Blog & Themen-Netzwerk durchsuchen

Sonntag, 29. Mai 2011

Wissenswertes über die drogenpolitischen Entwicklungen in der Schweiz

Eingestellt von Christian Buschan
Mitbegründer der VITAO®
Alpenakademie


Drogenpolitisches Journal

Zentrale Ereignisse und Entwicklungen in der Schweiz  
von Anfang 1991 bis Ende 2001

Christian Buschan, Wissenschaftlicher Adjunkt und Kommissar
Wissenschaftlicher Mitarbeiter Nationaler Drogenausschuß (NDA)
Leiter Psychologischer Fachdienst, Stab Bundesamtes für Polizei / fedpol.


Wichtiger Hinweis: Das drogenpolitische Journal endet deswegen, weil ab 2001 die Schweizer Drogenpolitik ohne weitere Verwerfungen dem sogenannten Viersäulen-Modell folgte: Prävention, Überlebenshilfe, Therapie und Kontrolle/Repression. Es kam schlicht nichts wesentlich Neues mehr hinzu.



1) Nationale, regionale und internationale Ebene

20.1.91: Der Bundesrat beschließt die „Maßnahmen des Bundes zur Verminderung der Drogenprobleme“. Das Engagement des Bundes wird damit wesentlich verstärkt. Die Schwerpunkte liegen auf Prävention, Risi­kover­minde­rung, Therapie, berufliche Aus- und Weiterbildung, wissenschaftliche Forschung, Dokumentation und Koor­dination. Das erste sogenannte „Massnahmenpaket Drogen“ wird insgesamt mehr als 70 Millionen Fran­ken in über 200 geprüfte und als förderungswürdig befundene Projekte investieren, zumeist in der Form von Starthilfebei­trä­gen (Wissensstand 8/96). Das Institut für Sozial- und Präventivmedi­zin der Universität Lau­sanne wird 1996 die vom Bund getroffenen Maßnahmen evaluieren. Der entsprechende Bericht soll im August 1997 publiziert werden.

1.10.91: Die erste nationale Drogenkonferenz greift Elemente des Maßnahmenpaketes Drogen auf und macht Vorschläge zu deren Umsetzung.

15.11.92: Die bundesrätliche "Verordnung über die Förderung der wissenschaftlichen Begleitforschung zur Dro­genprä­vention und Verbesserung der Lebensbedingungen Drogenabhängiger" vom 21.10.92 tritt in Kraft. Ihre Kernaussagen: Oberstes Ziel von Präventions- und Betreuungsmaßnahmen sei die Drogenabstinenz des Individu­ums. Der Bund unterstütze die wissenschaftliche Begleitforschung zu Maßnahmen für die Dro­genprä­vention, die Verbesserung der Gesundheits- und Lebenssituation Dro­genabhängiger, ihre Wiederein­gliede­rung in die Gesellschaft sowie die Senkung der Beschaffungs­kri­mi­nalität. Die Begleitforschung solle wissen­schaftliche Entscheidungsgrundlagen für die Wahl und Ver­besse­rung von Präventions- und Betreu­ungsmaß­nahmen liefern.

22.7.93: Die Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“ wird mit rund 141’000 gültigen Stimmen eingereicht und für gültig erklärt. Sie fordert den Bund via Verfassungsartikel dazu auf, mit einer restriktiven, direkt auf Abstinenz ausgerichteten Drogenpolitik die Nachfrage nach Rauschgiften und die Anzahl Konsumenten und Abhängiger drastisch zu senken. Der illegale Rauschgifthandel solle effektiv bekämpft werden. Die Abgabe von Betäu­bungsmitteln sei zu verbieten. Vor­behalten seien rein medizinische Zwecke. Auch hiervon ausgenommen seien jedoch Heroin, Rauchopium, Kokain, Cannabis, Halluzinogene und analoge Substanzen.

17.12.93: Die CVP-Fraktion des Nationalrates reicht ihre Motion zur Schaffung eines Suchtpräventionsgeset­zes ein. Diese wird vom Bundesrat am 23.3.94 gutgeheißen. Der Bundesrat beantragt, die Motion in ein Postulat umzuwandeln.

3/94: Der Gesamtplan der im ersten Semester 94 beginnenden, wissenschaftlichen Versuche zur ärztlichen Verschreibung von Betäubungsmitteln sieht 5 Versuchstypen vor. Verschreibungsfähige Substanzen sind Heroin, Morphin und Methadon i.v. Insgesamt nehmen 700 Menschen in 15 Projekten (wovon 1 frauen­spezifi­sches) teil.

5/94: Die Drogendelegation des Bundesrates wird gebildet. Sie besteht aus der Vorsteherin des Eidgenössi­schen Departements des Innern sowie den Vorstehern des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartemen­ts und dem Eidgenössischen Militärdepartement.

6/94: Der Bundesrat setzt die Interdepartementale Arbeitsgruppe (IDAD) ein. Diese bearbeitet in erster Linie den von Stadt und Kanton Zürich vorgelegten Forderungskatalog betreffend die offene Drogenszene am Bahnhof Letten, die Beeinträchtigungen im Kreis 4 und 5, etc., und erstattet darüber Bericht. Sie besteht aus hochrangigen Vertretern aller mit Drogenfragen befaßten Bundesämter.

5.7.94: Die FDP, SP und CVP Schweiz veröffentlichen gemeinsam Konzept und Maßnahmen „Für eine kohä­rente Drogenpolitik“. Sie legen damit einen „Dritten Weg“ zwischen den beiden als extrem empfundenen Volks­initiativen vor. Ihre sechs Postulate lauten: 1. Umfassende Prävention einschließlich Früherkennung und -behandlung von Gefährdeten und NeueinsteigerInnen; 2. Erzieherische Möglichkeiten zur individuellen Standortbestimmung und zur Herstellung einer Therapiemotivation; 3. Therapie schwer Abhängiger auch durch ärztlich indizierte und kontrollierte Heroinabgabe sowie eine entsprechende Überlebenshilfe; 4. Straflo­sigkeit des Drogenkonsums und seiner Vorbereitungshandlungen (die CVP sieht nicht Straflosigkeit sondern eine weitergehende Anwendung des Opportunitätsprinzips vor); 5. Wirksamere Maßnahmen zur Bekämp­fung des organisierten Verbrechens, inklusive des illegalen Drogenhandels; 6. Kohärente Drogenpolitik in der gan­zen Schweiz.

7.9.94: Der Bundesrat artikuliert seine Haltung zu den aktuellen Drogenproblemen in der gleichnamigen Schrift. Darin wird die sogenannte 4-Säulen-Politik erstmals offiziell festgeschrieben sowie die Forderungen der beiden Volksinitiativen, der politischen Parteien, des Schweizerischen Städteverbandes sowie weiterer Einzelinitiativen breit dargestellt.

3.10.94: Der Bundesrat beschließt auf Antrag des EDI vom 28.9.94 dringende Maßnahmen zur Förderung der stationären Drogentherapie. Ab 1995 soll eine nationale Koordinationsstelle unter anderem dafür sorgen, daß Angebot und Nachfrage in diesem Bereich besser als bisher miteinander abgeglichen werden können.

3.10.94: Der Bundesrat beschließt aufgrund erster, überwiegend positiv lautender wissenschaftlicher Zwi­schenberichte eine Änderung der Verordnung über die wissenschaftlichen Versuche zur ärztlichen Verschrei­bung von Betäubungsmitteln: substanzbezogene Umgewichtung des Forschungsplanes sowie Erhöhung der Zahl der Probandinnen auf max. 1’000. Diese Änderung tritt am 1.11.94 in Kraft.

9.11.94: Die Volksinitiative „DroLeg - für eine vernünftige Drogenpolitik“ wird mit rund 110’000 gültigen Unter­schriften eingereicht und für gültig erklärt. Der Konsum von Betäubungsmitteln sowie ihr Anbau, Besitz und Erwerb sollen straffrei werden. Der Bund solle Vorschriften über Anbau, Einfuhr, Herstellung sowie Handel mit Betäubungsmittel erlassen und die Produkte besteuern. Der Ertrag soll zugunsten von Prävention, Suchtfor­schung und Therapie eingesetzt werden.

12/94: Die Überregionale Ethikkommission (UREK) der Akademie der medizinischen Wissenschaften stimmt den bundesrätlichen Änderungen der Verordnung über die wissenschaftlichen Versuche zur ärztlichen Ver­schreibung von Betäubungsmitteln ebenfalls zu (siehe oben).

30.1.95: Der Bundesrat genehmigt die Änderung des Gesamtversuchsplans der wissenschaftlichen Versuche zur ärztlichen Verschreibung von Betäubungsmitteln bezüglich der Umwandlung von Behandlungsplätzen.

18.2.95: Die zweite nationale Drogenkonferenz findet im Parlamentsgebäude in Bern statt. Sie vereinigt rund 250 Delegierte der Kantone, größerer Städte, politischer Parteien, anderer interessierter Gruppen und Institu­tionen sowie Fachpersonen und Direktbetroffene. In vier getrennt deutsch- und französischsprachig geführten Arbeits­gruppen wurden folgende Themen diskutiert und vertieft: 1. Prävention - je früher desto besser; 2. Überlebens­hilfe - ein Menschenrecht? 3. Therapie: was hilft wem?; 4. Repression: wo und wieviel? Die mehr­heitsfähigen Hauptergebnisse waren: Bestehende rechtliche Spielräume sollten vor allem von den Kan­tonen und Städten genutzt werden; der Konsum von Betäubungsmitteln sei straffrei zu erklären; das 4-Säu­len-Modell der bundesrät­lichen Drogenpolitik sei zu unterstützen und weiterzuentwickeln; Hektik und Schuld­zu­weisungen müsse Einhalt geboten werden. Die starke Medienpräsenz rief ein kräftiges, zumeist sehr positi­ves Echo in der Öffentlichkeit hervor.

19.6.95: Der Bundesrat veröffentlicht seine Botschaft zu den beiden Volksinitiativen „Jugend ohne Drogen“ und „DroLeg - für eine vernünftige Drogenpolitik“. Er empfiehlt beide ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung und empfiehlt, die 4-Säulen-Drogenpolitik weiter auszubauen sowie die Revision des Betäubungsmittelgesetzes vor­anzutreiben. 

16.2.96: Die Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates überweist drei drogenpoliti­sche Initiativen. Damit will sie dem Parlament die Möglichkeit offenhalten, das Betäubungsmittelgesetz selber zu revidieren. Die Initiative Helmut Hubacher will den Drogenschwarzmarkt und die Beschaffungskriminalität eliminieren. Die Initiative Alexander Tschäppät unterstützt die Straflosigkeit des Konsums und die Initiative Trix Heberlein spricht sich für eine gezieltere Anwendung der Fürsorgerischen Freiheitsentziehung gegenüber Abhängigen aus. Am 11.3.96 stellt das Büro des Nationalrates zuhanden der Kommission einen Rückwei­sungsantrag für alle drei Initiati­ven mit dem Auftrag, alle drei Anträge bis zur Sommersession 96 ausführlich zu begründen.

22.2.96: Der Bericht der Kommission zur Revision des Betäubungsmittelgesetz erscheint und wird im April 96 vom Bundesrat formell und ohne Kommentar zur Kenntnis genommen und in die Vernehmlassung gegeben (Termin: 31.7.96). Der Bericht empfiehlt unter anderem, die 4-Säulen-Drogenpolitik sei für unser Land geeig­net und solle unter Berücksichtigung folgender Punkte weitergeführt werden:

-     der Bund solle die Prävention intensivieren und vereinheitlichen; der Bund müsse die Kantone ver­pflichten können, Schaden­verminderungsprogramme anzubieten
-     die stationäre und ambulante Therapie Abhängiger sei gezielt auszu­bauen
-     neue Finanzierungsmodelle seien zu verwirklichen (IV, BSV, Krankenkassen)
-     die institutionellen Rahmenbedingungen zur Fürsorgerischen Freiheitsentziehung gegenüber Abhängi­gen seien zu verbessern
-     Einführen von Qualitätskriterien im Suchthilfebereich
-     breitere Förderung der Suchtforschung
-     der Konsum von Betäubungsmitteln sowie die Vorbereitungshandlungen dazu seien straffrei zu erklä­ren
-     der Jugend­schutz sei angemessen auszubauen
-     Cannabisprodukte bedürften keiner besonderen gesetzlichen Regelung
-     die Bekämpfung der organisierten Drogenkriminalität sei zu intensivieren und unter den Kantonen noch bes­ser zu koordinieren
-     kantonale und städtische Polizeigesetze seien zu ergänzen mit dem Ziel, offene Dro­genszenen zu verhindern
-     Es sei eine landesweit einheitliche Strafprozeßordnung zu schaffen.

21.3.96: Der Nationalrat empfiehlt im Stimmenverhältnis 3:1 die beiden Volksinitiativen „Jugend ohne Drogen“ und „DroLeg - für eine vernünftige Drogenpolitik“ zur Ablehnung und ebenfalls mit 3:1 den Verzicht auf einen Gegenvorschlag.

24.4.96: Der Bundesrat beschließt mit der Schaffung der „Koordinations- und Dienstleistungsplattform Drogen Schweiz“ (KDS) eine engere, nationale Zusammenarbeit in Drogenfragen. Die KDS setzt sich aus einem neu gebildeten Nationalen Drogenausschuß (NDA) - gebildet aus je sechs VertreterInnen aus Bundesämtern, Kantonen und Städten - sowie einem Fachsekretariat zusammen. Dieses wird gebildet aus je einem wissen­schaftlichen Mitarbeiter der Bundesämter für Gesundheit, respektive für Polizeiwesen sowie einer Sekretari­atsperson[1]. Damit wurde die von den Städten immer dezidierter geforderte Vertretung auf Bundesebene sowie ein formel­les Bindeglied zu Bund und Kantonen geschaffen. Das Sekretariat leistet Koordinations- und Har­monisie­rungsarbeit und stellt den Informationsaustausch zwischen dem Drogenausschuß, den betroffenen Bundes­ämtern, interkantonalen Konferenzen sowie Kantons- und Gemeindebehörden sicher. Es organisiert künftige natio­nale Drogenkonferenzen.

13.8.96: Die ständerätliche Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit formuliert einen direkten Gegenvorschlag zur Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“. Zentrale Elemente des vorgeschlagenen Verfas­sungstextes (Art. 68bis [neu]): Bund und Kantone führen eine Drogenpolitik, die unter Vorbehalt medizinischer Anwendungen eine Gesellschaft ohne Konsum von Betäubungsmitteln anstrebt. Die 4-Säulenpolitik wird fest­geschrieben: Prävention, Entzug/Therapie, Schadenminderung, Repression des illegalen Verkehrs mit Betäu­bungsmitteln. Der Bund kann die Kantone dabei unterstützten, er kann koordinieren und selbst ergänzende Maßnahmen treffen, wenn das Gesamtinteresse dies rechtfertigt.

Der Ständerat wird in der Herbstsession 96 über den Antrag seiner Kommission befinden. Sollte er seiner Kommission folgen - was aus heutiger Sicht absehbar ist -, entsteht eine Differenz zum Nationalrat, die frühe­stens in der Dezembersession 96 behandelt werden kann. Damit wird eine Volksabstimmung im März 97 unwahrscheinlich. Damit kann frühestens im Juni 97 über die Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“ abge­stimmt wer­den. Die Abstimmung zur Volksinitiative „DroLeg - für eine vernünftige Drogenpolitik“ kann aus verfahrens­rechtli­chen Gründen frühestens ein Jahr später, also im Juni 98, stattfinden. Bundesrat und Parla­ment werden nicht vor der Abstimmung zur Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“, damit also frühestens in der zweiten Hälfte 1997, die notwendigen Entscheidungen bezüglich näch­ster drogenpolitischer und gesetzgebe­rischer Schritte (Revision BetmG) treffen können.

3.7.96: Der Bericht „Drogenpolitische Szenarien“ der Subkommission Drogenfragen der Eidgenössischen Betäubungsmittelkommission erscheint. Er geht zurück auf das Postulat Rechsteiner vom 18.12.92, welches der Bundesrat am 21.4.93 guthieß und das vom Bundesrat „Szenarien bei Aufgabe der Drogenprohibition“ forderte. Der Bericht beschreibt sieben denkbare Szenarien, empfiehlt in erster Linie ein Schadenminde­rungsmodell und gibt Empfehlungen für nächste Schritte ab: Weiterentwickeln der Drogenpolitik auf der Basis des 4-Säulen-Modells, ergänzt um die vollumfängliche Übernahme der Empfehlungen der Expertenkommis­sion zur Revision des Betäubungsmittelgesetzes (siehe oben). Die Grundbotschaft einer zukünftigen, nationa­len Suchtmittelpolitik müsse sein, daß es immer eine bessere Lösung für persönliche Probleme gebe als das Ausweichen in den Suchtmittelkonsum.

Zur längerfristigen Perspektive ergab sich kein Konsens. Eine Kommissionsmehrheit (6:4) schlägt eine Lega­lisierung der Drogen mit differenzierter, reglementierter Zugänglichkeit vor. In die Betrachtung miteinzubezie­hen seien dabei sämtliche psychoaktiven Substanzen, also ausdrücklich auch die heute legal erhältlichen. Die Kommissionsminderheit unterstützt das bundesrätliche 4-Säulen-Modell, möchte aber den illegalen Status der heute dem Betäubungsmittelgesetz unterstellten Substanzen beibehalten. Eine Legalisierung wäre unver­einbar mit bereits eingegangenen internationalen Verpflichtungen.

8/96: Das „Massnahmenpaket Drogen 2“ für die Jahre 1997-2002 wird seit Anfang Jahr im BAG entwickelt. Der Bun­desrat sowie der nationale Drogenausschuß werden sich im Herbst 1996, resp. Frühjahr 1997 mit dem Ent­wurf befassen.

Am 17.9.96 spricht sich der Ständerat mit 35 zu 2 Stimmen gegen die Initiative „Jugend ohne Drogen aus. Der ständerätliche Gegenvorschlag wird mit 32 zu 5 Stimmen gutgeheißen. Der Antrag Schüle (FDP/SH) auf Aus­weitung des Suchtbegriffes auch auf die heute legalen Drogen wird mit 34 zu 5 Stimmen abgelehnt. In der Gesamtabstimmung wird der Vorlage mit 35 zu 1 Stimme (Uhlmann/SVP/TG) zugestimmt. Das Geschäft geht damit zurück an den Nationalrat. Die Volksinitiative „DroLeg“ wird mit 32 zu 0 Stimmen zur Ablehnung emp­foh­len. Ohne Diskussion beschließt der Ständerat, das internationale Übereinkommen von 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen so lange zu sistieren, bis das Volk über die DroLeg-Initiative angestimmt hat. Der Standesinitiative des Kantons Solothurn zur Legalisierung des Dro­genkonsums wird mit 23 zu 13 Stimmen keine Folge gegeben, überweist diese Frage dem Bundesrat jedoch in der Form eines Postulates. Frau BR Dreifuss nimmt den Vorstoß namens des BR gerne entgegen.

25.10.96: Mit 15 zu 8 Stimmen beantragt die nationalrätliche Kommission für soziale Sicherheit und Gesund­heit dem Nationalrat, nicht auf den Gegenvorschlag des Ständerates zur Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“ einzutreten. 
8./9.11.96: Die fünfte Jugendsession findet in Bern zum Thema „Drogenpolitik“ statt. Die beiden Volksinitiati­ven werden abgelehnt. Gefordert werden das Festhalten an der ärztlichen Verschreibung von Opiaten sowie die Legalisierung von Cannabisprodukten.

3.12.96: Der Nationalrat lehnt es mit 136 zu 42 Stimmen zum zweiten Mal ab, die Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“ mit einem Gegenvorschlag zu konfrontieren. Damit geht die Vorlage zurück in den Ständerat.

12.12.96: Der Ständerat spricht sich mit 22 zu 20 Stimmen dafür aus, am Gegenvorschlag festzuhalten. Zudem wird mit 20 zu 8 Stimmen beschlossen, den verschärfenden Zusatz Danioth („Vorbehalt unerläßlicher medizinischer Anwendungen“) einzufügen. Das Geschäft geht damit zurück an den Nationalrat.

