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Samstag, 25. Dezember 2010

Zum Jahres-Unwort „Wutbürger“ wie auch rückblickend zu den Themen PID und Ethik

Aus dem Weihnachts-Mail von Prof. Dr. Kohlhof 

Aus einem Mail  vom 21.12.10
Prof. Joachim Kohlhof




(…) Das kürzlich von der Deutschen Gesellschaft zur Spracherhaltung gekürte Jahresunwort "Wutbürger" spiegelt meines Erachtens sehr deutlich den Zustand unserer Gesellschaft wider. Die Bürger werden nicht mehr gehört oder verstanden, weil die Vernetzung zwischen Gewählten und Wählern, zwischen Managern und arbeitender Bevölkerung, zwischen kirchlichen Würdenträgern und Gläubigen, zwischen Informanten und Informierten, zwischen Wissensvermittlern und Wissbegierigen nur eine Einbahnstraße ist, von denen nicht beide Seiten profitieren, sondern meist nur die Inhaber der jeweiligen Vorteilsposition. "Wutbürger" zu sein, spiegelt die Selbstreflexion unserer Gesellschaft wider und sie tut uns solange noch nicht weh, solange die Pflastersteine dort bleiben, wo sie hingehören.

Besser fände ich für uns das Wort "Mutbürger". Nicht gegen jeden und alles zu sein, ist fortschrittsdenkend, sondern eher das Bekenntnis zur Besserung anstandsgerechten Verhaltens, zur Rückgewinnung von Vertrauen, Selbstverpflichtung und Eigenverantwortung. Der dadurch gesicherte Erfolg steht allen zugute und nicht nur einer kleinen Renegaten-
Clique, die aus der Geschichte offenbar noch nichts gelernt zu haben scheint.

In allen Feldern unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens entdecke ich nur noch schwarze Löcher, aus denen offenbar kein Entrinnen mehr möglich ist. Der Missbrauch in den Kirchen wird auf die Zeit der 60iger-70iger Jahre festgemacht; also einem Zeitraum der die strafrechtliche Verfolgung nicht weiter thematisieren muss. Als wenn sexuelle Übergriffe und Missbrauchstaten zölibatärer Priesterschaft lediglich auf wenige Jahre dieses Jahrhunderts reduzierbar sind.. Aber wenn die "alleinseligmachende" Kirche nicht selbst Buße tun will, um wieviel schwerer wiegt der Mangel an Glaubwürdigkeit, die Bußsakramente ihrer Glaubenslehre auch tatsächlich und effektiv zu vermitteln.

Die gleiche Heuchelei findet zur Zeit im Umgang mit der Präimplantations-Diagnostik statt, in der einige politische Kader ihre moralische Position entdeckt zu haben scheinen, indem sie die PID zwar generell ablehnen, aber in speziellen Ausnahmefällen die Verantwortung einer Ethikkommission übertragen wollen, wenn Elternpaare zu erwarten haben, dass die Geburt eines im Reagenzglas getesteten Embryos möglicherweise mit bleibenden Schäden zu rechnen hat, sofern es dann von der Mutter ausgetragen wird. Diese Haltung ist unerträglich und es wundert, dass so viele Frauen in politischer Verantwortung diesem unseligen Treiben tatenlos zu sehen. Ihnen ist offenbar mehr daran gelegen, so zu tun, als wenn der PID durch die vorgezogenen Tests Tür und Tor geöffnet wird, um daraus Wunschkinder (Designerkinder) abzuleiten, zu denen in Deutschland sicherlich vor einigen Jahrzehnten eine gewisse Affinität bestand. Es ist doch ungleich problematischer für die Mutter und einer bereits implementierten Eizelle, wenn während der Schwangerschaft dann erlaubterweise getestet wird, ob das noch auszutragende Kind lebensfähig ist. Für Mutter und auszutragendem Kind ist die Gefahr einer dann legalen Abtreibung viel höher, als wenn dies bereits im Vorfeld einer PID geschieht. Vielleicht haben wir immer noch ein gestörtes Verhältnis zum menschlichen Leben und goutieren unser Verhalten mit der seltsamen Einlassung, die PID wäre ein Eingriff in den göttlichen Schöpfungsakt. Was für eine Blasphemie angesichts der täglichen Torpedos, die tatsächlich den göttlichen Wirkungskreislauf verletzen oder ihn total zerstören. 

