportlich gewinnen und verlieren können gilt damit zu Recht als eine Übung und Tugend, welche die Welt besänftigen kann. Zu Recht setzen bestimmte Gewaltpräventions-Programme beim gemeinsamen Ausüben einer Mannschaftssportart an. Es gibt bereits nächtliche Korbballturniere unter Jugendlichen und Polizisten!

Gewaltsignale unserer Zeit (02)

Christian Buschan MSc
Mitbegründer der
VITAO ALPEN AKADEMIE
Artikelserie
Jugendgerechter Jugendkult?

Immer mehr Kinder, Jugendliche und Erwachsene zeigen heute Auffälligkeiten, die stark an das psycho-organische Syndrom (POS) erinnern. Die Symptome der Betroffenen sind auch für Laien unübersehbar:

•  Ein Gefühl der Leistungsschwäche, häufig verbunden mit dem Gefühl, nie die Ziele zu erreichen – auch nicht die selbst gesteckten! Und dies unabhängig davon, wie viel man tatsächlich erreicht hat (gestörter oder fehlender Realitätsbezug).

•  Probleme mit der Organisation des Alltagslebens: Planungsmängel, Chaos, Schwierigkeiten mit dem Einhalten von Regeln, es mangelt an Pünktlichkeit, Gehorsam, Sorgfalt und Hygiene. Aufgaben werden vertrödelt oder gar nicht erledigt, zu viele gleichzeitig laufende Vorhaben, kaum etwas wird konsequent bis zum Ende durchgezogen (Schul- oder Lehrabbruch z.B.).

•  Die Neigung, auszusprechen, was einem gerade in den Sinn kommt, ohne Rücksicht darauf, ob man den richtigen Zeitpunkt oder die richtige Gelegenheit dafür gewählt hat (man denke an das unaufhörliche Handy-Geplapper und -gesimse ringsum!).

•  Mangelnde Toleranz gegenüber ruhigen, stillen "Leerzeiten", daher häufig hektische Jagd nach hochgradiger Stimulierung bis hin zu eindeutigem Suchtverhalten ("Kick" oder "Flash" muss her – um jeden Preis).

•  Ablenkbarkeit, Konzentrationsprobleme, die Neigung, mitten in der Lektüre eines Textes oder mitten in einem Gespräch abzuschalten. Das alles nicht selten verbunden mit der paradoxen Fähigkeit zu kurzer extremer Aufmerksamkeit (krasse Comics und Flyer, hektische Videoclips, Piktogramme statt ausführlichem Schrift- oder Bildgut).

•  Ungeduld, geringe Frustrationstoleranz, aufbrausendes Temperament, Impulsivität im Reden und Handeln: Impulsives Geldausgeben, Schnäppchenjagd, Ändern von Plänen (Last-Minute-Angebote), wahlloses
Herumprobieren, zielloses Wählen neuer Berufe.

•  Die Neigung, sich unaufhörlich unnötige bis geradezu lächerliche Sorgen zu machen. Mit Argusaugen wird Ausschau gehalten nach Anlässen zur Sorge, abwechselnd mit Blindheit oder Gleichgültigkeit gegenüber realen Gefahren (Bin ich "in", dünn oder schön genug? Essstörungen).

•  Chronisch angeschlagenes Selbstwertgefühl, unzutreffende Selbstbeurteilung. Innere Unsicherheit, Stimmungsschwankungen und Stimmungslabilität. Motorische und/oder innere Unruhe (unaufhörliches paradoxes Balzverhalten, "Gezappel", Suizidneigung).

•  In der Herkunftsfamilie gehäuftes Auftreten von POS, manisch-depressiver Erkrankung, Depression, Suchtverhalten (Tabak, Alkohol, Medikamente, illegale Drogen), Probleme mit der Impulskontrolle oder mit Stimmungen (wütende Gewaltausbrüche bereits wegen Nichtigkeiten, Vandalismus, Suizidgedanken).