18.12.96: Der Bundesrat nimmt formell Kenntnis vom Ergebnis der Vernehmlassung zum Expertenbericht zur Revision des BetmG. 16 Kantone sowie die Parteien FDP, CVP und SP unterstützen demnach die definitive Aufnahme der ärztlichen Heroinverschreibung in die Therapiepalette - dies unter Vorbehalt mehrheitlich posi­tiver Ergebnisse der laufenden Versuche. Gegen die Straffreiheit des Drogenkonsums sprechen sich die West- und Ostschweizerkantone sowie CVP und SVP aus. Die übrige Deutschschweiz sowie die meisten Fachorganisatio­nen treten für die Straffreiheit des Drogenkonsums ein. Er wolle mit weiteren Beschlüssen zur Drogenpolitik zuwarten, bis das Ergebnis der Abstimmung zur Volksi­nitiative „Jugend ohne Drogen“ feststehe. Die Abstimmung könne wegen des offenen Differenzbereinigungs­verfahrens zwischen National- und Stände­rat zur Frage eines Gegenvorschlages frühestens im September 97 stattfinden.

6.1.97: Der Bericht über die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens zum „Schild-Bericht“ wird publiziert. Die 4-Säulen-Drogenpolitik findet breite Unterstützung und wird nur von der Minderheit der Anhänger einer strikt auf Abstinenz orientierten Drogenpolitik abgelehnt. 14 von 17 darauf antwortenden Kantonen begrüßten das Schaffen eines Suchthilfegesetzes. Die große Mehrheit der Kantone und Fachorganisationen, die Eidg. Kommissionen, die Wirtschaftsverbände sowie alle Bundesratsparteien wollen vermehrt Schwergewichte in der Prävention setzen. Dem Bund werden generell deutlich mehr Mittel abverlangt zur Unterstützung von Kantonen, Städten und Gemeinden bei der Lösung ihrer Drogenprobleme.

Unter dem Vorbehalt, daß die Verschreibungsversuche positiv ausfallen, sprechen sich 16 Kantone, die SP, FDP und CVP sowie die KKBS für die Heroinverschreibung als neue Therapieform aus. Die Mehrheit der Ver­nehmlasser will auf eine spezifische Lösung für Cannabisprodukte verzichten. Die Aufhebung der Straf­barkeit des Konsums von Betäubungsmitteln und dessen Vorbereitungshandlungen wird von der Mehrheit der deutschsprachigen Kantone, von SP und FDP (unter Vorbehalt, daß der öffentliche Konsum strafbar bleibt) und von der Mehrheit der Organisationen befürwortet.

10.1.97: 1996 starben in der Schweiz 312 Menschen an den Folgen übermäßigen Drogenkonsums. Das sind 50 weniger als 1995. Allerdings sterben jährlich rund 300 weitere Drogenabhängige an AIDS. Weitere rund 250 Todesfälle sind Gelbsuchtinfektionen bei Abhängigen zuzurechnen. Als Drogentoter gilt, wer an einer Überdosis Betäubungsmittel stirbt, im Rauschzustand verunfallt oder wegen Drogensucht Selbstmord verübt.

12.2.97: Der Bundesrat setzt die Eidgenössische Kommission für Drogenfragen ein. Vorsitzender ist der St. Galler Präventivmediziner François van der Linde. Das Gremium ersetzt die Eidgenössische Betäubungsmit­telkommission und hat zwei Aufgabenbereiche: Erstens die Beratung des Bundesrates, des Departements des Innern sowie des Bundesamtes für Gesundheit. Zweitens in Zusammenarbeit mit dem Nationalen Drogenaus­schuß das Fördern der Konsensfindung in der Drogenpolitik. Mit der Kontrolle des legalen Handels mit Betäu­bungsmitteln hat sich das neue Gremium nicht mehr zu befassen.

3.3.97: Mit 99 zu 68 Stimmen hält der Nationalrat an seinem früheren Beschluß fest und lehnt damit einen Gegenvorschlag zur VI Job ab. Die Vorlage geht zurück an den Ständerat.

12.3.97: Der Ständerat beschließt mit 23 zu 20 Stimmen, am Gegenvorschlag festzuhalten. Die Einigungs­konferenz spricht sich am 17.3. mit 14 zu 12 Stimmen gegen einen direkten Gegenvorschlag aus.
19.3.97: Der Ständerat heißt den Antrag der Einigungskonferenz - Ablehnung der VI Job ohne Gegenvor­schlag - mit 24 zu 12 Stimmen gut. Damit folgt die kleine Kammer dem Nationalrat. In der Schlußabstimmung vom 21.3.97 beschließen Ständerat (21:4) und Nationalrat (100:43 bei 28 Enthaltungen), Volk und Ständen die Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“ zur Ablehnung zu empfehlen. Die Volksinitiative „Droleg - für eine vernünftige Drogenpolitik“ wird mit 20:0 (Ständerat), respektive 112:42 bei 17 Enthaltungen (Nationalrat) ebenfalls zur Ablehnung empfohlen.

10.7.97: Der Synthesebericht über die "Versuche für eine ärztliche Verschreibung von Betäubungsmitteln" wird publiziert. Aus repressiver Sicht besonders wichtig ist die Aussage, daß bei den Probanden ein Rückgang der polizeilich registrierten Delikte um 57 bis 65% nachgewiesen wurde. Die Heroinverschreibung wird aufgrund dieser Ergebnisse als "eine außerordentlich erfolgreiche Einzelmaßnahme im Bereich der Kriminalitätsprä­vention bei Drogenabhängigen" bezeichnet. Die Schlußempfehlung des Berichts lautet: „Eine restriktiv gehandhabte, auf die beschriebene Zielgruppe ausgerichtete Weiterführung der heroingestützten Behand­lung kann empfohlen werden, und zwar in entsprechend ausgerüsteten und kontrollierten Polikliniken, die den im Bericht genannten Rahmenbedingungen genügen“.

30.7.97: Die ordentliche Ärztekammer (Delegiertenversammlung der Verbindung der Schweizer Ärzte FMH) spricht sich in einer Resolution praktisch einstimmig für die Ablehnung der Volksinitiative „Jugend ohne Dro­gen“ aus. Die Publikation erfolgt in der Schweizerischen Ärztezeitung, Bd. 78, Heft 31 vom 30.7.97.

9.8.97: Die "Jungfreisinnigen Schweiz" beschließen einstimmig die Nein-Parole zu „Jugend ohne Drogen“. Es sei grundlegend falsch, eine Therapiemöglichkeit für Drogenkranke als die einzig richtige zu erküren und alle anderen zu verbieten. Es sei klar erwiesen, daß mit Repression und Sofortentzug keine höhere Abstinenz erreicht werden könne. Eine repressive Drogenpolitik überlasse die Abhängigen der Mafia. Drogenkranke dürften nicht noch weiter kriminalisiert werden, die ärztliche Verschreibung von Heroin müsse weiterhin mög­lich sein. Man stelle sich ganz klar hinter das 4-Säulen-Modell des Bundesrates.

15.8.97: Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände SAJV lehnt die Initiative „Jugend ohne Drogen“ ab. Die Initiative schreibe eine rein auf Verboten aufgebaute Vorgehensweise vor und schränke außerdem die Optik auf illegale Drogen ein.

16.8.97: Die Delegiertenversammlung der Freisinnig Demokratischen Partei der Schweiz FDP unterstützt die nationale 4-Säulen-Drogenpolitik und empfiehlt mit 178 zu 21 Stimmen die Ablehnung der Initiative „Jugend ohne Drogen“. Den Befürwortern fehle es an einem erfolgversprechenden und zukunftsweisenden Konzept, ihr Absolutismus sei verfehlt. Die ehemaligen Hardliner aus der Westschweiz scheinen umzudenken, anders wäre das Stimmenverhältnis bei gleichzeitig sehr hoher Beteiligung der Romands nicht zu erklären.

16.8.97: Die Eidgenössisch-Demokratische Union EDU empfiehlt an ihrer Delegiertenversammlung einstim­mig die Annahme der Initiative „Jugend ohne Drogen“. Die Initiative sei dringend notwendig, um Süchtigen echt zu helfen. Der suchtverlängernden und verharmlosenden, auf die Freigabe des Konsums hinauslaufende Dro­genpolitik des Bundes sei Einhalt zu gebieten.

19.8.97: Die Regionalkonferenz der Regierungen der Nordwestschweiz (AG, BE, BL, BS und SO) lehnt die Initiative „Jugend ohne Drogen“ ab: Deren Annahme würde die drogenpolitische Aufbauarbeit der letzten Jahre zunichte machen und die Kantone vor unlösbare Probleme stellen. Der Initiativtext sei unklar und auf eine weltfremde Extremlösung ausgerichtet. Das Verbot aller nicht direkt auf Abstinenz angelegten Maßnah­men würde in der Region die sozialmedizinische Betreuung von über 2'000 Personen beenden. Verelendung, Krankheiten und Kriminalität würden in Stadt und Land deutlich zunehmen, die Kosten würden sich minde­stens verdoppeln (Krankenpflege und Repression), die Früherfassung erschwert.

21.8.97: Die Schweizer Bischofskonferenz lehnt die Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“ ab: diese richte sich „direkt gegen die drogenabhängigen Menschen“. Die christliche Ethik wolle Menschen am Rand in die Gemeinschaft zurückführen und nicht noch weiter ausgrenzen.

23.8.97: Die Delegiertenversammlung der Christlichdemokratischen Volkspartei CVP beschließt mit 232 zu 28 Stimmen die Ablehnung der Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“. Die darin vorgeschlagene restriktive Dro­genpolitik „lasse die Preise für die Suchtmittel in die Höhe schnellen und gefährde den Gesundheits­zu­stand der Drogensüchtigen“. Die Spritzenabgabe habe zu einer drastischen Verringerung der Neuanstec­kun­gen von Drogensüchtigen mit HIV/AIDS geführt.

23.8.97: Die Delegiertenversammlung der Schweizerischen Volkspartei SVP beschließt mit 152 zu 41 Stim­men die JA-Parole zur Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“. Eine „strikt abstinenzorientierte Lösung des Dro­genproblems durchzusetzen“ sei die Antwort auf die verfehlte, verharmlosende Politik der vergangenen Jahre. Das künstliche Paradies der Drogen sei keine Ausweg aus der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und morali­schen Krise, in der vor allem auch unsere Jugend stecke. Damit ist die SVP die einzige Bundesratspartei, welche die Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“ befürwortet. Allerdings teilen die kantonalen SVP-Sektionen Bern, Graubünden und Thurgau diese Meinung nicht und empfehlen die Nein-Parole.

26.8.97: Der Vorstand der Schweizerischen Sanitätsdirektorenkonferenz SDK stellt sich in einer öffentlichen Verlautbarung mit Nachdruck hinter die nationale 4-Säulen-Drogenpolitik des Bundes. Mit unrealistischen Vor­stellungen und schön tönenden Schlagworten werde eine einseitige Abstinenzpolitik propagiert. Würde sol­chen Forderungen entsprochen, hätte dies schwerwiegende Auswirkungen auf die Programme der Scha­dens­verminderung und der Überlebenshilfe sowie der Therapie. Die bisher erzielten Fortschritte in der Betreu­ung von Drogenabhängigen würden zunichte gemacht.

29.8.97: Das überparteiliche Komitee für eine Jugend ohne Drogen informiert im Hotel Bellevue in Bern erneut die Medien über seine Absichten. Das Interesse ist sehr gering, die Medienvertreter lassen sich an einer Hand abzählen (NZZ 30.8.97). Erneut werden die Methadonbehandlung und die Spritzenabgabe relati­viert. Eine Ruhigstellung der Abhängigen mit staatlichem Heroin komme nicht in Frage.

30.8.97: Die Delegierten der Liberalen Partei der Schweiz LPS empfehlen mit 48 zu 35 Stimmen bei 4 Enthal­tungen die Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“ zur Annahme. Wenige Stunden nach der Parolenfassung der Mutterpartei lehnen die Jungliberalen die Initiative ab: Repression sei ein untaugliches Mittel im Kampf gegen Drogen.

30.8.97: Die 70 Delegierten der Grünen Partei der Schweiz GPS empfehlen einstimmig die Nein-Parole zur Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“.

3.9.97: Der schweizerische Vorstand des Landesrings der Unabhängigen LdU empfiehlt die Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“ zur Ablehnung. Diese wecke die Illusion einer drogenfreien Gesellschaft, die so nicht zu realisieren sei. Ihre Annahme hieße für die Betroffenen Rückfall in soziale Verelendung, Kriminalität und gesundheitliche Gefährdungen.

3.9.97: Der gesamte, 9-köpfige Zürcher Stadtrat spricht sich auf dem Areal des Bahnhofs Zürich-Letten mit kraftvollen Worten gegen die Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“ aus. Die Argumentation schließt sich naht­los an alle bisherigen Verlautbarungen aus Stadt und Kanton Zürich an.

4.9.97: Die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren KKJPD erteilt sowohl der Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“ als auch der später zur Abstimmung gelangenden VI „Droleg - für eine vernünftige Drogenpolitik“ eine klare Absage. Mit Verboten, Strafen und Zwangsmaßnahmen könne keine drogenfreie Gesellschaft erreicht werden.

7.9.97: Der Verband Sucht- und Drogenfachleute Deutschschweiz VSD empfiehlt die Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“ zur Ablehnung, weil diese menschenverachtend sei und bei ihrer Annahme enormes Leid ver­ursachen würde. Das Verbot der Spritzenabgabe sei zynisch, weil dieses unweigerlich zu einer massiven Zunahme der HIV-Infektionen führen würde.

7.9.97: Die Evangelische Volkspartei EVP empfiehlt die Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“ zur Ablehnung.

8.9.97: Der Nationale Drogenausschuß empfiehlt die Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“ entschieden zur Ablehnung. Die 18 VertreterInnen aus Städten, Kantonen und Bund seien sich rasch darin einig gewesen. Es gehe nicht an, ausschließlich auf den abstinenzorientierten Weg zu setzen. Der NDA stelle sich voll und ganz hinter das bundesrätliche 4-Säulen-Modell einer nationalen Drogenpolitik. Eine Annahme der Initiative würde die Schweiz in drogenpolitischer Hinsicht um Jahre zurückwerfen. Das Netz der Schadenminderungs­maß­nahmen würde mit einem Schlag zunichte gemacht. Die Polizeivertreter betonten, daß eine Annahme der Initiative enorme Polizeikräfte von ihrer drogenspezifischen Priorität, der Bekämpfung des illegalen Drogen­handels, abziehen würde, um das Entstehen neuer offener Szenen zu verhindern. Auch aus polizeilicher Sicht sei die ultimative Forderung nach ausschließlich und direkt auf Abstinenz gerichteten Maßnahmen illuso­risch.

18.9.97: An ihrer Jahresversammlung beschließt die Konferenz der Kantonalen Fürsorgedirektoren FDK, die 4-Säulen-Drogenpolitik des Bundes zu unterstützen. Sie lehnt die Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“ ab.

22.9.97: Die politischen Parteien haben somit - nunmehr zusammengefaßt - folgende Parolen zur Abstim­mung über die Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“ beschlossen:

·        Nein-Parole: FDP, CVP, SP, Grüne, LdU, EVP, Partei der Arbeit, CSP.
·        Ja-Parole: SVP, Liberale Partei (LPS), Freiheitspartei, Schweizer Demokraten, EDU, KVP.
·        Stimmfreigabe: Lega dei Ticinesi. Davon abweichende Kantonal- und Jungparteien:
·        Nein-Parole: SVP Bern, Graubünden, Thurgau; LPS Basel-Stadt, Genf, Neuenburg; Jungliberale.
·        Ja-Parole: FDP Freiburg, Waadt, Wallis, Jura; CVP Wallis. Nationale Verbände und Organisationen haben folgende Abstimmungsempfehlungen abgegeben:
·        Nein-Parole: Angestelltenverbände, Gewerkschaftsbund (SGB), Christlichnationaler Gewerkschaftsbund (CNG), Eidg. Komm. für Drogenfragen (EDKF), Nationaler Drogenausschuß (NDA), Evangelischer Kir­chenbund, Bischofskonferenz, Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK), Justiz- und Polizeidirektoren-Konfe­renz (KKJPD), Verbindung der Schweizer Ärzte (FMH), Apothekerverband, Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA), Jugendver­bände, Städteverband, Vereinigung Eltern drogenabhängiger Jugendli­cher.              
·        Ja-Parole: Redressement national, Gewerbeverband, Vereinigung Eltern gegen Drogen

28.9.97: Die Abstimmung zur Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“ ergibt bei einer Stimmbeteiligung von 40,1% insgesamt 545‘944 Ja- und 1'313'493 Nein-Stimmen. Damit haben 70,6 % der Stimmenden dieser Initiative, die in keinem einzigen Kanton eine Mehrheit erzielte, eine unerwartet deutliche Abfuhr erteilt. Gleichzeitig wurde der nationalen 4-Säulen-Drogenpolitik unmißverständlich das Vertrauen ausgesprochen. Die Abstimmungsergebnisse zeigen außerdem, daß der vielzitierte drogenpolitische Graben zwischen West- und Deutschschweiz nicht existiert. Die regionale Polarisierung war ebenfalls gering. So hat der Romandie-Kanton Genf die Initiative gar mit dem gesamt­schweizerischen Spitzenwert von 82,0 % abgelehnt. Auch ein Stadt-Land-Gefälle ist nicht auszumachen: im städtischen Raum stimmten 27,5% zu, auf dem Land 33,5%.

Die VOX-Analyse des Abstimmungsergebnisses durch das Forschungsinstitut der Schweizerischen Gesell­schaft für praktische Sozialforschung (GfS) ergab folgendes: Die Initiative brachte keine Polarisierung, weder zwischen den Landesregionen noch zwischen Stadt und Land. Hinter der massiven Verwerfung der Initiative zeichnen sich trotzdem zwei größere Konflikte ab. Der erste ist politischer Art. Die Opposition war bei denje­nigen, die sich selber links einordnen, sehr ausgeprägt, stimmte da doch nur eine von zehn Personen mit Ja, während es bei denjenigen, die sich rechts einordnen, eine von zwei war. Diejenigen im Zentrum neigten eher zum oppositionellen Lager, dort stimmte eine von vier Personen ja. Was die Regierungsparteien angeht, so ist festzustellen, daß die der SP Nahestehenden die Initiative praktisch einstimmig ablehnten (3 Prozent Zustim­mung), während die Anhängerschaft der SVP sie als einzige annahm, allerdings mit einer knappen Mehrheit (53 Prozent). Außer dieser sehr starken politischen Komponente zeigte sich anläßlich der Abstim­mung ein latenter Generationenkonflikt. Bei den 18- bis 29‑Jährigen stimmte weniger als eine Person von zehn für die Initiative, während es bei den über 60‑Jährigen eine von zwei waren. Die Initiative mobilisierte auch diejeni­gen, die oft in die Kirche gehen, während diejenigen, welche die Kirche niemals besuchen, sie klar ablehnten. Die AnhängerInnen der konfessionell ausgerichteten Parteien, welche ein Nein empfahlen, stimm­ten in der Mehrzahl ebenfalls für die Initiative (42 Prozent Ja).

Die Analyse der Beweggründe erlaubt es, davon auszugehen, daß die BefürworterInnen der Initiative sich vor allem gegen die Abgabe von Betäubungsmitteln stellten, ohne jedoch einer größeren Repression das Wort zu sprechen. Diejenigen, die die Initiative ablehnten, sprachen vor allem auf die Argumente an, welche die Initia­tive als zu restriktiv, den Drogenproblemen schlecht angepaßt und kontraproduktiv darstellten, sie sprachen sich aber auch mit einer knappen Mehrheit für eine schrittweise Drogenliberalisierung aus. Insgesamt haben die GegnerInnen einer Liberalisierung aber noch einen Vorsprung von zehn Punkten auf letzteren. Es zeigte sich, daß die gegenwärtige Drogenpolitik des Bundesrates als einzige allgemein Anklang findet, da offenbar heute weder die Liberalisierung noch die Repression beim Volk mehrheitlich auf Zustimmung stoßen würden.

