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Dienstag, 24. Mai 2011

Emanzipation: Welche Männer wollen wir? (3)




Gedanken zur Emanzipation des Mannes

Der „typische Mann“ ist wenig zuhause. Und wenn, dann ist er nicht wirklich „da“ – weder für seine Partnerin, noch für seine Kinder, noch für sich selbst. Viele Söhne wachsen ohne ihre Väter auf, obschon sie welche hätten. Wenige Söhne haben reife, starke und wegweisende Vorbilder oder Begleiter in ihren Erzeugern. Wie sollen diese Söhne je eine integrierte, ausgewogene männliche Identität entwickeln, zu guten Männern heranreifen können?

Viele Frauen tragen dieses Bild des abwesenden Patriarchen, Vaters und Mannes von Kindsbeinen an in sich. Deswegen glauben sie, das sei „normal“, so seien eben „die Männer“. Umgekehrt neigen zu viele Männer auch heute noch zum Verachten und zum Unterdrücken von Gefühlen – seien es ihre eigenen oder die Gefühle anderer. Gefühle werden oft bloß noch mißbraucht und manipulativ gespielt, um die Frau ins Bett zu kriegen. Diese Strategie ist verführerisch einfach: „Spalte ab, was Dich beunruhigt oder stört. Dann spürst Du nicht mehr den Schmerz Deines nirgends wirklich ein­gebetteten Seins“.

Wenn der grandiose Patriarch oder Macho zuhause ist, ist er meist übermüdet, gereizt oder depres­siv – er arbeitet ja so unsäglich viel für die Familie, der Arme! Für echte, wahrhaft tiefe und liebe­volle Bezogenheit hat er keine Energie mehr übrig. Seine inneren weiblichen Anteile, seine Anima, läßt er verkümmern und vertrocknen – genau so wie seine Beziehung zu seiner Partnerin. Das Sanfte, Zarte und Verletzliche muß er deshalb in sich selbst, in anderen Frauen und vor allem in anderen Männern abwerten und erniedrigen. Denn sonst würde er unter der erdrückenden Last sei­ner bisher nicht geleisteten Emanzipation, unter seinen seelischen Schmerzen und unter der Einsicht in seine Mängel zusammenbrechen. Und viele brechen ja auch zusammen.

Gefühlskalt berechnende, unechte Autonomie und aggressives Durchsetzen wollen sind Patriarchen und Machos wichtiger als echte, fürsorgliche und liebevolle Kooperation. Dabei kann Aggression raffiniert versteckt, subtil, perfid, ja sogar zum Schein charmant daherkommen! Das halten immer noch viel zu viele Frauen (und Männer natürlich erst recht!) für normal und für „männlich“ – und genau deshalb „funktioniert“ es ja auch. Ihr „inneres schwaches Mädchen“ (M. Storch) streckt hoffnungsvoll die dünnen Ärmchen aus, hin zum vermeintlich starken „patriarchalen Animus“ (C. G. Jung).

Der innere Patriarch hat durchaus auch gute Seiten – aber nur für die sich wirklich emanzipierende Frau, die ihn in sich spürt. Er leitet sie vom schwachen Mädchen zur starken Frau, lehrt sie, ihre ureigensten Interessen wahrzunehmen und durchzusetzen. Er lehrt sie das Abgrenzen, das mutige Vorstoßen in für sie neue Gebiete des Fühlens, des Denkens, des Wissen und des Tuns, er fordert sie auf zum tapferen Vertreten eigener Meinungen und Haltungen. Allein schon deshalb wird die sich tatsächlich emanzipierende Frau vielen Männern unbequem bis unheimlich, sie beginnen an ihr herumzumäkeln, beklagen ihre „neue Kälte“ und was des Gejammers zutiefst verunsicherter Machos mehr ist. 

Natürlich kann es die sich entwickelnde starke Frau auch übertreiben. Dann wird sie selbst zu dem, was sie an Patriarchen und Machos so sehr haßt: starrköpfig, machtbesessen, herrschsüchtig, kalt berechnend. Das ist die Perversion der Emanzipation der Frau, die damit von ihren „Gegnern“ das Verachten alles Weiblichen übernommen hat. Das Umgekehrte gilt auch für den Mann: Wenn er es übertreibt mit seiner Emanzipation, mit der Entwicklung seiner Anima, verkommt er zum flauschi­gen Softie, zum jammervollen Weichei, zu einer Karikatur des Mannes. Das ist für alle Beteiligten bloß noch peinlich.

Ich wünsche uns allen, daß wir den Weg der Selbstwerdung zu gehen wagen. Diesen Weg hin zu liebesfähigen, leidensfähigen und starken Männern und Frauen, die das werden , was sie sein sollen.

Emanzipation des Mannes.doc/8. Juli 2005 / Christian Buschan