Eine Ursache für diese Symptome liegt in der unbewussten Förderung des Narzissmus bei Kindern und Jugendlichen durch ihre Bezugspersonen. Eine auch hierzulande weit verbreitete psychologische Bewegung glaubt, dass es richtig sei, das Selbstwertgefühl der Heranwachsenden durch Lob nach Kräften zu fördern. Auf so genannt ”Destruktives” – vor allem auf klare Grenzen oder gar Kritik! – sei zu verzichten. Jedem Kind wird eingehämmert, es sei etwas ganz, ganz Spezielles, ja geradezu abgöttisch Einzigartiges.

Die Vermutung, dass es vom übersteigerten Selbstwertgefühl zum Narzissmus nur ein kleiner Schritt ist, wurde von mehreren Studien bestätigt. Es konnte nachgewiesen werden, dass narzisstische Personen vermehrt zur Aggression neigen, wenn sie kritisiert werden. Die permanent Gelobten fühlen selber, dass ihre gespielte Überlegenheit eine sehr brüchige ist. Übertrieben heftig reagieren sie deswegen auf das Infragestellen ihrer Person. Ein gefährlicher Nebenaspekt des unaufhörlich gelobt Werdens ist die Neigung, die Verantwortung für eigenes Fehlverhalten abzulehnen und andere zu beschuldigen. Unbeteiligte zu Opfern zu machen ist nicht nur sozial zersetzend, sondern fördert auch die Bereitschaft, Probleme gewaltsam lösen zu wollen.

Depressive Störungen haben in der Schweiz seit den fünfziger Jahren um das Zehnfache zugenommen. Ebenso dramatisch zugenommen haben die Selbstmordanfälligkeit, die Häufigkeit von Gewalttaten, die Suchtprobleme sowie die Anfälligkeit für zahlreiche neurotische Erkrankungen.

Selbstunsicherheit und Schüchternheit sind längst Zeitkrankheiten geworden, die auf die verhängnisvolle Überzeugung zurückgehen "Etwas stimmt nicht mit mir". Schamängste wurden zu einem neuen Volksleiden, welches besonders von Jugendlichen meist aggressiv überspielt wird. In der Schweiz hat die Suizidneigung besonders bei Jugendlichen stark zugenommen. Bei Männern zwischen 15 und 44 Jahren ist die Selbsttötung inzwischen zur häufigsten Todesursache geworden!

Gewaltsignale unserer Zeit (01)





Christian Buschan MSc
Mitbegründer der
VITAO ALPEN AKADEMIE
Artikelserie
Gewalt, ein altes neues Phänomen
Annäherung an einen Schatten





Wie geht's, wie steht's?

Die kollektive Neurose der Gegenwart ist durch vier typische Symptome gekennzeichnet: Provisorische Daseinshaltung, fatalistische Lebenseinstellung, kollektivistisches Denken und Fanatismus. Die beiden ersten Symptome sind stärker ausgeprägt in der westlichen Welt, die beiden letzten deutlicher in der östlichen. Alle vier Symptome gründen auf der Flucht vor Verantwortung und auf der Scheu vor wirklicher Freiheit. Freiheit nicht von etwas, sondern Freiheit zu etwas.

Der gegenwärtige Nihilismus ("Null Bock auf nichts") breiter Bevölkerungskreise gefährdet die seelische Hygiene vieler Menschen zusätzlich. Diese existentielle Frustration und der allgemeine Mangel an Sinn haben ihre Wurzeln im gleichzeitig fortschreitenden Instinkt- und Traditionsverlust. Sie manifestieren sich in Form von Langeweile und Gleichgültigkeit. Langeweile bedeutet Verlust an Interesse – zum Beispiel an der sozialen Umwelt. Gleichgültigkeit bedeutet Mangel an Initiative – beispielsweise an der Initiative, persönlich und mit legalen und wirkungsvollen Mitteln an der konkreten Lebenswelt etwas zu verbessern.

Ursachen und Faszination der Gewalt
"Der Mensch ist eine domestizierte Bestie". Mit diesen Worten pflegte unser Lehrer für Humanbiologie am Berner Institut für Rechtsmedizin seine Vorlesung über das Wesen des Menschen zu eröffnen. Viele halten es in unserer verzärtelten Kultur nicht mehr aus, sich die Rückseite der Medaille anzusehen, auf deren Vorderseite die so genannte Krone der Schöpfung prangt.