11.10.97: In den Schlußabstimmungen haben die eidgenössischen Räte am letzten Sessionstag das im Früh­jahr 1998 in Kraft tretende Geldwäschereigesetz verabschiedet. Es wurde im Nationalrat mit 187:0 und im Ständerat mit 41:0 angenommen. Das Gesetz enthält in Ergänzung zum Strafrecht einheitliche Standards für die Sorgfalts­pflichten sämtlicher Akteure im Finanzsektor und stellt die entsprechenden Kontrollen sicher. In Zukunft werden die Finanzintermediäre[2] verpflichtet sein, geldwäschereiverdäch­tige Vorgänge der Meldestelle Geldwäscherei zu melden. Diese Stelle sam­melt und analysiert die Daten und sichert Beweismittel. Besteht ein begründeter Ver­dacht auf Geldwäscherei, leitet sie die Informationen unverzüglich an die kantonalen Strafverfolgungsbehörden weiter. Die kantonalen Behörden entscheiden dann, wel­che weiteren Maßnahmen zu ergreifen sind und ob die Vermögenssperre aufrecht erhalten werden muß.

15.12.97: Die vier Bundesratsparteien wollen in der Drogenpolitik zusammenarbeiten und die Revision des Betäubungsmittelgesetzes gemeinsam angehen. Als ersten Schritt empfiehlt die Arbeitsgruppe dem Bundes­rat, die Verordnung über die wissenschaftliche Begleitforschung zum Verschreibungsversuch so anzupassen, daß wieder max. 800 Patienten aufgenommen werden könnten. Die Arbeitsgruppe erwartet vom Bundesrat weiter, das Vernehmlassungsverfahren zum dringlichen befristeten Bundesbeschluß zur ärztlichen Ver­schrei­bung von Heroin rasch zu eröffnen.

19.12.97: Im Nachgang zur Zustimmung des Souveräns zur offiziellen Drogenpolitik hat der Bundesrat die Fortsetzung der Heroinabgabe an Schwerstabhängige im Rahmen von Forschungsprogrammen beschlossen. Durch eine vorgezogene Teilrevision des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG) soll ferner die gesetzliche Grundlage geschaffen werden für die heroingestützte Behandlung als neue reguläre Therapieform. Für die umfassendere Reform des BetmG gibt sich der Bundesrat Zeit bis Ende 2004.

19./20.3.98: Der Verband Schweizerischer Polizeibeamter VSPB empfiehlt die Volksinitiative "Droleg - für eine vernünf­tige Drogenpolitik" zur Ableh­nung (Publikation in "POLICE" 5/98). Diese Initiative liege eindeutig auf der dro­genpolitischen Linie jener Kreise, welche mit einem Schlag die totale Abkehr von der Prohibition bezweckten. Diese Sichtweise sei un­zulässig und verkenne auf alarmierender Weise die nicht abschätzbaren Auswirkun­gen auf die Volksgesund­heit.

22.6.98: Für die eidgenössische Volksabstimmung vom 29. November 1998 hat er Bundesrat drei Vorlagen bestimmt. Volk und Stände entscheiden an diesem Tag über den Bundesbeschluß betreffend Bau und Finan­zierung der Neat und anderer Eisenbahn-Großvorhaben. Traktandiert sind außerdem die Volksinitiativen «für eine vernünftige Drogenpolitik» (Droleg) und der befristete neue Getreideartikel.

24.6.98: Der Ständerat hat ohne Gegenstimme den Bundesbeschluß über die ärztliche Verschreibung von Heroin gutgeheißen und damit die Voraussetzungen für die logische Weiterführung der vom Volk in der Abstimmung über die «Jugend ohne Drogen» bekräftigten Drogenpolitik des Bundesrates geschaffen. Mit dieser punktuellen Revision des Betäubungsmittelgesetzes, die der Nationalrat noch zu bestätigen hat, wird die Heroinabgabe durch spezialisierte Institutionen an Schwerstabhängige zur anerkannten Therapieform.

Die kleine Kammer konkretisierte die Therapievoraussetzungen über den Vorschlag des Bundesrates hinaus. Demnach darf Heroin nur an Personen verschrieben und abgegeben werden, die mindestens 18 Jahre alt und seit mindestens zwei Jahren heroinabhängig sind, die schon zwei andere Behandlungsversuche abgebrochen haben oder deren Gesundheitszustand andere Behandlungsformen gar nicht zuläßt und die Defizite im medi­zinischen, psychologischen und/oder sozialen Bereich aufweisen, die auf den Drogenkonsum zurückzuführen sind.

11.09.98: Mit 18 zu 1 Stimmen bei 3 Enthaltungen beantragt die Nationalratskommis­sion für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK), dem Bundesbeschluß ohne Differenz zum Ständerat zuzustimmen. Damit wurde der Bundesbeschluß in der Fassung des Ständerates verabschiedet. Dieser hatte die Zulassungskriterien für die Heroinversuche gegenüber dem Bundesrat verschärft. Noch nicht beraten hat die Nationalratskommission über die Dringlichkeit. Der Bundesbeschluß über die ärztliche Verschreibung von Heroin soll die bis­herige Verordnung ablösen und es dem Bundesrat erlauben, die Zahl der behandelten Patientinnen und Patienten von rund 1000 auf 2000 bis 3000 zu erhöhen. Er wird bis zum Inkrafttreten des revidierten Betäubungsmittel­gesetzes gelten, längstens aber bis Ende 2004. Als erster muß der Ständerat entscheiden, ob der Beschluß dringlich erklärt werden soll und damit ohne Abwarten der Referen­dumsfrist in Kraft treten kann. Die Kommis­sion hörte sich außerdem Vertreter der Kantone Basel-Landschaft und Zürich zu den Standesinitiativen an, die eine Entkriminalisierung des Hanfkonsums verlangen. Bei der SGK liegt auch eine Einzelinitiative von Ruth-Gaby Vermot (SP/BE) mit der gleichen Stossrich­tung. Die Kommission setzte eine Arbeitsgruppe ein, die ihr Vorschläge zum weiteren Vorgehen unterbreiten soll.

12.9.98: Der Parteivorstand der sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SP) hat für die Abstimmung vom 29. November über die Volksinitiative «Für eine vernünftige Drogenpolitik» («Droleg») mit 39 zu 16 Stimmen Stimmfreigabe beschlossen. Nach kontradiktorischen Referaten hatte er sich in einer Eventualabstimmung zunächst mit 30 zu 21 Stimmen zugunsten der Ja-Parole ausgesprochen. Nur mit der Freigabe der Drogen und einem staatlichen Monopol über den Handel könne der Schwarzmarkt zerschlagen werden, lautete das Hauptargument der Befürworter. An einen Erfolg der Initiative glaubten sie allerdings nicht. Das Volksbegeh­ren brauche aber ein gutes Resultat, damit sich in der Drogenpolitik noch etwas bewege und die Revision des Betäubungsmittelgesetzes echte Fortschritte bringe. Die Gegner setzten demgegenüber auf die offizielle Vier-Säulen-Politik (Prävention, Therapie, Überlebenshilfe, Repression). Bundesrätin Dreifuss warnte insbesondere vor einer Isolation der Schweiz.

15.9.98: Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) lehnt die Droleg-Initiative «für eine vernünftige Drogenpolitik» ab. Das Volksbegehren stellt nach Ansicht des SEK einseitig die Selbstbestimmung in den Vordergrund. Zudem werde Prävention kleingeschrieben. Die gesellschaftlichen Aspekte der Abhängigkeit dürften nicht vernachlässigt werden. Die christliche Ethik betone auch die Verantwortung des Staates, der Gesellschaft und der Kirchen für die Menschen.

1.10.98: Der Nationalrat hat nach der Ablehnung von Nichteintretens- und Rückweisungsanträgen den Bun­desbeschluß über die ärztlich kontrollierte Heroinabgabe an Schwerstabhängige mit 106 zu 25 Stimmen gut­geheißen. Damit kann diese Therapie bis zur Revision des BetmG (voraussichtlich Ende 2004) in eng defi­nierten Grenzen von dafür geeigneten Polykliniken angewandt werden. Der Bundesrat ist gegen eine Heroin­abgabe an schwerkranke Drogenabhängige durch den Hausarzt. Wie Bundesrätin Ruth Dreifuss auf eine ent­sprechende Frage von Nationalrätin Christine Goll (SP Zürich) festhält, stellt die kontrollierte Heroin­abgabe nur ein Element der Suchtbehandlung dar, das zudem von Experten in einer spezialisierten Institution erfolgen müsse. Gerade der interdisziplinäre Charakter dieser Maßnahme unterscheide sich deutlich von den Mög­lichkeiten des Hausarztes.

3.10.98: Die Jungfreisinnigen Schweiz haben mit deutlichem Mehr die Ja-Parole zur Droleg-Initiative beschlossen. Die Zeiten der Prohibition seien vorbei, es brauche neue Instrumente. Die konsequente Legali­sierung der Drogen zur Zerstörung des Schwarzmarktes sei der richtige Weg.

7.10.98: Der Ständerat lehnt die Dringlichkeit des Bundesbeschlusses über die ärztlich kontrollierte Heroinab­gabe mit 20 zu 20 Stimmen ab - nötig war das absolute Mehr von 24 Stimmen. Am Nachmittag genehmigt der Nationalrat die Dringlichkeit mit 130 zu 51 Stimmen. Dieses klare Resultat bewog die ständerätliche Kommis­sion für soziale Sicherheit und Gesundheit mit 8 zu 3 Stimmen, am 8.10. den Ständerat um Genehmigung der Dringlichkeit zu bitten. Mit Erfolg: Der Ständerat befürwortet gleichentags die Dringlichkeit mit 30 zu 4 Stim­men. Hätte die kleine Kammer auf ihrem Entscheid vom Vortag beharrt, wäre die Referendumsklausel in Kraft getreten und die 100tägige Referendumsfrist sowie eine allfällige Volksabstimmung über den von beiden Räten verab­schiedeten Bundesbeschluß abzuwarten gewesen. Nach dem Einschwenken auf die Linie des Nationalrates tritt der Bundesbeschluß am 10.10.98 in Kraft.

8.10.98: Das Blaue Kreuz der deutschen Schweiz lehnt die Droleg-Initiative ab. Bei einer Annahme des Begehrens würde der Mißbrauch der heute illegalen Drogen noch verschärft. Außerdem werde das Alkohol- und Tabakproblem nicht berücksichtigt.

8.10.98: Die Jungsozialisten haben an einer Vollversammlung einstimmig die Ja-Parole zur Droleg gefaßt. Man sei über die vom SP-Vorstand gefaßte Stimmfreigabe enttäuscht und wolle versuchen, innerhalb der SP die Diskussion über die Initiative nochmals anzuregen.

17.10.98: Die Delegiertenversammlung der Schweizerischen Volkspartei (SVP) hat ohne eigentliche Diskus­sion und ohne Gegenstimme die «Droleg»-Initiative verworfen. Parteipräsident Ueli Maurer las nicht nur den Sozialdemokraten, sondern auch den andern bürgerlichen Parteien die Leviten, weil sie die SVP ordnungspo­litisch zunehmend allein ließen.

17.10.98: Die Junge CVP Schweiz empfiehlt die Initiative «Droleg» zur Ablehnung. Die Initiative fordere eine einseitige Drogenpolitik und hätte unabsehbare Folgen auf den Konsum von Drogen. Die Junge CVP ist über­zeugt, daß sich der illegale Markt auf Jugendliche unter 18 Jahren konzentrieren würde, da diese vom Bezug legaler Drogen ausgeschlossen wären.

24.10.98: Am Parteitag der FDP Schweiz wird die Droleg-Initiative klar abgelehnt. Der FDP-Delegiertenrat hatte mit 24 zu 3 Stimmen ihre Ablehnung empfohlen. Der Gesamtparteitag der SP Schweiz stimmt gleichen­tags der Initiative mit 160:128 Stimmen zu. Der SPS-Parteivorstand hatte Stimmfreigabe beschlossen.

30.10.98: Die Eidgenössische Kommission für Drogenfragen EKDF wendet sich gegen die Volksinitiative Dro­Leg. Veränderungen in der Drogenpolitik könnten nicht in dem von der Initiative angestrebten Tempo voll­zo­gen werden. Zudem würde die Arzneimittelverordnung bei einer Annahme der Initiative unglaubwürdig. Es wäre unverständlich, wenn für den Kauf von Medikamenten mit einem kleinen Gefährdungspotential ärztliche Rezepte notwendig wären, während mit einer Bezugskarte sämtliche Betäubungsmittel gekauft werden könn­ten. Längerfristig empfiehlt die EKDF ein Legalisierungsmodell mit differenzierter Zugänglichkeit für alle Suchtmittel. Eine Herauslösung einzelner Elemente aus diesem Modell, wie es die Initianten anstrebten, sei dagegen problematisch.

31.10.98: Die Delegiertenversammlung der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) hat die «Droleg»-Initiative mit allen gegen 6 Stimmen bei 9 Enthaltungen abgelehnt. Nach Worten von Bundesrat Koller wäre ein Ja zu «Droleg» ein drogenpolitisches Abenteuer, die Legalisierung des Konsums auch harter Drogen gesellschaftspolitisch ein bedenkliches Signal und die internationale Isolation der Schweiz eine Katastrophe. Nicht einmal die Vier-Säulen-Politik, die Erfolge verbucht, sei in Europa schon allgemein anerkannt.

31.10.98: Die Freiheits-Partei (FPS) hat an ihrer Delegiertenversammlung einstimmig die Nein-Parole zur «Droleg»-Initiative beschlossen.
31.10.98: Die Delegiertenversammlung der Schweizer Demokraten (SD) beschließt mit 92 zu 0 Stimmen, die Initiative «für eine vernünftige Drogenpolitik - Droleg» zur Ablehnung zu empfehlen; ein Ja hätte aus Sicht der SD verheerende Folgen.

31.10.98: Die Delegiertenversammlung der Grünen Partei der Schweiz (GPS) will «Kontrollierte Legalisierung statt Repression und Drogenmafia». Um dem illegalen Markt den Boden zu entziehen, brauche es eine kon­trollierte Legalisierung des Handels. Zunächst strebe die GPS eine Entkriminalisierung des Konsums von Betäubungsmitteln und eine Erweiterung der Drogenabgabe an, begleitet von verstärkter Prävention. Danach solle ein kontrollierter und legalisierter Handel geschaffen werden nach den Regelungen, wie sie die «Droleg»-Initiative vorsieht. Die Delegierten verabschiedeten mit 68 zu 2 Stimmen ein entsprechendes Positionspapier und faßten mit nur einer Gegenstimme die Ja-Parole zur «Droleg»-Initiative.

31.10.98: Am außerordentlichen Parteitag des Landesrings der Unabhängigen (LdU) wurde die Nein-Parole zur «Droleg»-Initiative beschlossen. Der Junge LdU plädierte für ein Ja und wurde darin von einzelnen Par­teimitgliedern unterstützt. Schließlich obsiegte aber die Überzeugung, daß man mit der heutigen 4-Säulen-Politik auf dem richtigen Weg sei. Mit 28 gegen 20 Stimmen sagt der LdU Nein zur «Droleg»-Initiative. Eine Stimmfreigabe wurde mit 29 zu 23 Stimmen abgelehnt.

31.10.98: Der Verband Schweizerischer Polizeibeamter (VSPB) lehnt die «Droleg»- Initiative ab. Grosse Teile der Schweiz könnten zu einem «Needle Park» verkommen, fürchten die Beamten. Eine Annahme der Initiative hätte nicht absehbare Auswirkungen auf die Gesellschaft. Den Bundesrat fordert der Verband auf, für eine einheitliche Durchsetzung des Betäubungsmittelgesetzes in den Kantonen zu sorgen.

9.11.98: Die Präsidentenkonferenz der Verbindung der Schweizer Ärzte FMH sagt mit großem Mehr Nein zur Initiative «für eine vernünftige Drogenpolitik» («Droleg»). Eine derart weitgehende Lockerung, wie sie die Initiative fordert, würde nach Ansicht der FMH zu nicht mehr überblickbaren Verhältnissen führen.

9.11.98: Der Vorstand des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB) hat mit zwölf gegen neun Stimmen die Stimmfreigabe zur «Droleg»-Initiative beschlossen.

19.11.98: Die Konferenz der Kantonalen Beauftragten für Suchtfragen (KKBS) lehnt die Droleg-Initiative ab. Sie unterstützt hingegen die Drogenpolitik des Bundes mit den vier Säulen Prävention, Überlebenshilfe, The­rapie und Repression. Einfache, widerspruchsfreie und einseitige Lösungen könne es nicht geben. Der soge­nannte dritte Weg sei auch von Volk und Ständen durch die Ablehnung der Initiative "Jugend ohne Drogen" eindeutig gutgeheißen worden.

29.11.98: Bei einer Stimmbeteiligung von 37,7% lehnen die Stimmberechtigten die DroLeg-Initiative mit 454 542 Ja- und 1 288 776 Nein-Stimmen (26,1 zu 73,9%) ab. Mit diesem wuchtigen Nein wird die derzeitige Drogenpolitik von Bund, Kantonen und Städten einmal mehr klar unterstützt. Nach der bereits vor einem Jahr erfolgten Ablehnung der Initiative «Jugend ohne Drogen» hat sich erneut gezeigt, daß in der Schweiz nicht extreme Positionen gefragt sind, sondern eine Politik, die sich am Konsens und am Machbaren orientiert. Als nächster Schritt in der Drogenpolitik steht die Revision des Betäubungsmittelgesetzes bevor. Eine entspre­chende Vorlage wird nächstes Jahr in die Vernehmlassung geschickt.

Die VOX-Analyse des Abstimmungsergebnisses durch das Forschungsinstitut der Schweizerischen Gesell­schaft für praktische Sozialforschung (GfS) ergab folgendes: Die "Droleg"-Abstimmung hat insgesamt eine große soziale und politische Homogenität hinsichtlich der Ablehnung einer Liberalisierung von Drogen gezeigt, gleichzeitig wurde jedoch ein beachtliches Meinungsspektrum deutlich. Wie bei anderen drogenpoliti­schen Vorlagen zeigte sich ein Generationskonflikt; der Gegensatz zwischen dem Abstimmungsergebnis der jüng­sten und der ältesten Teilnehmer ist konsequent (29 Punkte). Die Atheisten, die deutschsprachigen Schwei­zer/innen und die Bewohner/innen der Großstädte waren sensibler für das Thema der Liberalisierung von Rauschmitteln als andere.

Dennoch hat die Vorlage nicht wie 1997 bei der Abstimmung über "Jugend ohne Drogen" zu einer starken Polarisierung der politischen Szene gesorgt. Die Position der Befragten auch der Achse links-rechts hatte nur schwachen Einfluß auf das Abstimmungsverhalten. Die Trennungslinie zwischen ‚Ja' und ‚Nein' spaltete die Linke von der extremen Linken, und die Mitglieder der Sozialdemokrati­schen Partei zogen es eher vor, Bun­desrätin Ruth Dreifuss zu folgen, denn auf das Parole der Parteileitung zu hören. Die resoluteste Gegner­schaft der Initiative fand sich in den Reihen derer, die bereits eine starke Armee begrüßen - die Befürwor­ter der öffentlichen Ordnung und die Anhänger eines starken Staates.

Die Anhänger der Initiative befürworteten diese vor allem aus prinzipiellen Überlegungen. Ihre Wahl begrün­dete sich auf eine normative Überzeugung. Die Gegner der Liberalisierung von Drogen ergingen sich in prag­matischen Reflexionen. Man fürchtete die verhängnisvollen Auswirkungen einer solchen Politik auf die Gesell­schaft. Die Argumente des Bundesrates konnten jedoch überzeugen. Sie wurden als glaubwürdig ein­gestuft und hatten einen entscheidenden Einfluß auf den Ausgang der Abstimmung. Die Argumente der Initi­anten, ohne von den Gegnern vollständig abgelehnt zu werden, blieben wirkungslos. Die wichtigste Erkenntnis aus der Untersuchung der Reaktionen auf die unterschiedlichen Argumente beider Seiten ist die beschränkte Unzufriedenheit mit der offiziellen Politik, vor allem was nur die Stärkung der Prävention in der "4-Säulen-Poli­tik" betrifft.