Wenn die Ethik wirklich Einfluss nehmen kann, durch bindende Entscheidungen, würden sich im gesellschaftlichen, beruflichen und kirchlichen Umfeld die erschütternden Exzesse sicherlich reduzieren. Aber auch in diesen sog. Ethikkommissionen finden stramme Parteisoldaten ihre moralische Tinktur, aus der sie jeweils die geeignete  Farbe wechseln können, wie andere Menschen ihre Hemden.

Ich bin am Ende eines bewegten Jahres immer noch verwundert, wie leichtfertig der Umgang mit der Ethik genommen wird. In unserer Beliebigkeitsgesellschaft wird sie schnell in das Kleid der Nachhaltigkeit gesteckt, über die allenthalben Foren, Seminare, Konferenzen abgehalten werden, die in nahezu allen Fällen wenig bewirken und nur dazu dienen, sich den Anschein um Besserung der Welt zu geben.

Wir werden die Welt nicht verändern, aber es macht uns Mut - deshalb „Mutbürger“ - ein treues Bekenntnis abzugeben, woran wir glauben und auch dann immer noch einen Baum zu pflanzen, wenn morgen die Welt unterzugehen droht. Nicht Wut gegen die Herrschenden erscheint  das Signal für die Zukunft zu sein, sondern der Mut zu einem Bekenntnis für ein menschengerechteres Zusammenleben. Die salbungsvollen Reden zu Weihnachten und am Ende eines turbulenten Jahres, an dem immer nur die "Anderen" Federn lassen mussten, besinnen sich die Mächtigen der Staaten, wofür sie eigentlich angetreten sind und wofür ihnen Vertrauen und damit der persönliche Geldsegen ermöglicht wird.. Leider ist die Verfallzeit ihrer Reden und Worte so rasch vergangen wie das ausgesprochene Wort selber, so dass sie sich bei ihrem nächsten Statement schon nicht mehr daran erinnern können, was sie vor wenigen Minuten andernorts gesagt haben. Die Verantwortung ist eben ein flüchtiges Gut, das im Wertschätzungskatalog der Machtbewussten keinen dauerhaften (nachhaltigen) Platz gefunden hat.  

Finden wir zu Weihnachten mehr als nur tröstliche Stimmung. Es kommt auf das Kind an und sonst nichts anderes. Alles an diesem Fest lebt davon, welche Mitte wir wählen und stirbt oder wird zur Illusion, wenn wir dieses Zentrum der Heiligen Nacht nicht ansteuern oder gar aus dem Auge verlieren.

(...)

Dienstag, 21. Dezember 2010

Sinn-Dimensionen wirksamer Führung

Christian Buschan MSc
Mitbegründer der
VITAO ALPEN AKADEMIE




Wirksamkeit ist ein zentrales Kriterium für gutes Management. Manager erbringen Resultate mit und durch andere Menschen, die nicht nur Arbeit, sondern auch Sinn suchen. Viktor Frankl, der Entdecker von Logotherapie und Existenzanalyse, sagt, „dass es nicht am konkreten Beruf als solchem, sondern jeweils an uns liegt, ob jenes Persönliche und Spezifische, das die Einzigartigkeit unserer Existenz ausmacht, in der Arbeit zur Geltung kommt und so das Leben sinnvoll macht oder nicht“. In der Arbeit geht es um mehr als um Ein­kommen und das Erfüllen einer Aufgabe, es geht auch darum, dem Leben Bedeutung zu geben, Werte einzubringen und Sinn verwirkli­chen zu können. Wirksame Führung bezieht diese Dimen­sion mit ein.