Um das Entstehen von Gewalt besser zu verstehen, kommen wir nicht darum herum, uns mit dieser dunklen Rückseite, mit dem Schatten des Menschen zu beschäftigen. Und dabei auch und vor allem mit unserem eigenen! Damit eines ganz klar ist: Nach Ursachen für Gewalt zu suchen, um die Entwicklung von Gewalt zu begreifen, darf niemals heißen, Gewalt zu billigen! Und: Wir können das Böse im Menschen verabscheuen, ja hassen, ohne gleich den ganzen Menschen hassen zu müssen. Wir sind umgeben von stillen und lauten Aufrufen zur Gewalt – auch gegen Helfende. Wir kennen die Szenesprüche und Graffitis in- und auswendig. Was ist eigentlich daran so faszinierend? Gewaltanwendung erfüllt zwei zentrale Forderungen der Moderne: Sie führt rasch zum Erfolg und sie bleibt oberflächlich. Wenn z. B. Polizisten oder Sozialarbeiter Jugendliche nach den Gründen für ihre Gewalttaten befragen, antworten diese oft mit der Frage "warum nicht?". Oder sie sagen, es sei einfach nichts dagewesen, was dagegen gesprochen hätte.

Wo vielen alles sinnlos erscheint, gibt es scheinbar keine Gegenargumente mehr gegen Gewalt. Breite Kreise der Bevölkerung unterschätzen aus Unkenntnis, Hilflosigkeit oder Angst das Problem der massiven Zuwanderung von Menschen aus aller Herren Länder. Mit der Migration und mit dem Anwachsen der multikulturellen Gesellschaft wird neben vielen kulturellen Bereicherungen auch Gewaltkriminalität importiert. Dies vor allem aus Ländern, in denen unsere Vorstellungen von Demokratie und von einem geordneten, verantwortungsvollen, gewaltfreien gesellschaftlichen Zusammenleben wenig oder nichts gelten.

Eine wachsende Zahl frustrierter Demokratiemüder scheint diese Entwicklung zu missbrauchen: Gewaltbereitere Menschen aus dem Ausland sollen stellvertretend eine Bresche hauen für das rücksichtslose Durchsetzen egoistischer Ideale oder fragwürdiger politischer Absichten. Eigenes Versagen in Schule, Ausbildung, Beruf, Familie und Gesellschaft kann leicht versteckt werden hinter der durch importierte Gewaltkriminalität massiv verstärkten Rechtsunsicherheit und im Chaos des Multikulti-Mischmaschs. Alles ist nun plötzlich möglich, irgendwie geil, gut und schön. Was Fremden durchgelassen wird, wollen plötzlich alle dürfen, ordnende oder bremsende Stimmen und Institutionen werden gezielt lächerlich gemacht, durch eine Flut überrissener Ansprüche gelähmt und ausgesaugt und damit in ihrer Wirksamkeit mehr oder weniger planmäßig untergraben. Man darf vermuten, dass die Rechtsprechung auch aus gesellschaftspolitischen Gründen verunsichert ist und deswegen den konsequenten Vollzug geltender Gesetze nicht mehr oder viel zu zögerlich durchsetzt.

Das alles verbindende Opfergefühl ist mehr als alles andere der Stoff, aus dem sich besonders der rechte bis rechtsextreme Lifestyle speist. Die Medienpräsenz ist auch bei "den Rechten" bereits zur Droge geworden – und dem muss öffentlich entgegengewirkt werden, vor allem bei den Medien. Die Rechten sollen nicht bekehrt, sondern das Menschliche und das Demokratische in ihnen und um sie herum soll gefördert werden. Die zivilen Kräfte der Gesellschaft müssen gestärkt werden. Die Zivilgesellschaft muss also nicht nur erreicht, sondern langfristig auch gesichert werden. Damit sich die Züge einer stärker selbst bestimmten politischen Kultur entwickeln können, muss auch die Polizei mehr Flagge und Profil zeigen. Aber nicht im Sinne von ”high noon”, sondern sinnvoll. Polizeiliche Intervention ist letztlich nur sinnvoll, wenn sie gesellschaftlich gewollt wird. Wenn Polizisten wegschauen, dann tun sie das oft auf Grund eines unausgesprochenen gesellschaftlichen Konsens‘, der sich auf die Strategie des geringsten Widerstandes stützt.