7.1.99: Die Zahl der Drogentoten ist 1998 in der Schweiz auf den niedrigsten Stand seit zehn Jahren gesun­ken. Gemäß einer Umfrage bei allen Kantonen waren noch 209 registrierte Drogenopfer zu beklagen – 31 weniger als im Vorjahr. Ab Mitte der achtziger Jahre hatte die Zahl der Drogentoten in der Schweiz kontinuier­lich zugenommen und 1992 den Rekordwert von 419 erreicht. Als Hauptgrund für die Abnahme wird von Suchtfachleuten die ärztlich kontrollierte Verschreibung von Heroin genannt.

17.2.99: Gemäß Mitteilung der Bundeskanzlei ist das Referendum zum dringlichen Befristeten Bundesbe­schluß (dBB) zur heroingestützten Therapie zustande gekommen (Volksabstimmung am 13.6.1999).

4.3.99: Die Grüne Fraktion verlangt im Nationalrat auf dem Motionsweg die Streichung von Cannabisproduk­ten aus der Liste der verbotenen Betäubungsmittel. Das Konsumverbot sei zu einer unbeschreiblichen Heu­chelei verkommen. Mit 65 zu 50 Stimmen wird die Motion verworfen.

10.4.99: An der Parteivorstandssitzung der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz SPS in Bern wird der Bundesbeschluß über die ärztliche Heroinverschreibung diskussionslos und ohne Gegenstimme gutgeheißen. Damit hat die SPS die JA-Parole für die Volksabstimmung vom 13.6.99 über das Referendum gegen die ärzt­liche Heroinverschreibung beschlossen.

23.4.99: Der Delegiertenrat der FDP Schweiz beschließt mit 28 zu 3 Stimmen die JA-Parole für die Volksab­stimmung vom 13.6.99 über das Referendum gegen die ärztliche Heroinverschreibung. Gleichentags teilt der Informationsdienst der SVP Schweiz mit, daß die SVP gegen die ärztliche Heroinverschreibung sei und des­wegen voraussichtlich für den 13.6. die Nein-Parole empfehlen werde.

24.4.99: Die Delegiertenversammlung der Evangelischen Volkspartei EVP beschließt mit 40 zu 30 Stimmen die JA-Parole für die Volksabstimmung vom 13.6.99 über das Referendum gegen die ärztliche Heroin­ver­schreibung.

30.4.99: Die Nationalratskommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) gibt drei ausformulierte Varianten zur Entkriminalisierung des Drogenkonsums in die Vernehmlassung. Die Hauptvariante ermöglicht den straflosen Konsum aller Drogen. Die beiden anderen Modelle beschränken die strafrechtlichen Erleichte­rungen auf Konsum von Cannabisprodukten. Die Kommission möchte ihre Vorschläge mit der vom Bundesrat geplanten Totalrevision des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG) koordinieren. Andernfalls will sie selber gesetzgeberisch aktiv werden.

2.5.99: Die SVP Zürich beschließt an der Delegiertenversammlung die Nein-Parole zur Heroinverschreibung.

7.5.99: Das überparteiliche «Komitee für eine ehrliche Drogenpolitik» aus eidgenössischen Parla­men­tarier/innen warnt vor einem Nein zur ärztlichen Heroinverschreibung. Das Annehmen der Refe­ren­dumsvorlage käme ihrer Meinung nach einem drogenpolitischen Rückschritt gleich, der die bewährte Vier-Säulen-Politik gefährden, die Beschaffungskriminalität erhöhen und offene Drogensze­nen fördern würde.

8.5.99: Die Christlich-demokratische Volkspartei (CVP) beschließt an ihrer Delegiertenversammlung diskussi­onslos mit 138:2 Stimmen die Ablehnung der Refe­ren­dumsvorlage, respektive die Ja-Parole zum Bundes­beschluß über die ärztliche Heroinverschreibung. Die Delegiertenversammlung der Grünen Partei der Schweiz (GPS) beschließt diskussionslos und ohne Gegenstimme ebenfalls die Ja-Parole zum Bundes­beschluß über die ärztliche Heroinverschreibung. Die Delegierten der Liberalen Partei der Schweiz hingegen lehnten mit 53:3 Stimmen den Bundesbeschluß über die ärztliche Heroinverschreibung ab.

21.5.99: Die Konferenz der kantonalen Sanitätsdirektoren (SDK) empfiehlt für die Abstimmung am 13. Juni zur ärztlich verordneten Heroinabgabe die Ja-Parole. Die bisherigen Erfahrungen in diesem Bereich seien positiv zu bewerten und bildeten einen wichtigen Bestandteil des bewährten Vier-Säulen-Modells. Laut SDK wäre es unverantwortlich, mit einem Nein die betroffenen Drogenabhängigen aus den laufenden Programmen herauszureißen.

21.5.99: Die Eidgenössische Kommission für Aids-Fragen (EKAF) hält am kommenden 13. Juni ein Ja zur Heroinverschreibung für ethisch und medizinisch notwendig. Schwerstabhängige profitierten gesundheitlich und sozial von den Versuchen. Von öffentlichem Interesse ist laut EKAF der Umstand, daß die Gruppe der Schwerstabhängigen und damit auch die öffentliche Gesundheit im Bereich der HIV- und Aids-Prävention von einem positiven Effekt der Heroinverschreibung profitiert.

3.6.99: Der Schweizerische Städteverband vertritt die Auffassung, die heroingestützte Behandlung habe in verschiedenen Städten eine Verringerung der Drogenkriminalität gebracht. Dank der Vier-Säulen-Politik habe sich die Drogensituation in den Städten verbessert. Bei einer Ablehnung der Vorlage über die Heroin­ver­schreibung würden nach Auffassung des Städteverbands die beiden Säulen Therapie und Schadens­vermin­derung schwer getroffen und die Bekämpfung der Drogenproblematik gefährdet. Die Abstimmungsvorlage vom 13.6. nochmals in Kürze: Der Bundesbeschluß über die ärztliche Verschreibung von Heroin soll sicher­stellen, daß die seit 1994 praktizierte ärztliche Verschreibung von Heroin fortgeführt werden kann. Damit soll jenen Schwerstabhängigen, denen die Kraft fehlt, von der Gasse direkt in eine abstinenzorientierte Therapie überzutreten, eine Brücke gebaut werden. Ziel auch dieser Maßnahme bleibt jedoch der Ausstieg aus der Drogensucht. Die drogenpolitische Marschroute des Bundesrates ist bereits zweimal indirekt gutgeheißen worden (klare Ablehnung der Volksinitiativen «Jugend ohne Drogen» und «Droleg»). Es besteht kein Grund, die Heroinabgabe aus dem bundesrätlichen Konzept herauszubrechen und damit den Weg der sozialmedizi­nischen Vernunft zu verlassen.

Die offiziellen Parolen zur Volksabstimmung vom 13. Juni zur Heroinverschreibung lauteten wie folgt:



Politische Parteien:                                                     
Ja:          FDP, CVP, SP, Grüne, EVP, LdU, PdA, CSP
Nein:     SVP, LPS, FPS, SD, EDU

Abweichende Kantonalparteien und Jungparteien:
Ja: SVP Glarus, Graubünden, Jura.
Nein: FDP Neuenburg, Waadt.

Verbände und Organisationen:
Gewerbeverband                            -            
Vorort                                            -
Arbeitgeberverband                       -
Angestelltenverband                      -
Gewerkschaftsbund                       Ja
CNG                                               Ja
Bauernverband                              Ja


Bischofskonferenz                          -
Evangelischer Kirchenbund           Ja
Flüchtlingshilfe                               -
Paraplegikervereinigung                  -
Schweiz. Invaliden-Verband           -
Pro Mente Sana                               -
Jugendverbände                             Ja
Pro Familia                                     -
Kinderschutzbund                           -
Evangelischer Frauenbund              -                           
Katholischer Frauenbund              Ja
Landfrauenbund                             -
Verband Suchtfachleute                Ja                            
Verb. Christl. Drogenfachleute    Nein
Nationaler Drogenausschuß          Ja


13.6.99: Die Zustimmung zum befristeten Bundesbeschluß über die ärztliche Verschreibung von Heroin ist mit 54,5 Prozent knapp ausgefallen. Ein Abstimmungskampf zur Heroinabgabe fand diesmal auf Befürworter­seite nicht statt. In den Stadtkantonen Basel-Stadt (69,3 Prozent), Genf (58,9 Prozent) und Zürich (69 Prozent) wurden besonders hohe Ja-Stimmenanteile erzielt. Neben dem Stadt-Land-Gefälle ist auch der drogenpoliti­sche Röstigraben wieder aufgebrochen. Außer Genf haben sämtliche Westschweizer Kantone die Heroin­vorlage abgelehnt; demonstrativ fiel das Nein in der Waadt, in Neuenburg und vor allem im Wallis aus. Daß alle diese Kantone vor zwei Jahren Nein zur restriktiven Initiative «Jugend ohne Drogen» sagten, ist mithin zu relativieren. Im Tessin ist mit 50,6 Prozent ein dünnes Ja zum Bundesbeschluß über die Heroinverschreibung zustande gekommen.

Der Bundesbeschluß, den die Stimmberechtigten nunmehr gutgeheißen haben, ist bis Ende 2004 befristet. In dieser Zeit gilt es, die überfällige Revision des Betäubungsmittelgesetzes unter Dach und Fach zu bringen. Es wird darum gehen, eine definitive Gesetzesgrundlage für die ärztliche Heroinverschreibung zu schaffen, die Frage des straflosen Konsums zu beantworten und den Umgang mit Cannabis zu regeln. Der jüngste drogen­politische Entscheid verhindert Reformen in diesen drei Bereichen nicht. Aber das Volk wird nicht zulassen, daß Bundesrat und Parlament übers Ziel hinaus schießen. Die Ergebnisse der Eidg. Abstim­mung vom 13.6.99 zum befristeten Bundesbeschluß über die ärztliche Heroinverschreibung nach Kantonen: 


JA
JA %
NEIN
Aargau
78 256  
52,7  
70 406  
Appenzell A.-Rh.
9 905  
50,0  
9 930  
Appenzell I.-Rh.
2 174  
45,6  
2 599  
Baselland
53 912  
65,0  
29 122  
Basel-Stadt
45 295  
69,3  
20 153  
Bern
167 528  
53,4  
146 579 
Freiburg
28 899  
45,3  
35 000  
Genf
56 874  
58,9  
39 723  
Glarus
5 167  
46,7  
5 899  
Graubünden
26 764  
57,2  
20 082  
Jura
9 600  
49,1  
9 962  
Luzern
61 988  
54,8  
51 315  
Neuenburg
16 873  
42,0  
23 335  
Nidwalden
6 906  
51,3  
6 572  
Obwalden
6 182  
52,7  
5 553  
Schaffhausen
16 402  
53,8  
14 107  
Schwyz
18 817  
48,8  
19 760  
Solothurn
47 108  
57,5  
34 894  
St. Gallen
69 757  
51,5  
65 748  
Tessin
30 820  
50,6  
30 182  
Thurgau
31 802  
49,9  
32 047  
Uri
5 708  
51,1  
5 479  
Waadt
57 513  
42,8  
76 974  
Wallis
21 900  
35,4  
40 053  
Zug
21 111  
62,8  
12 541  
Zürich
230 831 
62,8  
136 895  
Schweiz
1 128 092
54,5  
944 910 

Die VOX-Analyse des Abstimmungsergebnisses durch das Forschungsinstitut der Schweizerischen Gesell­schaft für praktische Sozialforschung (GfS) ergab folgendes: Wenn diese Abstimmung mit einem Ja-Anteil von 54.3 Prozent ein relativ knappes Ergebnis lieferte, können doch daraus nicht erhebliche gesellschaftliche Unterschiede in der Beurteilung abgeleitet werden. Leichte Differenzierungen gab es zwischen jenen, die sich mit den Vorlagen gut resp. schlecht auskannten, und zwischen den Sprachregionen, welche unterschiedliche Sensibilitäten der deutschsprachigen bzw. frankophonen Schweiz in dieser Frage reflektieren. Darüber hinaus kam es aber zu einer starken Polarisierung im Links-/Rechts-Spektrum. So haben die Linke und die Anhän­ger/innen ihrer Parteien die Vorlage weitgehend gutgeheißen, während die Rechte und dort insbesondere die Basis der SVP dagegen stimmten; ausschlaggebend war schließlich die mehrheitliche Zustimmung zur Neue­rung in der politischen Mitte, namentlich bei den Anhänger/innen der FDP und CVP. Zustimmungsanteile nach Parteibindung der Stimmenden: SPS 92%, FDP 65%, CVP 52%, ohne 51%, SVP 30%.

Meinungsbildend bei dieser Abstimmung waren pragmatische Motive, vor allem zur Wirksamkeit des Instru­mentes und den positiven Folgen der ärztlich verschriebenen Heroinabgabe für die Gesundheit. Damit waren nicht mehr prinzipielle Überzeugungen maßgeblich wie noch bei den Volksabstimmungen zur "Droleg"- oder zur "Jugend ohne Drogen"-Initiative. Dennoch gleicht das Ergebnis der Abstimmung in vielem umgekehrt jenem, das bei letzter Abstimmung beobachtet werden konnten. So verteilten sich die Stimmen der Partei­anhänger mit ähnlicher Distanz zu beiden Vorlagen. Aus der Sicht der Bundesrates ergibt sich ein teilweise geglückter Test, hatte dieser doch die klare Verwerfung der beiden oppositionellen Volksinitiativen als Unter­stützung des Dritten Weges in der Drogenpolitik verstanden, den die Bundesbehörden in den 90er Jahren gingen. Eine Relativierung ergibt sich nun insofern, als bei einer konkreten Zustimmung zum Programm der "Vier Säulen" in der Drogenpolitik die befürwortende Mehrheit nur relativ knapp ausfiel.

25.8.99: Der vom Bundesrat vorgelegte Vernehmlassungsentwurf will das Prinzip der vier Säulen Prävention, Therapie, Schadensverminderung (Überlebenshilfe) und Repression sowie die ärztliche Verschreibung von Heroin in ein rechtliches Kleid fassen. Das Hauptaugenmerk wird sich auf die Frage richten, ob der Drogen­konsum zu entkriminalisieren sei. Der Bundesrat hat selber zwei Varianten vorgelegt und diese um drei wei­tere Varianten ergänzt, welche von der nationalrätlichen Gesundheitskommission stammen. Variante 1 des Bundesrats sieht vor, den Konsum sämtlicher Betäubungsmittel und die Vorbereitungshandlungen dazu nicht mehr unter Strafe zu stellen. Gemäß Variante 2 würde lediglich der Konsum von Cannabis straffrei, während für die übrigen Betäubungsmittel das Opportunitätsprinzip nach niederländischem Muster eingeführt würde. Der Bundesrat schlägt zusätzlich in der Frage des Anbaus von Hanf sowie des Handels mit Hanfprodukten zwei Varianten vor. Im ersten Fall würde hier unter bestimmten Bedingungen ebenfalls das Opportunitätsprin­zip angewendet. Im zweiten Fall würde sich nichts an der heutigen Verbotsregelung ändern. Sämtliche Vari­anten liegen im Rahmen der internationalen Konventionen.

4.10.99: Der Nationalrat behandelt diskussionslos die drei Standesinitiativen der Kantone Solothurn, Basel‑Landschaft und Zürich, die alle eine Legalisierung des Drogenkonsums beziehungsweise der Canna­bisprodukte verlangen. Auf Grund der Empfehlung der vorberatenden Kommission beschließt das Ple­num mit 67 zu 66 Stimmen, den Initiativen Folge zu geben und lehnt damit einen schriftlich begründeten Ablehnungs­antrag von Marguerite Florio (lib., Waadt) knapp ab.

2.12.99: Die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) unterstützt in ihrer Vernehmlassung zur Revision des BetmG die 4-Säulen-Politik (Prävention, Repression, Überlebenshilfe und Thera­pie). Sie wünscht, daß der Bund eine stärkere Führungsrolle einnehme, um namentlich den «Export» von Abhängigen über Kantons­grenzen zu beenden. In der Frage der Strafbarkeit des Drogenkonsums sprechen sich die Bischöfe für die Ahndung nach dem Opportuni­tätsprinzip aus, für welches der Bundesrat im Sinn einer einheitlicheren Praxis Kriterien festzu­legen hätte. Die SBK betont die Notwendigkeit des Jugend­schutzes und befürwortet im Rahmen einer umfas­senden Politik auch ein strafrechtlich verfolgtes Verbot der Abgabe von Alkohol, Tabak und anderen Sucht­mitteln an Jugendliche unter 16 Jahren.

22.12.99: Der Schweizerische Städteverband (SSV) begrüßt die Ausdehnung des Geltungsbereiches des BetmG auf alle Suchtmittel, ebenso die Ausdehnung des Melderechts auf alle Fälle von Suchtmittelmißbrauch. Die aktive Führungsrolle des Bundes in allen vier Säulen wird sehr begrüßt. Eine knappe Mehrheit der Dro­genplattform des SSV (DSSV) befürwortet die Bundesratsvariante BR 2. Eine starke Mehrheit der DSSV unterstützt die Strafbefreiung des Konsums von Cannabisprodukten (Alterslimite 16 Jahre). Eine knappe Mehrheit der DSSV ist gegen eine generelle Strafbefreiung des Suchtmittelkonsums, eine starke Min­derheit befürwortet diese (Alterslimiten dabei: 16 Jahre für weiche Drogen, 18 Jahre für harte Drogen). Das Opportu­nitätsprinzip müsse in jedem Falle praxistauglich ausgestaltet werden. Der Jugendschutz wird bei all dem stark betont.

7.1.00: Die Eidgenössische Kommission für Jugendfragen (EJK) plädiert klar zugunsten der materiellrechtli­chen Entkriminalisierung des Konsums aller Betäubungsmittel. Die heutige Unterscheidung zwischen legalen und illegalen Drogen sei ein Hindernis für die Prävention. Die FDP stellt sich klar hinter die EJK, die CVP will die Liberalisierung auf den Cannabiskonsum beschränken. Die SPS verlangt die Streichung des Hanfs und aller seiner Produkte aus dem BetmG. Auch solle es keine Alterslimiten für die Strafbarkeit des Konsums geben.

23.2.00: Der Bundesrat beschließt, die Regelungen für den Anbau von Hanf und den Handel und Vertrieb von Hanfprodukten nicht vorgezogen zu behandeln - wie es das Bundesamt für Polizei verlangt hatte -, sondern im Rahmen der Revision des BetmG zu überprüfen. Die Regelung der Hanffragen müßte im Lichte der Frage der Strafbarkeit des Cannabiskonsums angegangen werden.

7.3.00: Der Ständerat behandelt drei Standesinitiativen zur Cannabisfrage, die eine Neuregelung der Betäu­bungsmittelgesetzgebung verlangen (Kantone Solothurn, Basel-Landschaft und Zürich). Der Nationalrat stimmte den drei Vorstößen im Herbst 1999 mit 67 zu 66 Stimmen im Paket zu. Der Zürcher und der Basel­bieter Vorstoß wollen die Cannabisprodukte ersatzlos aus dem Betäubungsmittelgesetz streichen, wobei eine Qualitätskontrolle, staatlicher Vertrieb und geeignete Jugendschutzmaßnahmen vorzusehen wären. Die Solo­thurner Initiative geht weiter, indem sich die Liberalisierung nicht nur auf Cannabis, sondern generell auf Betäubungsmittel bezieht, für deren Anbau, Herstellung, Einfuhr, Handel und Vertrieb ein Monopol des Bun­des verlangt wird. Der Ständerat gibt der Standesinitiative des Kantons Basel-Landschaft mit 26 zu 12 Stim­men Folge, jener des Kantons Zürich mit 20 zu 19 Stimmen. Der Standesinitiative des Kantons Solothurn wird mit 38 zu 1 Stimme jedoch keine Folge gegeben.

2.10.00: Der Bundesrat hat die Ergebnisse der Vernehmlassung zur Revision des Betäubungsmittelgeset­zes zur Kenntnis genommen und Grundsatzentscheide für das weitere Vorgehen gefällt. Wichtige Punkte der anstehenden Revision sind die gesetzliche Verankerung der 4‑Säulen‑Politik (Repression, Prävention, Thera­pie und Schadensverminderung) sowie der seit mehr als sechs Jahren praktizierten ärztli­chen Heroin­ver­schreibung, die sich derzeit auf einen bis 2004 befristeten Bundesbeschluß stützt. Beide Vorschläge waren in der Vernehmlassung breit unterstützt worden, ihrer Überführung ins Gesetz steht nichts mehr im Wege. Der Konsum von Cannabis soll künftig nicht mehr strafbar sein, im Gegensatz zum Konsum der übri­gen Betäu­bungsmittel. Der Bundesrat kann allerdings festlegen, wann von einer Strafverfolgung der Konsu­men­ten abzusehen ist. Mit diesen Entscheiden hat der Bundesrat die Weichen für die Revision des Betäu­bungs­mittel­gesetzes gestellt. Aufgegeben hat er die Idee, auch Alkohol und Tabak ins Gesetz aufzunehmen.

10.1.01: Erstmals seit 1994 ist die Zahl der Drogentoten in der Schweiz wieder gestiegen: 196 Personen star­ben im vergangenen Jahr an den Folgen des Konsums illegaler Drogen. Das sind 15 mehr als im Vorjahr. Am meisten Drogentote zählte mit 50 nach wie vor der Kanton Zürich. Danach folgen Bern mit 36, St. Gallen mit 16, Genf mit 13 und mit je 10 die Kantone Basel-Stadt, Tessin und Waadt. Während sich die Zahl der Dro­gentoten im Kanton Basel-Stadt mit 10 fast halbiert hat, hat sie sich im Kanton St. Gallen mit 16 beinahe ver­doppelt. Keine Drogentoten zu verzeichnen haben die Kantone Jura, Uri, Obwalden, Nidwalden, Glarus und Appenzell Innerrhoden.

9.3.01: Der Bundesrat hat die vom Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) erarbeitete Bot­schaft zur Revision des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG) an das Parlament überwiesen. Im Zentrum der Revision stehen die gesetzliche Verankerung der vier Säulen der schweize­rischen Drogenpolitik, neue Regelungen für Konsum, Anbau und Handel von Cannabispro­dukten und eine Verstärkung der führenden Rolle des Bundes in der Drogenpolitik. Die Hauptneuerung betrifft die Cannabisproblematik: So soll die generelle Aufhebung der Straf­barkeit des Cannabiskonsums und seiner Vorbereitungshandlungen sowohl der gesellschaftlichen Reali­tät Rechnung tragen als auch Polizei und Justiz entlasten. Als flankierende Maßnahme sollen gezielte Impulse im Bereich der Prävention gesetzt werden, um einer Banalisierung des Cannabiskonsums entgegen zu wir­ken. Ebenso sollen Möglichkeiten geschaffen werden, um bei Jugendlichen mit sich abzeichnenden Proble­men frühzeitig intervenieren zu können. Dabei steht der Leitgedanke „Hilfe statt Strafe" im Vordergrund.

Bei der Veröffentlichung der Vernehmlassungsergebnisse hat der Bundesrat im Oktober 2000 die Frage offen gelassen, ob und unter welchen Bedingungen Anbau und Handel von Cannabisprodukten toleriert werden könnten. Der Bundesrat ist nun zum Schluß gekommen, daß er die Kompetenz erhalten soll, anhand der im Gesetz abgesteckten Rahmenbedingungen klare Prioritäten bei der Strafverfolgung setzen zu können. Eine gewisse Zahl von Verkaufsstellen könnten ebenso toleriert werden wie der Anbau von Drogenhanf und die Herstellung von Cannabisprodukten – sofern die vom Bundesrat auf Verordnungsstufe definierten Vorausset­zun­gen erfüllt sind. Damit soll die Trennung von Industrie- und Drogenhanf und die Bekämpfung des Exports von Cannabisprodukten erleichtert werden.

Auch in der Frage des Konsums aller anderen Betäubungsmittel schlägt der BR vor, das Obligato­rium der Strafverfolgungspflicht durch eine flexiblere Lösung zu ersetzen und Bedingungen für Ausnahmen von der Strafverfolgung zu formulieren. Die Vorschläge des Bundesrates für die Revi­sion des BetmG sind mit den internationalen Übereinkommen im Drogenbe­reich vereinbar. Die Botschaft ist im Internet abrufbar unter http://www.admin.ch/bag/sucht/d/ .

13.11.01: Die parlamentarische "Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit" des Stän­derates (SGK‑SR) ist der bundesrätlichen Vorlage zur Revision des BetmG mit einer Mehrheit von 6 zu 4 Stim­men gefolgt: Der Konsum von Cannabis und die dazugehörigen Vor­bereitungshandlungen sollen straffrei werden, Anbau und Handel von und mit Cannabis und Cannabisprodukten sollen unter strengen Vor­ausset­zungen toleriert werden können. So sollen Anbauflächen, Höchstmengen, THC-Gehalt, Verkauf und Verkäu­fer/innen mit Hilfe einer "Hanfverordnung" streng überwacht werden. Das Jugend­schutzalter im Cannabisbe­reich wurde entgegen der Vorlage – jedoch in Analogie zum Spirituosenregime – von 16 auf 18 Jahre heraufge­setzt. Dem Vorschlag des Bundesrates, den Konsum harter Drogen ebenfalls mit dem Opportuni­tätsprinzip regeln zu können, wurde nicht zugestimmt. Die heroingestützte ärztliche Behandlung schwer Abhän­giger wurde hinge­gen befürwortet, ebenso wie die gesetzliche Veran­kerung der 4-Säulen-Drogenpolitik. Alle Kommissionsver­treter/innen aus der Romandie sowie der SVP-Vertreter stimmten gegen die Vor­schläge des Bundesrates. In der Gesamtabstimmung wurde die Vor­lage mit 6 zu 3 Stimmen bei einer Enthaltung verabschiedet. Der Stän­derat wird am 12. Dezember tagen und sich als Erstrat mit der Vorlage befassen.

12.12.01: Der Ständerat stimmt mit 25:0 Stimmen der Revision des BetmG zu. Er folgt allen Anträgen der vorberatenden Kommission: Verankerung der nationalen 4-Säulen-Drogenpolitik im Gesetz, Straffreiheit des Cannabiskonsums inklusive Anbau und Besitz zum Eigenkonsum (32:8 Stimmen), Schutzalter 18 Jahre, keine Anwendung des Opportunitätsprinzips bei den harten Drogen. Das Verbot der über den Bedarf zum Eigen­konsum hinausgehenden Cannabisproduktion soll im Gesetz zwar aufrecht erhalten werden, mittels Anwen­dung des Opportunitätsprinzips jedoch gemildert werden können. Auf dem Verordnungsweg können Anbau, Herstellung und Verkauf von Cannabisprodukten in Zukunft sauber geregelt werden. Die Summe der Schäden beim Alkohol- und Tabakkonsum seien im übrigen ungleich höher als beim Cannabiskonsum. Einmal mehr hatte die lateinische Schweiz mehr Mühe mit Fragen der Drogenliberalisierung. Ebenso deutlich wurde in der Debatte, daß die Grenzkontrolle einer der Knackpunkte bei der Umsetzung des Gesetzes und der Verord­nun­gen sein wird. Das Gesetz geht nun zur Beratung an den Nationalrat.

27.2.02: (sda/NZZ) Die UNO kritisiert, daß einige Staaten, darunter die Schweiz, den Cannabiskonsum legali­sieren wollen. Cannabis wie Alkohol und Tabak zu behandeln, wäre ein «historischer Fehler», heißt es im Drogenbericht der Internationale Kontrollkommission für Drogen (INCB). Es werde in einzelnen Ländern zunehmend versucht, internationale Bestimmungen mit juristischen Manövern zu umgehen. So führt denn nach Interpretation des INCB die vom Ständerat verabschiedete Revision des BetmG nicht nur zur Straflosig­keit des Cannabiskonsums, sondern zu einer vollständigen Legalisierung von Cannabis. Die Schaffung eines «legalen» Marktes für Cannabis stimuliere die Produktion in anderen Ländern. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) dagegen hält daran fest, daß die Revision des BetmG mit den internationalen Verpflichtungen über­einstimme.

6.7.02/BAP: Seit 1995 zeigt die Anzahl Drogentoter in der Schweiz klar sinkende Tendenz. Mit der Ausnahme des Jahres 2000, in welchem leicht mehr Drogentote als im Vorjahr verzeichnet wurden, sanken die zu bekla­gen­den Drogentote jährlich. Im Jahr 2001 konnte gegenüber dem Vorjahr lediglich ein leichter Rückgang von 3.9 % verzeichnet werden. Die Anzahl der Drogentoten konnte somit seit dem historischen Stand von 1992 mit 419 Toten gegenüber den 197 aus dem letzten Jahr halbiert werden. Im Jahr 2001 konnte wieder der Stand von 1987 erreicht werden. Dieser erfreuliche Trend der letzten zehn Jahre scheint sich auch in diesem Jahr wieder zu bestätigen, obwohl auch einschränkend gesagt werden muß, daß solche Halbjahreszahlen mit einer gewissen Zurückhaltung interpretiert werden müssen. Gründe für die rückläufige Tendenz sind sicher die Schließungen und die konsequente Verhinderung größerer Drogenszenen in der Schweiz durch die kanto­nalen Polizeikorps seit der Schließung der Szenen im Platzspitz und im Lettenareal in Zürich aus den Jahren 1991 und 1995. Dabei werden auch die seit 1998 laufenden Methadon- und Heroinabgabeprogramme sowie neue Konzepte der Prävention und Schadensminderung eine maßgebliche Rolle gespielt haben. Hinzu kommt, daß generell der Konsum von Heroin in der Schweiz seit einigen Jahren stagniert, wenn nicht rück­läufig ist. Dies bedeutet aber nicht, daß der Drogenkonsum in der Schweiz insgesamt rückläufig wäre. Der Drogenkonsum muß in der Schweiz wohl eher als nach wie vor ansteigend bezeichnet werden, wobei Sucht­verlagerungen vom Heroin vor allem auf Kokain und synthetische Drogen zu verzeichnen sind.

12.6.02/NZZ: England hat trotz (wegen?) seiner relativ repressiven Drogengesetzgebung eine der höchsten Quoten des Drogenkonsums in Europa. Cannabis soll nun zur leichten Droge herabgestuft werden (Stoff­klasse C). Cannabis bleibt eine verbotene Substanz, doch soll ihr Besitz und Konsum nur noch mit Beschlag­nahmung und Ermahnung bestraft werden. Diese neue Regelung erspart der Polizei viel Arbeit: 78% aller Betm-Delikte in GB betreffen Cannabis, davon 90% Cannabiskonsum. Jeder dieser Bagatellfälle kostet die Polizei 5 Stunden Arbeit, die sie besser in den Kampf gegen den Handel mit illegalen harten Drogen investie­ren sollte. Die Police Foundation sowie die Vereinigung der Polizeikommandanten ganz Englands hatten sogar empfohlen, auch Ecstasy und LSD in die Klasse C herabzustufen, sowie den bloßen Besitz auch harter Drogen von 7 auf 1 Jahr zu senken. Der erzkonservative "Daily Telegraph" setzt sich im übrigen seit zwei Jah­ren für die Legalisierung des Cannabiskonsums sowie für den kontrollierten Verkauf von Cannabisprodukten ein. Felix Britannia!

03.01.03: 2002 starben in der Schweiz 158 Menschen an übermäßigem Drogenkonsum. Todesfälle durch Mißbrauch anderer Drogen wie Thai-Pillen, Ecstasy oder Speed sind nicht bekannt geworden.

03.03.03: Der Nationalrat befürwortet mit 110 zu 42 Stimmen die Verlängerung des Bundesbeschlusses über die ärztliche Verschreibung von Heroin (Markenname: "Diaphin").

10.03.03: Der Ständerat lehnt mit 25 zu 17 Stimmen eine nationalrätliche Motion ab, welche die heroinge­stützte Behandlung schwer Abhängiger aus dem Katalog kassenpflichtiger Leistungen streichen wollte.

28.03.03: Die Kommission für soziale Sicherheit und i Gesundheit des Nationalrates (SGK-NR) folgt in wesentlichen Punkten den Beschlüssen des Ständerates, der das Gesetz vor 1 ½ Jahren praktisch diskussi­onslos verabschiedet hatte. Der Cannabiskonsum soll auch nach dem Willen der SGK entkriminalisiert und bei Anbau und Handel das Opportunitätsprinzip eingeführt werden. Gleichzeitig wird die heroingestützte Behand­lung definitiv im Gesetz verankert. Bei der Strafbefreiung des Cannabiskonsums lautete das Abstim­mungser­gebnis 12 zu 9 bei 1 Enthaltung. Eine Lenkungsabgabe auf Cannabisprodukte soll jährlich rund 300 Millionen Franken einbringen. Diese Abgabe soll Jugendliche vom Konsum abhalten wie bei der Tabaksteuer oder wie bei der vom Bundesrat vorgeschlagenen Abgabe auf sogenannte Alcopops. Der Abgabesatz beträgt gemäß dem Vorschlag der Kommission zwischen maximal 8 Franken und maximal 15 Franken pro Gramm – abge­stuft nach THC-Gehalt. Die Erträge sollen zu einem Viertel zur Finanzierung von Präventions- und The­rapie­maßnahmen im Suchtbereich an den Bund und die Kantone sowie zu einem Viertel an die IV und zur Hälfte an die AHV gehen. Die Kommission stimmte der Lenkungsabgabe mit 12 zu 3 Stimmen deutlich zu.

Vor allem aus der Westschweiz kommt Opposition: Mit dieser Abgabe handle der Staat widersprüchlich. Einerseits solle die Jugend damit vom Konsum abgehalten werden, andererseits erhoffe man sich möglichst hohe Einnahmen. Es sei nicht richtig, daß der Staat an einem Geschäft mitverdiene, welches er eigentlich verhindern wolle. Dem Opportunitätsprinzip auch beim Konsum von harten Drogen stimmte die SGK-NR mit 11 zu 7 bei 3 Enthaltungen zu (der Ständerat hatte diesen Vorschlag des Bundesrates abgelehnt). Die gänzli­che Entkriminalisierung sämtlicher Drogen wurde mit nur gerade einer Stimme Unterschied abgelehnt. Für die Abgabe von Cannabis soll dieselbe Altersgrenze wie bei Alkohol und Tabak gelten, nämlich 16 Jahre (der Ständerat sah 18 Jahre vor). Anbau, Produktion und Handel von Cannabis sollen unter bestimmten Voraus­setzungen toleriert und vom Bundesrat reglementiert werden. In der Gesamtabstimmung wurde der Geset­zesentwurf mit 13 zu 6 Stimmen bei 4 Enthaltungen angenommen.

29.4.03: Der Wirtschafts- und Sozialrat der UNO (ECOSOC) wählt die Schweiz in die Betäubungsmittelkom­mission der Vereinten Nationen (CND). Die Schweiz nimmt ab 1. Januar 2004 für vier Jahre Einsitz in dieser Kommission, welche das zentrale Organ der UNO für Drogenfragen ist. Die CND entwickelt Vorschläge zur Stärkung des internationalen Drogenkontrollsystems und koordiniert Maßnahmen zur Bekämpfung des Welt­drogenproblems. Die Betäubungsmittelkommission umfaßt 53 Mitglieder sämtlicher Regionalgruppen und tritt einmal jährlich für eine Session in Wien zusammen. Als Organ des Wirtschafts- und Sozialrates stellt sie der UNO Anträge zur internationalen Betäubungsmittelpolitik. Sie ist verantwortlich für die Fortführung der vier internationalen Abkommen im Bereich der Bekämpfung des weltweiten Drogenproblems sowie für die Umset­zung des entsprechenden 10-jahres Aktionsplans, welcher die UNO-Generalversammlung 1998 verabschiedet hat. Die Schweiz hat die internationalen Drogenabkommen bis auf die Konvention von 1988 gegen illegalen Handel mit Betäubungsmitteln und psychotropen Substanzen ratifiziert und hält alle Verpflichtungen unter der 1988-er Konvention ein. Mit der Mitgliedschaft in der Betäubungsmittelkommission kann sich die Schweiz wirksamer für die Berücksichtigung ihrer Vier-Säulen-Drogenpolitik (Prävention, Therapie, Schadensverminde­rung und Repression) einsetzen und ist auf der Basis ihrer Erfahrungen in der Lage, einen substantiellen und innovativen Beitrag an die internationale Gemeinschaft bei der Entwicklung eines multidisziplinären und aus­geglichenen Ansatzes zu leisten.

16.06.03: Auf Antrag seines Büros hat der Nationalrat mit 84 zu 72 Stimmen beschlossen, die Diskussion der Revision des BetmG zu verschieben (im Herbst 2003 sind Wahlen...).

20.06.03: In den Schlußabstimmungen zur Sommersession wird die Verlängerung des Bundesbeschlusses über die ärztliche Verschreibung von Heroin gutgeheißen: Nationalrat 104 zu 50, Ständerat 41 zu 0.

18.11.03: In der September-Herbstsession (vor den Nationalratswahlen!) ist der Nationalrat (NR) mit 96 zu 89 Stimmen nicht auf die Botschaft des Bundesrates zur Revision BetmG eingetreten. Das Geschäft geht zurück an die Gesundheitskommission des Ständerates (SGK-SR), die ihre Entscheide und Anträge an den SR zur Revision des BetmG auf Ende Januar 2004 vertagt. Die SGK-SR möchte folgende Punkte vertieft diskutiert wissen: Straffreiheit des Cannabiskonsums (Alter?), Verankerung des 4-Säulen-Prinzips, Intensivierung des Jugendschutzes, schärfere Strafverfolgung bei harten Drogen, Besteuerung des legalen Drogenhandels, Opportunitätsmodell bei Cannabis.

26.1.04: Die Gesundheitskommission des Ständerates (SGK-SR) beschließt mit 8 JA, 1 Nein bei 2 Enthaltun­gen, an ihrer bisherigen Empfehlung zuhanden des SR festzuhalten. Die Mehrheit der SGK-SR hat sich gegen das Opportunitätsprinzip und für eine konsequente Strafbefreiung ausgesprochen. Das 4-Säulen-Modell soll gesetzlich verankert werden, ebenso die ärztliche Verschreibung von Opiaten. An der Altersgrenze von 18 Jahren (NR: 16 Jahre) wird festgehalten, eine Lenkungsabgabe (nicht Steuer!) wird positiv beurteilt; deren Erträge sollen in die Prävention fließen. Falls der Ständerat (wie der Nationalrat) in der kommenden Märzses­sion nicht auf die Vorlage eintreten würde, wäre die Revision des BetmG endgültig gescheitert!

2.3.04: Der Ständerat folgt dem Antrag seiner vorberatenden Gesundheitskommission (SGK-SR) und beschließt mit 28 zu 12 Stimmen Festhalten an seinem früheren Eintretensentscheid zur Revision des BetmG (im Dezember 2001 hatte sich der Ständerat im Sinne des Bundesrates für die Straffreiheit des Cannabiskon­sums sowie für das Opportunitätsprinzip im Bereich des Anbaus von und des Handels mit Cannabisprodukten ausgesprochen).

1.4.04 (kein Aprilscherz!): Die Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-NR) beschließt mit 13 zu 12 Stimmen, dem Nationalrat Nichteintreten auf die Botschaft des Bundesrates zur Revi­sion des BetmG zu empfehlen! Damit sinken die Chancen enorm, daß diese Gesetzesrevision überhaupt noch im Parlament beraten werden wird.

28.4.04: Der Bundesrat setzt per 1.1.05 Änderungen im Straßenverkehrsgesetz in Kraft. In Zukunft darf die Polizei auch ohne konkreten Verdacht Alkohol- und/oder Drogenschnelltests (Speichel, Urin, Schweiß) vor Ort durchführen. Neu gelten 0,5 Gewichtspromille als Grenze der Fahruntüchtigkeit. Ab 0,8%o wird zwingend eine Blutprobe angeordnet. Es gilt das Dreisäulenprinzip: Verdacht / Schnelltest à ärztliche Untersuchung à Laboranalyse Körperflüssigkeiten. Als schwere Widerhandlung gilt z. B. das Fahren ab 0,8%o und/oder unter Einfluß von Betäubungsmitteln (inkl. Medikamentenmißbrauch!). Die Strafen werden drastisch verschärft, ins­besondere bei Wiederholungstätern und -täterinnen.  

14.6.04: Der Nationalrat lehnt es mit 102 zu 92 Stimmen erneut ab, auf die Revision des BetmG einzutreten, Damit ist die Gesetzesvorlage gescheitert und fällt außer Abschied und Traktanden.

27.5.05: Die nationalrätliche Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit hat den Startschuß für eine neue Revision des Betäubungsmittelgeset­zes gegeben. Eine neu eingesetzte Subkommission «Drogen» soll die mehrheitsfähigen Teile der im vergan­genen Juni gescheiterten Revision in einer Vorlage vereinigen. Anschließend soll die Cannabisfrage neu aufgerollt werden, wie die Kommission am Freitag mitteilte. Mögli­cherweise werde dies im Zusammenhang mit der Volksinitiative «Für eine vernünftige Hanf-Politik mit wirksa­mem Jugendschutz» sein, für die zur Zeit Unterschriften gesammelt werden. Ausgangspunkt ist eine von der Kommission im vergangenen Februar beschlossene und von der ständerätlichen Schwesterkommission im Mai einstimmig unterstützte Kommissi­onsinitiative.

Frühjahr 2006: Das Parlament nimmt einen neuen Anlauf zur Teilrevision BetmG und beschließt ein zweistu­figes Vorgehen. In einem ersten Schritt soll die Teilrevision BetmG und in einem zweiten Schritt die Hanf-Initiative behandelt werden. Am 6. April wird demzufolge die Teilrevision BetmG in der Subkommission Drogen des Nationalrates diskutiert. Bis Ende 2006 sollte diese verabschiedet sein. Die Verankerung der 4-Säulen-Politik, die Stärkung des Jugendschutzes, der Prävention und der Früherfassung stehen dabei im Vorder­grund. Ob ein Referendum ergriffen werden wird, kann heute noch nicht abgeschätzt werden.

August 2006: Die Europäische Menschenrechtskommission (EMRK) verleiht kein Recht auf straffreien Kon­sum von Cannabis. Laut Schweizerischem Bundesgericht (BG) hatte 2004 ein junger Zürcher auf dieses Recht geklagt, indem er auf den Schutz der Privatsphäre plädierte. Das BG entschied, daß das angerufene Grundrecht nicht eine allgemeine Handlungsfreiheit schütze, sondern „wesentliche Aus­drucksmöglichkeiten der menschlichen Persönlichkeit“ – und dazu gehöre der Konsum von Betäubungsmitteln nicht.

14.12.06: Der Nationalrat beschließt oppositionslos Eintreten auf die Vorlage „Revision BetmG“.

15.12.06: Der Bundesrat hat die Botschaft zur Volksinitiative „für eine vernünftige Hanf-Politik mit wirksamem Jugendschutz“ zuhanden des Parlaments verabschiedet. Er lehnt die Initiative ohne Gegenvorschlag ab. Die Initiative verlangt die Straflosigkeit des Cannabiskonsums und der dazugehörigen Vorbereitungshandlungen, eine Kontrolle des Angebotes, ein Werbeverbot für Cannabis und eine Verstärkung des Jugendschutzes. Die offene Formulierung der Initiative täuscht einen Handlungsspielraum vor, der aufgrund der internationalen Abkommen nicht gegeben ist.

20.12.06: Der Nationalrat stimmt der Gesetzesvorlage zur Revision des BetmG mit 108 zu 65 Stimmen zu. Das Revisionsvorhaben geht nun an den Ständerat. Heroin bleibt weiterhin auf der Liste der verbotenen Betm: Mit 106 zu 70 Stimmen folgt der Nationalrat dem Antrag der vorberatenden Kommission. Die ärztlich kontrol­lierte Heroin-Verschreibung bleibt jedoch weiterhin möglich, ebenso das Beforschen von Heroin.

17.10.07: Nach dem zweiten Nichteintretensentscheid des Nationalrates am 14.Juni 2004 auf die letzte Revi­sion des Betäubungsmittelgesetzes hatte die SGK des Nationalrates eine parlamentarische Initiative unter­breitet, die die mehrheitsfähigen Elemente der gescheiterten Vorlage aufnahm. Am 20. Dezember 2006 hatte der Nationalrat dieser parlamentarischen Initiative zugestimmt. Die SGK des Ständerats hat nun diese Vorlage einstimmig mit 11 zu 0 Stimmen angenommen. Dabei ist sie in einzelnen Artikeln der Stellungnahme des Bundesrates gefolgt und beantragt außerdem, im Zweckartikel nicht nur die Verhinderung von unbefugtem Konsum von Betäubungsmitteln, namentlich durch Förderung der Abstinenz, aufzunehmen, sondern auch die Verfügbarkeit von Betäubungsmitteln zu medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken.

10.12.07: Der Nationalrat empfiehlt die sog. „Hanf-Initiative“ mit 106 zu 70 Stimmen ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung. Auch der Bundesrat stellt sich gegen diese Initiative. Das Geschäft geht nun an den Ständerat.

18.12.07: Der Ständerat empfiehlt mit 33 zu 0 Stimmen und ohne Enthaltungen – somit mit den Stimmen auch der rechtskonservativen SVP – die Annahme des bundesrätlichen Gesetzesentwurfes zur Revision des BetmG. Damit sollen deren mehrheitsfähigen Elemente gesetzlich verankert werden: 4-Säulen-Drogenpolitik (Prävention, Therapie und Wiedereingliederung, Schadenminderung und Überlebenshilfe, Kontrolle und Repression), verstärkter Jugendschutz (inkl. Früherkennung von Substanzmißbrauch und Delinquenz). Sämt­liche Cannabis-Fragen werden später getrennt behandelt werden.

11.3.08: Der Ständerat empfiehlt mit 18 zu 16 Stimmen die sog. „Hanf-Initiative“ zur Ablehnung. Damit kommt die Volksinitiative „für eine vernünftige Hanf-Politik mit wirksamem Jugendschutz“ ohne Gegenvorschlag zur Volksabstimmung (der Termin ist noch offen).

30.11.08: Mit dem Ja zur Revision des Betäubungsmittelgesetzes und dem Nein zur so genannten Hanf-Initia­tive stellte sich das Volk zum vierten Mal innerhalb von elf Jahren hinter die Drogenpolitik des Bundes: 1'456'336 (63,2 %) Nein gegen 848'470 (36,8%) Ja lautete das Ergebnis zur Volksinitiative «Für eine vernünf­tige Hanf-Politik mit wirksamem Jugendschutz». Kein einziger Kanton wollte den Cannabis-Konsum entkrimi­nalisieren. Das revidierte Betäubungsmittelgesetz nahm demgegenüber die Volkshürde mit 1'541'227 (68,0 %) Ja gegen 723'741 (32,0 %) Nein.



2) Kantonale und regionale Ebene

8.12.92: Der Regierungsrat des Kantons Solothurn gelangt, gestützt auf eine Motion des Kantonsrates vom 13.5.92, mit einer Standesinitiative an den Bundesrat. Diese verlangt eine „Abkehr von der bisher verfolgten Prohibitionspolitik“ und stellt konkret den Antrag, 1. der „Betäubungsmittelkonsum sei zu legalisieren“, 2. „Anbau, Herstellung, Einfuhr, Handel und Vertrieb sogenannt illegaler Betäubungsmittel seien unter dem Monopol des Bundes als zulässig zu bezeichnen und ähnlich der Alkoholgesetzgebung zu regeln“ und 3. „die Prävention sei auszubauen, Betreuung und Therapie seien sicherzustellen“.

Am 26.9.93 wird das Suchthilfegesetz des Kantons Solothurn in der Volksabstimmung mit 62% JA-Stimmen angenommen. Es tritt damit sofort in Kraft. Seine formulierten Ziele sind "eine suchtarme Lebensweise, wel­che befähigt, sinnvoll und ver­nünftig mit Suchtmitteln umzugehen; Aufbau einer Suchthilfe, welche Abhängig­keiten vorbeugt und süchtig machende Einflüsse eindämmt; es soll dafür sorgen, daß die individuel­len, sozia­len und gesundheitlichen Auswirkungen des Suchtmittelmißbrauchs vermindert werden." Das Gesetz enthält explizit den Harm-reduction-Ansatz und betrifft alle legalen und illegalen Suchtmittel. Damit ist der Kanton Solothurn der erste, der sich auf ein Suchthilfegesetz als Grundlage seiner Drogen- und Sucht­hilfepolitik beziehen kann.

14.3.94: Die Regierung des Kantons Graubünden unterbreitet ihre Botschaft zum Drogenbericht 94 dem Gros­sen Rat. Der Bericht beleuchtet die aktuelle Drogenproblematik, enthält Ziele und Grundsätze der zukünftigen kantonalen Drogenpolitik und beschreibt die vorgesehenen Maßnahmen zur Verbesserung der Drogensitua­tion im Kanton. Botschaft und Bericht bilden bezüglich ihrer Inhalte, Form und Prägnanz einen Meilenstein auf dem Weg zu pragmatisch orientierten, kantonalen Drogenpolitiken.

13.2.95: Die offene Drogenszene am Bahnhof Zürich-Letten wird ohne besondere Probleme, jedoch unter großer Medienpräsenz geschlossen. Rückführungen Abhängiger in die für sie zuständigen Wohngemeinden nehmen stark zu. Damit wird die Wahrnehmung der Sucht- und Drogenprobleme auch in bisher scheinbar davon unberührt gebliebenen Regionen pragmatisch verändert.

19.8.96: Der Zürcher Kantonsrat behandelt die Motion Franziska Frey-Wettstein (FDP, Zürich) betreffend die Straffreiheit für den Konsum von Cannabisprodukten. Der Vorstoß verlangt eine Standesinitiative des Kan­tons Zürich zur Revision des Betäubungsmittelgesetzes. Dies mit dem Ziel, alle Regelungen des Umgan­ges mit Cannabisprodukten im Betäubungsmittelgesetz zu streichen. Die Neuregelung soll zusätzlich eine staatli­che Qualitätskontrolle sowie den staatlich kontrollierten Vertrieb umfassen. Der Kantonsrat unterstützt die Motion mit 85 zu 40 Stimmen.

1.1.97: Die Strafanstalt Realta in Cazis wird vom Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartement des Kantons Grau­bünden ermächtigt, drogenabhängigen Insassen sterile Spritzen abzugeben, sowie verpflichtet, gebrauchte Spritzen fachgerecht zu entsorgen.

5.2.97: Der Zürcher Regierungsrat beantragt dem Kantonsrat, eine Standesinitiative zur Legalisierung von Cannabisprodukten (Haschisch und Marihuana) einzureichen. Cannabisprodukte sollen ersatzlos aus dem BetmG gestrichen werden. Qualitätskontrolle, staatlicher Vertrieb und Jugendschutz müssen angeordnet wer­den. Der Regierungsrat entspricht damit einer FDP-Motion vom 19.8.96, die der Kantonsrat überwiesen hatte. Begründung: Das BetmG entspreche nicht mehr dem heutigen Stand der Wissenschaft: das Gefährdungspo­tential von Haschisch und Marihuana sei viel geringer als z.B. jenes von Heroin; deshalb könnten Cannabis­produkte nicht gleich behandelt werden. Die SVP des Kantons Zürich kündigte Widerstand an.

6.2.97: Vom Baselbieter Kantonsparlament wird eine SP-Motion zur Liberalisierung von Cannabisprodukten mit deutlicher Mehrheit an den Regierungsrat überwiesen. Die Argumentation deckt sich mit jener aus Zürich.

2.3.97: Das Suchthilfegesetz des Kantons GR wird mit rund 70% Ja-Stimmen angenommen. Damit ist die Zuweisung der Finanzmittel im Suchthilfebereich an die Gemeinden geregelt. Das Gassenzimmer in Chur wird mit 52% Nein-Stimmen abgelehnt.

26.8.97: Die Delegiertenversammlung der Berner SVP beschließt mit 213 Nein- zu 94 Ja-Stimmen die Nein-Parole zur Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“.

28.8.97 („saemann“ 9/97): Der Synodalrat der evangelisch-reformierten Kirchen Bern-Jura lehnt die Initiativen „Jugend ohne Drogen“ und „Droleg – für eine vernünftige Drogenpolitik“ beide als zu extrem ab.

28.8.97: Der Zürcher Regierungsrat lehnt die Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“ „trotz gewisser positiver Aspekte als zu einseitiges und daher untaugliches Mittel zur Lösung der gesellschaftlichen Suchtprobleme“ ab. Er bekennt sich zur nationalen 4-Säulen-Drogenpolitik. Die restriktiv ausgerichtete Initiative berücksichtige weder die Notwendigkeit einer differenzierten Behandlungsweise schwerstabhängiger Drogen­konsumenten noch die auch für nicht Drogen konsumierende Bevölkerung wichtige AIDS-Prävention. Die Initiative klammere zudem völlig aus, daß sich Suchtprobleme weder auf die Jugend noch auf die illegalen Drogen beschränkten. Auch in rechtlicher Hinsicht sei die Initiative fragwürdig: es sei nicht zweckmäßig, die nationale Drogenpolitik auf Verfassungsebene festzulegen. Damit würde der politische Spielraum in einem Bereich eingeengt, wo neue Erkenntnisse immer wieder Anpassungen auf gesetzlicher Ebene nötig machten.

4.9.97: Die Waadtländer FDP-Kantonalpartei empfiehlt im Gegensatz zur Mutterpartei die Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“ mit 98 gegen 41 Stimmen zur Annahme.

18.9.97: Die Berner FDP-Kantonalpartei empfiehlt die Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“ mit 93 Nein gegen 25 Ja zur Annahme. Der Stadtberner Polizeidirektor Wasserfallen sprach sich in der Diskussion für diese Initiative aus.

15.12.97: Der Zürcher Kantonsrat beauftragt mit 99 zu 58 Stimmen die Regierung, beim Bund eine Standes­initiative für die ersatzlose Streichung der Cannabisprodukte aus dem Betäubungsmittelgesetz einzureichen. Begleitend angeordnet werden sollen aber eine Qualitätskontrolle, der staatliche Vertrieb und geeignete Jugendschutzmaßnahmen.

22.12.97: Die Baselbieter Überweisungsbehörde hat das Strafverfahren gegen einen Cannabis-Anbauer ein­gestellt. Die Polizei hatte bei einer Hausdurchsuchung am 17.5.97 in zwei Gewächshäusern 10'500 Hanf­stecklinge und 700 Mutterpflanzen gezählt. Der Betreiber hatte seit der Betriebsaufnahme im September 96 rund 7500 Stecklinge an Kundschaft in verschiedenen Kantonen verkauft. Der Mann habe gewußt, daß sein Cannabis über 0,5 Prozent des Wirkstoffs THC enthalte und damit als Droge verwendbar sei. Ihm habe aber nicht die Absicht nachgewiesen werden können, daß er die Pflanzen für diesen Zweck anbaue. Nach der Ein­stellung des Verfahrens könne der Betreffende nun weiter seine Hanfpflanzen anbauen und verkaufen. Gemäß der Bundesgerichtspraxis reicht das bloße Inkaufnehmen des Mißbrauchs nicht zur Verurteilung.

15.1.98: Der Berner Regierungsrat verlangt mit Blick auf den dringlichen Bundesbeschluß über die ärztliche Heroinverschreibung, daß diese auch über eine Auswahl speziell ausgebildeter Hausärzte möglich sein sollte. Um Süchtige von der Szene fernhalten zu können, müßten diese ihren Stoff am Wohnort legal erhalten kön­nen. Damit würden sie auch aus der in menschlicher Hinsicht nicht immer befriedigenden Massenabferti­gung in den Klinikstrukturen herausgelöst. Und die Klienten könnten mit größerer Wahrscheinlichkeit einer regelmä­ßigen Arbeit im Wohnumfeld nachgehen. Besonders bei schon wieder weitgehend reïntegrierten Abhängigen böte die dezentrale Verschreibung von Betäubungsmitteln unübersehbare Vorteile für alle Betroffenen. Das bisherige als rigide bezeichnete Abgabekonzept der Bundesbehörden erweise sich in bezug auf die Resoziali­sierung der Abhängigen als kontraproduktiv.

26.1.98: Die Regierung des Kantons Aargau veröffentlicht ihren "Planungsbericht Suchthilfe". Der Grosse Rat (Legislative) wird aufgefordert, die ärztliche Verschreibung von Heroin auch im Kanton AG zu ermöglichen.

27.1.98: Die vier Bundesratsparteien äußerten sich in der Vernehmlassung positiv zum Vorentwurf für einen befristeten dringlichen Bundesbeschluß zur ärztlichen Verschreibung von Heroin an Schwerstabhängige. Die SP erwartet eine deutliche Ausweitung, die Übernahme der Behandlungskosten durch die Krankenkassen sowie ein Absenken der Zugangsschwelle. Die CVP weist darauf hin, daß die Zielgruppe eng wie bisher gefaßt bleiben müsse, daß die Behandlung auf dafür spezialisierte Einrichtungen beschränkt bleibt und daß die Eintrittskriterien noch präzisiert werden müßten. Die FDP will, daß die Aufnahme weiterhin nach den gleich strengen Kriterien erfolge wie bisher. Die SVP stimmt mit Vorbehalten zu. Eine Ausweitung komme nicht in Frage, weil die wissenschaftliche Begleitung dann nicht mehr gewährleistet sei. Die wissenschaftliche Aus­wertung sei schon bisher zu kurz gekommen.

10.2.98: Der Kanton Bern plant neue Wege in der Suchtprävention bei jugendlichen Ecstasy-Konsumierenden: Drogentests an Parties sollen Aufschluß über die Zusammensetzung der illegalen Modedroge geben. Das bernische Kantonsapothekeramt hat dazu eine mobile Testapparatur entwickelt. Damit sei es möglich, inner­halb von 15 Minuten vor Ort zu bestimmen, aus welchen Substanzen eine als Ecstasy verkaufte Pille zusam­mengesetzt ist. Die untersuchten Tabletten würden dabei zurückbehalten. Wer aber seine Pillen untersuchen lassen will, muß sich auf ein Gespräch einlassen. Denn im Vordergrund des «Ecstasy»-Projekts stehe die Prävention und die Beratung der Jugendlichen. Aus rechtlicher Sicht seien Ecstasy-Tests an Parties möglich, sofern sie im Rahmen einer Drogenpräventionsmaßnahme durchgeführt würden. Dies hätten die Gutachten des Bundesamtes für Gesundheit und des Basler Strafrechtsprofessors Peter Albrecht ergeben. Auch die Veranstalter werden in das Projekt eingebunden. Sie sollen an den Parties für genügend sanitäre Anlagen, Ruheräume und Lärmschutz besorgt sein. Derzeit befindet sich das Projekt verwaltungsintern in der Vorbe­reitung. Damit der Pilotversuch starten kann, muß noch der Regierungsrat seine Zustimmung geben.

20.2.98: Die Berner Kantonsregierung bewilligt einen Kredit von Fr. 110'000.- für das Drogentest-Projekt. Das Kantonsapothekeramt hat eine mobile Testapparatur entwickelt, die innert 15 Minuten ermitteln kann, aus welchen Substanzen sich eine als Ecstasy verkaufte Pille zusammensetzt. Verbunden mit dem Test sind in jedem Fall der Verlust der Pille und ein Präventionsgespräch mit den ratsuchenden Jugendlichen.

27.3.98: Die in der Frauenstrafanstalt Hindelbank bereits seit Juni 1994 praktizierte Abgabe von sterilen Sprit­zen an drogenabhängige Insassinnen ist in eingeschränkter Form auf alle bernischen Gefängnisse ausge­dehnt worden. Verantwortlich für die Abgabe von sterilen Spritzen an Drogenabhängige in bernischen Haftan­stalten sind die Gesundheitsdienste. In den Gefängnissen sei der Drogenkonsum eine Tatsache; mit sauberen Spritzen lasse sich das gesundheitliche Risiko, namentlich von Aids, vermindern. Der Versuch in Hindelbank mit der Abgabe von sterilen gegen gebrauchte Spritzen hatte positive Resultate erbracht (verbesserter Gesundheitszustand der Insassinnen, keine HIV-Neuinfektionen).

3.4.98: Die Polizei beschlagnahmt im Kanton St. Gallen mehrere Kilogramm Hanf im Wert von 10 000 Fran­ken, 1,5 Kilogramm Haschisch im Wert von 15 000 Franken und 75 000 Franken Bargeld. Der Verdacht, daß sich Jugendliche in Hanfläden mit Rauchhanf eindecken, hat sich in mehreren Fällen bestätigt. Die Läden sind nicht geschlossen worden, weil der Verkauf von Hanfprodukten mit tiefem THC-Gehalt zulässig ist. Beschlag­nahmt wurden nur Waren, bei denen der Verdacht bestand, sie könnten als Betäubungsmittel dienen, beson­ders Hanf-Duftsäcklein. Weniger als fünf Gramm Hanfkraut wird oft für über 50 Franken verkauft. Dies gilt als Hinweis darauf, daß diese Säcklein nicht dazu da sind, Kleiderschränke zu beduften. Polizeirazzien in Hanf­läden sind bereits in den Kantonen Bern, Neuenburg und Zürich durchgeführt worden. Polizeibehörden im grenznahen Ausland hatten beklagt, daß sich Jugendliche in der Schweiz ohne weiteres mit Rauchhanf ein­decken könnten, den sie nach Deutschland und Österreich ausführten.

21.4.98: Der Kanton Glarus hat ein neues Drogenkonzept in Kraft gesetzt. Kernpunkt bildet ein Massnahmen­paket, das alle vier Säulen der Drogenpolitik des Bundes abdeckt. Im Bereich der Schadensverminderung wird die Spritzenabgabe optimiert und die Schaffung von Arbeitsplätzen mit geringen Leistungsanforderungen gefördert. Zentral für die Umsetzung des Konzepts ist die Schaffung eines polyvalenten sozialmedizinischen Dienstes, der alle im Suchtbereich tätigen kantonalen Stellen unter einem Dach zusammenfaßt.

11.5.98: Die Berner Kantonsregierung beantragt dem Parlament, ab dem Jahr 2000 einen wiederkehrenden Betriebsbeitrag von knapp 2,2 Millionen Franken zu bewilligen. Damit könnten die bisher bewilligten 250 Plätze in Berner Heroin-Verschreibungsprogrammen auf die 500 effektiv notwendigen Plätze erhöht werden. Der Kostenanteil der Gemeinden beträgt jährlich wiederkehrend 1,06 Millionen. Diese Ausweitung entspreche dem ungefähren Bevölkerungsanteil des Kantons Bern in Relation zu den dereinst landesweit rund 3'000 Plät­zen in den Verschreibungsprogrammen.

22.7.98: Der Regierungsrat des Kantons Zürich gewährt für die Drogenhilfe auf kommunaler und regionaler Ebene rückwirkend für 1997 Beiträge von insgesamt 7,95 Mio. Fr. (Details siehe unter 3, Städte).

2.10.98: Die neue rechtliche Basis für die Heroinabgabe in der Schweiz wird im Kanton Zürich nur zu einem moderaten Ausbau der Therapieplätze führen. Erst längerfristig könnte der Entscheid eine größere Aufstoc­kung zur Folge haben. Gut 300 Plätze werden heute in den Heroinverschreibungsprojekten im Kanton Zürich angeboten, der größte Teil davon (235) in zwei städtischen und in einem privaten Projekt in Zürich.

26.10.98: Der Ausschuß der kantonalzürcherischen Kommission für Drogenfragen hat sich einstimmig gegen die Volksinitiative «für eine vernünftige Drogenpolitik – Droleg» ausgesprochen.

1.1.99: Der Beschluß des Grossen Rates des Kantons Bern zur Finanzierung von maximal 500 Plätzen zur ärztlichen Verschreibung von Heroin an Schwerstabhängige tritt in Kraft. Das Referendum der Evangelisch-Demokratischen Union (EDU) war zurückgezogen worden.

16.8.99: Der Kanton Thurgau stellt sein erweitertes Drogenkonzept vor. Es orientiert sich weiterhin an der 4‑Säulen‑Politik des Bundes, weist aber verschiedene Neuerungen auf. Im Oberthurgau sollen mehrere Sprit­zenautomaten aufgestellt werden. Eine Drogenanlaufstelle ist nicht geplant, man befürchtet eine Sogwirkung und zusätzlichen Drogenhandel. Der Kanton Thurgau prüft derzeit ein Projekt für die ärztlich kontrollierte Heroinverschreibung. Dieses möchte er wegen der geringen Zahl der Heroinabhängigen, welche die Aufnah­mekriterien erfüllen, zusammen mit den Abgabestellen in Winterthur und St. Gallen realisieren. Der Kanton Thurgau hat seine Bereitschaft bekundet, Rückführungen zu unterstützen und die Süchtigen in Winterthur abzuholen.

18.2.200: Die Bündner Regierung will im Sommer ein auf drei Jahre angelegtes Versuchsprojekt mit der ärztli­chen Heroinabgabe an Schwerstsüchtige in Chur starten. Das Projekt mit 30 Plätzen steht unter der Leitung einer psychiatrischen Klinik. In Graubünden leben rund 20 schwer drogenabhängige Personen. Am Heroin­programm können auch 15 bis 20 Drogenabhängige aus zwei St. Galler Bezirken teilnehmen. Zusätzlich ist die Strafanstalt Realta an 10 Therapieplätzen für heroinabhängige Insassen interessiert. Die Zustimmung des Grossen Rates zu einem entsprechenden Nachtragskredit steht noch aus.

21.08.00: Der Schaffhauser Grosse Rat ringt um die Zustimmung zu einem Kredit über 530'000 Franken zur Finanzierung eines Projektes zur Verschreibung von Heroin. Die Gegner aus SVP und FDP meinen, dadurch werde nur die Sucht verlängert. Gefordert wurde mehr Repression und Suchtfreiheit.

4.9.00: Der Schaffhauser Grosse Rat hat mit 47:17 Stimmen einem jährlichen Beitrag von Fr. 530'000.- an das Heroinverschreibungsprojekt für 25 Abhängige in Schaffhausen zugestimmt. Nun muß das Vorhaben noch vom Stadtparlament sowie vom Stimmvolk der Stadt Schaffhausen genehmigt werden.

16.9.00: In folgenden Städten stehen heroingestützte Therapieplätze bereit: Basel (150); Bern (165); Biel (55); Burgdorf (30); Chur (30); Genf (50); Horgen (30); Luzern (60); Olten (35); Solothurn (40); Strafanstalt Schön­grün (15); Reinach BL (15); St. Gallen (75); Thun (60); Winterthur (39); Zürich (265); Zug (30). In wenigen Tagen nimmt das Behandlungszentrum in Brugg (50 Plätze) den Betrieb auf. Anfang 2001 kommt Schaffhau­sen (25) hinzu. Somit werden vom kommenden Jahr an gesamtschweizerisch 1219 Plätze zur Verfügung ste­hen.

12.2.01: Der Kanton Tessin will in der Drogenprävention aktiver werden und erhöht das entsprechende Budget von 20 000 auf 220 000 Franken. Weiter soll abgeklärt werden, ob die Einführung der ärztlich kontrollierten Heroinabgabe an Abhängige durchführbar ist. Bisher wurde diese Therapieform im Tessin nicht praktiziert. Im Tessin wird die Zahl heroinabhängiger Personen auf 1800 geschätzt (die Hälfte in Methadonprogrammen).

06.09.03: Die Ethikkommissionen der Kantone Bern und Basel haben der Durchführung von medizinischen Versuchen zur Ritalin-Therapie bei Kokainsüchtigen zugestimmt. In Basel und Bern werden je 30 schwer von Kokain Abhängige 3 Monate lang mit Ritalin behandelt werden. Eine ärztlich kontrollierte Kokainabgabe, wie es die Stadt Zürich dem BAG vorschlug, kommt weiterhin nicht in Frage.



3) Gemeinde-, respektive städtische Ebene

1992: Der international bekannte und berüchtigte Zürcher Platzspitz-Park, die größte offene Drogenszene der Schweiz, wird polizeilich geräumt. Die dafür notwendige Voraussetzung, in erster Linie ein adäquates sozial­medizinisches Auffangnetz für die Weggewiesenen, fehlt weitgehend. Dementsprechend sind ordnungspoliti­sche, kriminalpräventive und besonders natürlich sozialtherapeutische Erfolge der Aktion kaum auszumachen. Drogenkonsum und -handel verlagern sich in gewisse Quartiere Zürichs, wo es innert kürzester Zeit zu unvor­stellbar widerlichen und gemeingefährlichen Zuständen kommt.

25.6.95: Eine Beteiligung an der ärztlich kontrollierten Heroinverschreibung in der Stadt Winterthur wird dem Volk zur Abstimmung vorgelegt. Winterthur stimmt mit 13'866 Ja bei 13'138 Nein bei einer Stimmbeteiligung von 48% dem Vorhaben zu. Das Projekt wird unter dem Namen IKARUS im August 1995 gestartet.

23.11.95: Die Drogenplattform des Schweizerischen Städteverbandes veröffentlicht ihre Resolution zu den wissenschaftlichen Versuchen zur ärztlichen Verschreibung von Betäubungsmitteln. Darin fordert sie eine Übergangslösung sowohl für Probandinnen, die bei Erreichen des Versuchsendes noch zuwenig stabilisiert sind, als auch für das medizinische Per­sonal, dessen in den Versuchen erworbenes Know-how nicht verloren gehen dürfe. Gefordert werden weiter die Verwesentlichung der Begleitforschung sowie deren engere Zusam­menarbeit mit der Betäubungsmittelkon­trollstelle der UNO in Wien (INCB) und mit der WHO.

29.7.96: Die SVP der Stadt Zürich hat das Referendum gegen den kantonalen Kredit zur Verlängerung der städtischen Heroinverschreibungsversuche in Zürich mit 9’548 Unterschriften (nötig: 4’000) eingereicht. In der Stadt Winterthur droht die SVP mit dem Referendum gegen den diesbezüglich benötigten Kredit. Die Vorlage wird dort freiwillig der Volksabstimmung unterstellt.

1.12.96: Das oben genannte SVP-Referendum in Zürich wird bei 51% Stimmbeteiligung mit 63% JA-Stimmen abgelehnt. In Winterthur wird bei einer Stimmbeteiligung von 56% mit 59% JA-Stimmen der benötigte Kredit zur Weiterführung des Verschreibungsprojektes angenommen.

10.12.96: In St. Gallen kommt das SVP-Referendum gegen die städtische Methadonabgabe mit 1019 Stim­men (nötig: 1’000) knapp zustande. Die Abstimmung findet am 2.3.97 statt.

4.1.97: Dem Stadtparlament Kloten liegt ein Antrag vor, der den Beitritt zur Dezentralen Drogenhilfe für das mittlere Glattal sowie die finanzielle Unterstützung der Suchtpräventionsstelle Zürcher Unterland vorsieht. Der Beschluß untersteht dem fakultativen Referendum.

2.3.97: St. Gallen stimmt mit 8271 Ja bei 6313 Nein bei einer Stimmbeteiligung von 33% dem jährlich wieder­kehrenden Kreditbegehren zur Weiterführung insbesondere der Methadonprogramme zu. Damit folgt St. Gal­len ebenfalls dem nationalen drogenpolitischen Kurs.

7.7.97: Die Drogendelegation der Stadt Zürich hat „Die Drogenpolitik der Stadt Zürich“ in einer öffentlichen Broschüre niedergelegt. Grundlage dieser Politik ist das 4-Säulen-Modell des Bundesrates. In Zürich sinkt die Zahl der Drogentoten seit der Schließung der offenen Drogenszene auf dem Platzspitz konti­nuierlich weiter (1991: 116, 1996: 65). Grund sei die gute Zusammenarbeit zwischen Fürsorgebehörden, Gemeinden und Polizei im Umgang mit Drogenkranken.

2.7.97: Antrag des Gemeinderates an den Stadtrat Bern betreffend Kredit für den Betrieb einer zeitlich befri­steten stationären Rückführungs- und Betreu­ungsstelle für rund 20 Drogenab­hängige beiderlei Geschlechts (nach dem Zürcher Modell). Begründung: Seit Monaten habe sich die Situation in der Drogen­szene deutlich verschlechtert, die Szene habe quantitativ zugenom­men. Der Hauptgrund liege darin, daß Bern zur Zeit mit gewal­tigen Dro­genmengen zu Schleuderpreisen überflutet werde. Dies führe dazu, daß Bern wieder zum Anzie­hungspunkt auswärtiger Drogenabhängiger vor allem aus der Westschweiz geworden sei.

24.7.97: Die Zürcher Stadtregierung, vertreten durch ihre Drogendelegation, spricht sich an einer Presse­kon­ferenz klar gegen die Initiative „Jugend ohne Drogen“ aus. Diese wird von offizieller Seite als „weltfremd“, „nicht verantwortbar“ und als „Gefährdung für die jahrelange Aufbauarbeit im Sucht- und Drogenbereich“ bezeichnet.

14.8.97: Die Berner Stadtregierung (Gemeinderat) nimmt in einem Pressecommuniqué formell Stellung gegen die Initiative „Jugend ohne Drogen“: Diese erwecke die Illusion, daß bei ihrer Annahme eine drogenfreie Jugend und Gesellschaft erreicht werden könne. Heroinverschreibung, Methadonprogramme und die nieder­schwelligen Anlaufstellen mit Injektionsmöglichkeit würden verunmöglicht. Die Initiative wird damit als „zu eng“ und als zu teuer bezüglich ihrer Folgekosten abgelehnt. Es wird empfohlen, die bewährte, natio­nale 4-Säulen-Drogenpolitik weiterhin zu unterstützen.

19.8.97: Die FDP der Stadt Zürich spricht sich „überaus deutlich“ für die Nein-Parole zur Abstimmung über die Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“ aus.

20.8.97: Der Zürcher Gemeinderat (Stadtparlament) beurteilt die Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“ als „ernste Gefahr für die Überlebenshilfe“. Simplifizierungen hülfen nicht weiter, nötig seien breite und vielfältige Ansätze. Die Vertreter von CVP, FDP und LdU forderten deutlich dazu auf, den Abstinenzaspekt nicht aus den Augen zu verlieren. Zugunsten der Initiative ergriff einzig ein SVP-Politiker das Wort.

28.9.97: 76,6 % der Stimmenden in der Stadt Zürich sprechen sich gegen die Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“ aus. Polizeivorstand Neukom erklärte, daß nun nicht mehr mit einem Rückfall in die Zeit der offenen Drogenszenen zu rechnen sei. Sozialvorsteherin Stocker betonte, daß nun erstmals ein mit überwiegend städtischen Problemen besetztes Thema allgemeine Akzeptanz auf Bundesebene gefunden habe.

16.10.97: Der Berner Stadtrat lehnt mit 43 zu 13 Stimmen bei 3 Enthaltungen den Kredit von 1,26 Mio. Fran­ken für den Betrieb eines zeitlich befristeten stationären Rückführungs- und Betreuungszentrums für Drogen­ab­hängige ab. Der von der Geschäftsprüfungskommission gestellte Rückweisungsantrag wird unter Namensauf­ruf mit 42 zu 16 Stimmen bei 1 Enthaltung angenommen.

27.11.97: Die Berner „Task Force Drogenpolitik“ verabschiedet ein umfassendes, koordiniertes und rasch umzusetzendes Massnahmenpaket: kein öffentliches Fixen mehr, keine Ansammlungen von Dealern und Konsumenten mehr, keine offene Drogenszene, vermehrte Zuführungen in Entzug und Therapie, Verstärkung von Überlebenshilfe und Prävention, mehr Uniformpräsenz. Hohen Stellenwert hat die Zusammenarbeit inner­halb der zuständigen Verwaltungsteile. Beim BAG wurden 50 zusätzliche Heroinplätze beantragt. Ziele bis Ende Januar 98: die Rückführung Abhängiger in ihre Wohnsitzgemeinden wird massiv ausgebaut, ein neuer Standort für die Notschlafstelle ist gefunden, Maßnahmen zur beschleunigten Ausschaffung aus­ländischer Dealer sind beschlossen. Eine zweite Anlaufstelle mit Injektionsmöglichkeit soll bis Mitte 98 gefun­den werden.

28.11.97: Die Stadt Winterthur, die Bezirksanwaltschaft und die Kantonspolizei Zürich verstärken ihre Maß­nahmen gegen den Drogenhandel beim Bahnhof Winterthur. Festnahmen und Straf­anzeigen haben sich seit 1995 mehr als verdoppelt. Auswärtige Abhängige werden häufiger in ihre Wohnsitzgemeinden zurückgeführt. Die Polizei stellt mehr Widerstand und Aggressivität bei Kontrollierten fest. Weil der Kanton Thurgau keine nieder­schwelligen Einrichtungen führt, sammeln sich seine Abhängigen in Winterthur. Der Stadtrat beschließt eine Zulassungsbeschränkung zugunsten von Personen aus dem Bezirk Winterthur. Der Thurgauer Regie­rungsrat wurde zudem formell aufgefordert, sich selbst um seine Abhängigen zu kümmern.

7.1.98: Drogenhändler werden in Bern künftig massiv härter angepackt. Die von der städtischen Task Force Drogenpolitik lancierte Polizeiaktion «Citro» ist zeitlich unbefristet und richtet sich gezielt gegen Drogenhänd­ler. Verdächtige werden von der Polizei aufgegriffen und in ein Rückführungszentrum in der Zivilschutzanlage auf der Berner Allmend gebracht. Dort werden sie rund vier Stunden zurückbehalten und bei Erhärtung des Verdachts entweder in Haft genommen oder der Fremdenpolizei zugeführt. Die Maßnahmen sollen die Attrak­tivität der Stadt Bern als Drogenhandelsplatz und für Drogenkonsumenten verringern. Die Aktion stützt sich auf das bernische Strafverfahren und auf das neue Polizeigesetz, das seit Anfang Jahr in Kraft ist. Die Zahl der Drogenhändler in der Stadt Bern wird auf weit über 100, die Zahl der schwer Drogenabhängigen auf 40 bis 50 geschätzt. Allein am ersten Tag der Aktion «Citro» nahm die Polizei bereits 46 mutmaßliche Dealer fest. Alle waren Asylbewerber, 74 Prozent stammten aus Albanien oder aus dem ehemaligen Jugoslawien und 26 Prozent aus Schwarzafrika. Kein einziger von ihnen hatte seinen Wohnsitz in der Stadt Bern, 37 Prozent waren dem Kanton Bern zugewiesen, der Rest stammte aus anderen Kantonen.

15.1.98: Die seit einer Woche laufende Polizeiaktion "Citro" zeitigt erste Erfolge an zwei Fronten. Die Dealer­szene ist massiv in die Enge getrieben worden und die sichtbare Konsumentenszene erscheint um die Hälfte reduziert. Vor allem Romands würden sich nicht mehr in Bern versorgen. Damit erweist sich Berns Repres­sionsoffensive als ausgesprochen wirkungsvoll, wie sich der sozialdemokratische Stadtpräsident öffentlich ausdrückte. Nun sei nachhaltige Wirkung von Nöten, damit die Erfolge stabilisiert werden könnten. Das Ziel der Aktion ist es, die von albanischen und afrikanischen Asylbewerbern beherrschte Szene der aggressiven organisierten Drogenhändler zu stören oder zu zerstören und damit die Sogwirkung des Berner Drogenmark­tes zu brechen. Das Verwenden von Handys zur Organisation des Handels ist auf marginale Werte geschrumpft. Drogen werden kaum noch auf Mann getragen, sondern fast ausnahmslos gebunkert. Von bis­her 240 Festgenommenen waren 220 Asylbewerber, vorab Albaner (150) und Afrikaner (60). Nur 19 Fest­ge­nommene wohnten in Bern, 98 im Kanton Bern und 122 in der übrigen Schweiz. 158 auswärtige Asylbe­werber wurden rückgeführt, 26 Personen wurden bereits zweimal, drei sogar schon dreimal festgenommen. Gegen 21 Asylanten wurden Ausgrenzungen verfügt, elf weitere wurden der Fremdenpolizei überstellt und 10 in Polizei­haft genommen. Der sozialdemokratische Stadtpräsident, der Leiter der Task Force Drogenpolitik, betonte, daß das Repressionselement so stark aufrechterhalten werden müsse, daß die Balance zwischen den Schweizer Städten erhalten bleibe.

16.1.98: Der Winterthurer Stadtrat sowie die Kantons- und die Stadtpolizei Zürich melden das Entstehen neuer Drogenumschlagplätze in der Umgebung der Berufs- und der Kantonsschule. Vor allem am Wochenende sol­len sich dort kleine Gruppen überwiegend auswärtiger Abhängiger aufhalten. Den Heroin und teilweise auch den Kokainhandel dominierten asylsuchende AlbanerInnen. In Winterthur versorgten sich zwischen 500 und 600 Abhängige ihren Stoff.

23.4.98: Winterthur ist nicht mehr der mit Abstand größte Umschlagplatz für Drogen in der Ostschweiz. Mit verschiedenen Maßnahmen haben die Behörden den Handel eindämmen und die Sogwirkung der Stadt ver­ringern können. Von der Verbesserung profitieren sowohl das vorher stark belastete Stadtzentrum als auch die Außenquartiere. Zum Verschwinden gebracht werden kann der Drogenhandel mit den getroffenen Maß­nahmen nicht; er findet jetzt vermehrt in privaten Räumen statt. Der Erfolg ist vor allem auf eine geänderte Polizeitaktik zurückzuführen. Mit den rund um die Uhr eingesetzten mobilen Einsatztruppen konnte die Verla­gerung der Szene in die Aussenquartiere massiv eingedämmt werden. Neben den verstärkten polizeilichen Maßnahmen insbesondere gegen die Händler haben auch die Zulassungsbeschränkungen in den städti­schen Drogeneinrichtungen und in den Durchgangsheimen für Asylsuchende zur Beruhigung beigetragen. Zutritt zur Drogenanlaufstelle, zum begleiteten Wohnen und zur städtischen Notschlafstelle haben nur noch Personen aus dem Bezirk Winterthur. Gemäß einem stadträtlichen Konzept sollen Süchtige, die zum zweiten Mal von der Polizei aufgegriffen werden, in ihre Wohngemeinden zurückgeschafft werden.

30.5.98: Berns Drogenfachleute brechen mit 80er-Tabus. Sozialarbeiter/innen müßten von ihren Klien­ten mehr an Disziplin und Verhaltensanpassung verlangen (Barbara Mühlheim, SP-Stadträtin), die partner­schaftli­che Zusammenarbeit besonders auch mit der Polizei wird gelobt (Jakob Huber, Leiter Stiftung Contact). "Für­sorge und Drogenarbeit beinhalten auch Repression, ja selbst die Anwendung von Zwang" (Rudolf Gerber, stv. Generalsekretär Gesundheits- und Fürsorgedirektion Bern). Auf die Achtung der freien Selbstbe­stimmung der Klienten sei erstmals zugunsten bevormundender Hilfe verzichtet worden (Anlaufstelle Nägeli­gasse).

22.7.98: Der Regierungsrat des Kantons Zürich gewährt für die Drogenhilfe auf kommunaler und regionaler Ebene für 1997 Beiträge von insgesamt 7,95 Mio. Fr. Die Stadt Zürich betreibt zwei Notschlafstellen, bietet 421 Plätze im Rahmen des begleiteten Wohnens für sozial Benachteiligte an, führt Arbeitsintegrationspro­gramme für Drogenabhängige durch und unterhält sieben Kontakt- und Anlaufstellen für Drogengebraucher; sie erhält einen Beitrag von 5,5 Mio. Fr. In der Stadt Winterthur und in den Landbezirken bestehen zahlreiche Einrichtungen für begleitetes Wohnen, einige Notschlafstellen, Kontakt- und Anlaufstellen sowie Koordinati­onsstellen für den Bereich Arbeit. Die Beiträge an die Gemeinden und Regionen liegen zwischen 7000 und 850 000 Fr.

12.8.98, Winterthur: Dank gezielter Prävention und Repression von Stadt- und Kantonspolizei ist es gelungen, das Auftreten von Drogendealern in Gruppen zu unterbinden. Gehandelt wird meist an stark frequentierten Strassen oder an leicht überschaubaren Orten wie Parkhäusern, Waldrändern und Grünanlagen unweit des Stadtzentrums. Kriminalstatistik: Im ersten Halbjahr 98 wurden total 799 Verstöße gegen das BetmG regi­striert (im ganzen letzten Jahr 1'806). Im ersten Halbjahr 98 nahmen Stadt- und Kantonspolizei im Umfeld der Dro­genszene 325 Personen fest. Es wurden 78 Ausgrenzungen von illegal anwesenden Ausländern oder Asylsu­chenden vorgenommen. Ausgrenzungen haben sich als besonders wirkungsvolles Mittel gegen den Drogen­handel erwiesen. Ohne diese polizeilichen Zwangsmaßnahmen hätte die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht im erreichten Rahmen durchgesetzt werden können. Die Zahl auswärtiger Abhängiger ist etwas zurück­gegangen. Die gesamte Winterthurer Drogenszene umfaßt nach wie vor über 500 Personen. Bei den polizeili­chen Maßnahmen gegen die Drogenszene steht die Bekämpfung des Straßenhandels im Vorder­grund. Daran beteiligen sich leider auch viele der rund 340 Abhängigen, die in einem Substitutionsprogramm stehen. Im ersten Halbjahr 98 starben in Winterthur sechs Personen an den Folgen des Drogenkonsums. Im ganzen Kanton Zürich zählte die Polizei im gleichen Zeitraum 35 Drogentote.

28.9.98: Der Zürcher Stadtrat will die ärztlich kontrollierte Heroinabgabe als festen Bestandteil der kommuna­len Drogenpolitik etablieren. Er beantragt dem Gemeinderat, ihm im Rahmen des Bundes- und des kantonalen Rechts die Kompetenz für die Führung von Polikliniken für schwer drogenabhängige Menschen einzuräumen.

30.9.98: Der Zürcher Gemeinderat hat dem Stadtrat die Kompetenz erteilt, Polikliniken für die ärztlich kontrol­lierte Heroinabgabe einzurichten. Für die Weiterführung des Rückführungszentrums für Drogenabhängige bis 2001 sprach er Betriebsbeiträge von 3,9 Millionen Franken.

14.10.98: In einzelnen Quartieren der Stadt Basel (vor allem rund um den Bahnhof SBB, im Gundeldinger- und Matthäusquartier sowie in Kleinbasel) haben Verwahrlosung, Gewalt- und Drogenprobleme, starke Bela­stungen durch (Dirnen-)Verkehr und Großbaustellen ein nicht mehr tolerierbares Ausmaß erreicht. Die Bas­ler Regierung will mit verschiedenen Maßnahmen dafür sorgen, daß sich die Bevölkerung wieder wohl und sicher fühlt: Verstärkung der Polizeipräsenz, konsequenter Einsatz der Vorbereitungshaft, Auflösung der Dro­gen­szene mit dem Ziel, Abhängige für Substitutionsprogramme zu gewinnen, verlängerte Öffnungszeiten in den drei Gassenzimmern, verstärkte Gassenarbeit auch für Alkoholkranke. Mit Baum- und Buschschnitt sowie stärkerer Beleuchtung sollen dunkle Strassen und Ecken übersehbarer gestaltet und die Schmierereien an öffentlichen wie privaten Gebäuden jeweils sofort entfernt werden.

9.11.98: In der Stadt Winterthur wird die ärztlich kontrollierte Heroin- und Methadonabgabe an Schwersüchtige fortgesetzt und definitiv in das Therapieangebot der Stadt aufgenommen. Der Grosse Gemeinderat hat einen entsprechenden Antrag mit großer Mehrheit gutgeheißen. Die FDP-Fraktion bezeichnete die Heroinabgabe als vertretbar. Es gebe keine anderen vernünftigen Behandlungsmethoden. Auch die SP stellte sich auf den Standpunkt, daß die Heroinverschreibung ein taugliches Mittel sei. Die SVP stellte dagegen einen Ableh­nungsantrag. Ihr Sprecher wies darauf hin, daß Heroin «kein Heilmittel, sondern gesundheitsschädigend» sei. Die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel sollten besser für die Prävention verwendet werden. In der Abstimmung sprachen sich mit Ausnahme von SVP, FPS und EDU sämtliche Parteien für die Vorlage aus. Im Rahmen des Projekts «IKARUS» erhalten zurzeit 31 Abhängige Heroin und 40 Personen Methadon. Die Kosten belaufen sich im nächsten Jahr gemäß Budgetentwurf auf 827 300 Franken. Für die Stadt ergibt sich eine Nettobelastung von rund 165 000 Franken. Die Winterthurer Stimmberechtigten haben der ärztlich kon­trollier­ten Heroinverschreibung bereits zweimal zugestimmt. 1995 resultierte ein Ja-Stimmen-Anteil von 51 Prozent, 1996 ein solcher von 59 Prozent. In der Stadt Winterthur leben rund 400 schwer drogensüchtige Per­sonen. 280 von ihnen erhalten Methadon.

11.11.98: Der Zürcher Stadtrat hat seine im Jahr 1991 festgelegten drogenpolitischen Grundsätze einer kriti­schen Prüfung unterzogen und dabei festgestellt, daß sie sich bewährt haben. Das angestrebte Ziel einer ver­deckten Drogenszene sei erreicht worden, der stabil-labile Zustand verlange zu seiner Aufrechterhaltung aber nach wie vor einen großen personellen Aufwand aller beteiligten Dienststellen. Neu ist die Ausweitung der bestehenden Grundsätze auf alle Suchtmittel. In der aktualisierten Fassung seiner drogenpolitischen Grund­sätze bestätigt der Stadtrat das Festhalten an der Vier-Säulen-Strategie. Das städtische Hilfsangebot soll auf in der Stadt wohnhafte Personen beschränkt bleiben. Hohe Priorität genießen der Schutz der Bevöl­kerung, die Verhinderung offener Szenen und die Bekämpfung des Handels.

29.11.98: Die Stimmberechtigten der Stadt Zürich befürworten bei einer Stimmbeteiligung von 43% die Wei­terführung der Heroinverschreibung mit 59 321 Ja- gegen 28 163 Nein-Stimmen (67,8% zu 32,2%). Kein ein­ziger Stadtkreis sprach sich gegen die Vorlage aus. Bereits zweimal, 1996 und 1997, waren die Zürcher/innen aufgefordert, zur Heroinverschreibung Stellung zu beziehen, und beide Male waren deutliche Ja-Mehrheiten zustande gekommen. Für die Stadtzürcher, die jahrelang unter den Begleiterscheinungen offe­ner Drogensze­nen zu leiden hatten, ist offensichtlich klar, daß diese Maßnahme einen kleinen, aber wesent­li­chen Bestandteil im Katalog vielfältiger, darunter auch repressiver Maßnahmen darstellt, die dazu beitragen, das Drogenpro­blem «stadtverträglich» zu machen. Mit dem Ja zur Vorlage ist dem Gemeinderat die Kompe­tenz übertragen worden, die Gelder für die Heroinverschreibung künftig im Voranschlag festzusetzen. Bei Bedarf kann auch die Zahl der Plätze - heute sind es 140 - erhöht werden. Es gibt indes keinerlei Anzeichen für eine sprunghaft wachsende Nachfrage, zumal die Aufnahmekriterien sehr streng bleiben.

8.1.99: Die Stadt Bern löst die am 7.1.98 als befristete Maßnahme gegen die zunehmenden Probleme geschaffene Task Force auf, führt aber die aufgebauten Strukturen weiter. Mit der laufenden Aktion «Citro» konnten die nicht abhängigen Drogendealer weitgehend aus dem Stadtzentrum und aus den Quartieren ver­drängt werden. Erst das neue kantonale Polizeigesetz mit den Bestimmungen über die Wegweisung und Fernhaltung von Personen hatte die Grundlage für die nachhaltige Bekämpfung des Straßendeals geliefert. Zunächst waren täglich 75 bis 80 Beamte im Einsatz, heute sind es noch 12. In zwölf Monaten wurden 3103 Festnahmen von 2001 Personen verzeichnet. 460 Personen wurden zweimal angehalten, 642 mehr als zwei­mal. Von den Festnahmen betrafen 2634 Asylbewerber (85%!). Die von der Polizei eingezogenen Vermö­genswerte beliefen sich auf 331 000 Franken. Überdies wurden 260 Mobiltelefone sowie 8,5 Kilo Heroin und Kokain im Handelswert von 425 000 Franken sichergestellt.

20.1.99: Die Arbeitsgemeinschaft für risikoarmen Umgang mit Drogen (Arud) kann in Zürich einen Fünftel mehr Heroinplätze anbieten. Einen entsprechenden Antrag hat der Bund bewilligt. Eine Erweiterung von 30 auf 39 Plätze wurde in Winterthur gutgeheißen. Die Höchstzahl beim Heroinverschreibungsprojekt in Horgen beträgt unverändert 30 Drogenabhängige. Das angekündigte neue Projekt im Zürcher Oberland (25 Plätze) ist bis zum politischen Entscheid über ein Referendum gegen die kontrollierte Heroinabgabe zurückgestellt wor­den. Das Zürcher Sozialdepartement bietet heute in seinen Polikliniken insgesamt 140 Plätze an.

28.1.99: In der Stadt Winterthur haben Kantons- und Stadtpolizei ihren Einsatz gegen die Drogenszene im vergangenen Jahr verstärkt. Gemäß Kriminalstatistik 1998 wurden insgesamt 1963 Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz registriert ('97: 1806). Im Zusammenhang mit Drogendelikten wurden 377 Personen festgenommen. Mit Hilfe von Ausgrenzungen konnten illegal eingereiste Ausländer und Asylsuchende fast ganz aus der Winterthurer Händlerszene verbannt werden. Ergebnisse jüngster Polizeiaktionen deuten darauf hin, daß nach wie vor viele illegal eingereiste ausländische Drogenhändler in der Stadt verkehren. So wurden bei einer Razzia in diesem Januar 16 Albaner festgenommen.

21.5.99: Das Winterthurer Departement für Soziales kommt in seinem Zwischenbericht zum Schluß, daß sich die Heroinverschreibung bewährt habe. Seit Beginn der Heroinverschreibung im Jahre 1995 seien in Winter­thur 51 Schwerstabhängige ins Heroinverschreibungsprogramm «IKARUS» aufgenommen worden. Von 16 inzwischen wieder ausgetretenen Personen hätten 9 ins Methadonprogramm gewechselt, und 5 Personen unterzögen sich einem Entzug mit Therapie und lebten heute drogenfrei.

8.3.00: Die Drogendelegation des Zürcher Stadtrates beschließt, eine mobile Eingreiftruppe in Parkanlagen einzusetzen. Diese soll jegliche Ansätze von Drogenszenen sowie den übermäßigen Konsum von Alkohol in der Öffentlichkeit bekämpfen. Die Leute sind unbewaffnet, stehen jedoch in engem Kontakt mit der Polizei.

1.5.00: In Burgdorf wird eine Heroinabgabestelle mit 30 Programmplätzen eröffnet. Sie wird analog zu beste­henden Zentren in Bern, Thun und Biel geführt. 25 Interessenten, fast alle aus Burgdorf, haben sich bereits gemeldet. Über ihre Beteiligung entscheidet der Kantonsarzt.

1.7.00: In Chur wird in der Nähe des Bahnhofs das Ambulatorium für die heroingestützte Behandlung von maximal 30 schwerst Abhängigen eröffnet. Die ersten drei Jahre sind hauptsächlich durch das BAG finanziert. Aus der Bevölkerung gab es kaum Reaktionen zum Projekt oder zum Standort.

12.10.00: Der Zürcher Stadtrat ist der Ansicht, daß die bisherigen Erfahrungen mit dem «Maßnahmenplan zum Ausbau der Suchtprävention in der Stadt Zürich» ausgesprochen positiv seien, weshalb er für eine Ver­längerung der Pilotphase eintritt. Er beantragt dem Gemeinderat, dafür einen zusätzlichen Kredit von 345 000 Franken zu bewilligen und eine definitive Evaluation Ende Schuljahr 2001/02 vorzunehmen. Ziel des Pro­gramms ist es, in Schulhäusern Kompetenzen auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung und der Suchtprä­vention aufzubauen, indem Lehrkräfte am Pestalozzianum dafür gezielt ausgebildet werden. Mit einem zwei­ten Schwerpunkt wird versucht, die Zusammenarbeit von Eltern und Schule zu verbessern. Dritter Schwer­punkt ist die Theaterarbeit, und zwar aus der Erkenntnis heraus, daß Theaterspielen bei der Förderung wich­tiger suchtpräventiver Schutzfaktoren wie Selbstwahrnehmung, gutes Körpergefühl, Beziehungsfähigkeit, Durchsetzungsfähigkeit oder Selbstsicherheit eine wesentliche Rolle spielen kann.

13.2.01: Auf dem Gebiet der Stadt Zürich hat die Polizei im letzten Jahr deutlich mehr synthetische Drogen wie LSD und Ecstasy sichergestellt. Bei der Beschlagnahme herkömmlicher Drogen wie Heroin und Kokain wurde ein Rückgang verzeichnet. Die stadträtliche Drogendelegation zieht eine positive Zwischen­bilanz, was die Verhinderung von neuen offenen Szenen und die Prävention angeht. Während im Jahr 2000 gemäß Angaben der stadträtlichen Drogendelegation im Vorjahresvergleich deutlicher weniger herkömmliche Drogen wie Heroin und Kokain sichergestellt wurden, stieß die Polizei auf markant größere Mengen an Ecstasy und LSD. Beschlagnahmt wurden auf dem Stadt­gebiet 17 417 LSD-Portionen (Vorjahr 778) und 11 874 Ecstasy-Tabletten (5139). Die Menge des sichergestellten Heroins sank dagegen von 109 auf 68 Kilogramm, diejenige des Kokains von 29 auf 18 Kilogramm. Zudem wurden an Cannabisprodukten im Jahr 2000 345 Kilogramm (225) sicherge­stellt und an Amphetaminen, inklusive Thaipillen, 0,7 Kilogramm (0,6).

19.3.01: Zürich hat seit der Schließung des Bahnhofareals Letten am 14./15.2.95 für Drogenkonsumenten an Anziehungskraft eingebüßt. Strikte Polizeikontrollen und die konsequente Heimschaffung von auswärtigen Süchtigen durch das Rückführungszentrum vergällen Süchtigen den Konsum von Drogen in der Stadt. Um Auswärtige nicht wieder anzulocken, stehen viele städtische Hilfsangebote nur Einwohnern von Zürich offen.


Einweisungen VRZ total ca.
Drogenkonsumenten aus der Stadt Zürich
1994
3'000
25%
1995
6'500
44%
1996
4'500
51%
1997
4'000
55%
1998
2'800
56%
1999
2'200
56%
2000
1'700
55%

14.6.01: Die Legislative der Stadt Bern bewilligt mit 58 Ja- gegen 9 Nein-Stimmen (der SVP) den Sanierungs­kredit von Fr. 950'000.- für die zweite Anlaufstelle mit Injektionsraum. Der Rückweisungsantrag der SVP-Frak­tion war chancenlos geblieben.

05.09.01: Der Zürcher Stadtrat paßt seine Drogenpolitik in diesem Herbst den veränderten Konsumverhalten an: In zwei Gassenzimmern werden Räume eingerichtet, in denen Drogensüchtige Heroin, Freebase, Kokain und Crack auch rauchen oder schnupfen können, und an Technopartys werden Pillentests angeboten. Diese Pilotversuche laufen bis nächsten Frühling. Dann wird entschieden, ob diese Maßnahmen weitergeführt wer­den. Der intravenöse Drogenkonsum sei übrigens im Abnehmen begriffen.

2.12.01: Die Stimmenden der Stadt Schaffhausen haben bei einer Stimmbeteiligung von 59% mit 6'301 Ja gegen 5'489 Nein ein Projekt zur ärztlich kontrollierten Heroinverschreibung genehmigt. Es wird mit jährlichen Kosten von rund 250'000 Franken gerechnet.






[1] Der Autor ist unter anderem wissenschaftlicher Sekretär der KDS und des NDA
[2] Finanzintermediäre sind die Banken, die Fondsleitungen, die Versicherungseinrichtungen, die Effektenhändler und auch Personen, die berufsmässig fremde Vermögenswerte annehmen, aufbewahren oder helfen, sie anzulegen oder zu übertragen.