Mehr und mehr wird die Gültigkeit von Frankls Motivationslehre auch in Kreisen des Managements und der Unternehmensberatung erkannt. Den wirtschaftenden Menschen bewegen nicht bloß Geld, Anerkennung, Einfluß oder Spaß an der Arbeit. Dies alles ist nicht nur verlierbar, unwirksam bei „rauem Wind“, sondern nutzt sich ab auch bei „Schönwetter“. „Eigentlich“, nämlich zutiefst, meint Frankl, „wird der Mensch anders motiviert. Er will etwas Sinnvolles tun.“

Wie können Führungskräfte dieses spezifische Sinnbedürfnis des Menschen ohne abzuheben in den berufli­chen Alltag einbringen und fruchtbar machen? Hierzu hat das „Malik Management Zen­trum St. Gallen“ sechs Grundsätze managerieller Wirksamkeit erarbeitet, die als pragmatische Einstel­lungen kein abstrakt-theoretisches System benötigen, sondern sich als unmittelbar anwendbar in der Praxis bewährt haben (s. weiter unten). Die Parallelen zu Frankl sind unübersehbar und für die Ken­ner der Logotherapie ebenso interessant wie erfreulich:

-       Was wir „Management“ nennen, ist „männlich“ dominiert
-       Gutes Management ist wirksam, egal, ob mehr oder weniger
-       Auch gute Manager suchen und lieben nicht primär Sinn, sondern Wirksamkeit
-       Manager sind in erster Linie Macher, nicht Philosophen oder Sinnsuchende
-       Doch heute sucht man auch im Management immer mehr nach Sinn
-       Führungskräfte müssen den Mitarbeitenden Sinn in der Arbeit vermitteln können!
-       Gutes Management hat viele Berührungspunkte mit Frankls Sinn- und Motivationskonzept
-       „Wie werde ich heute wirksam?“ lautet die typische, allmorgendliche Managerfrage
-       Management stellt das Funktionieren und das Überleben der Organisation sicher
-       Die Führungskräfte sind verantwortlich für das Überleben der Organisation
-       Von außen können Einzelne dies alles längst nicht mehr überschauen oder verstehen
-       Heikle Grundfrage: Wie sinnvoll ist das Ganze denn überhaupt noch? Was soll dies alles?
-       Alle erwarten Effizienz, wollen aber nicht wissen, was Wirksamkeit wirklich voraussetzt
-       Der Prozeß gegen Herrn Ackermann zeigt, dass die Sinndimension zu kurz kam
-       Im extrem neoliberalen Denken muss zuerst der Aktionär zufrieden gestellt werden
-       Doch kurzfristiger Gewinn kann unmöglich langfristig wirksam sein!
-       Langfristig erfolgreich sind nur Betriebe, die einen Zweck außerhalb ihrer selbst erfüllen
-       In diesen Betrieben ist das „Wozu?“ wichtiger als das „Wie?“ oder das „Für wen?“
-       Doch der Zweck einer Firma ist noch längst nicht ihr Sinn!
-       In jeder Firma oder Organisation wollen die Mitarbeitenden einen Sinn in ihrer Arbeit sehen
-       „Sinn“ steht in jedem Fall höher als „Zweck“ – aber wieso eigentlich?
-       Das Sinnorgan ist das (ethisch begründete) Gewissen, es stellt den Sinn über alles
-       Sinn- und Wertfragen zwingen zum Nachdenken über den Zweck einer Unternehmung
-       Wie tun wir das, was wir tun?“, das ist die sinnvolle Frage, die Frage voller Sinn!
-       Was zweckvoll ist, muss nicht zwingend auch schon sinnvoll sein!


Sechs Grundsätze wirksamer Führung

1. Resultate stehen im Zentrum!
Was habe ich erreicht? Resultate beweisen den Nutzen der Firma, der Organisation. Resultate motivieren und fördern das Selbstwertgefühl aller Beteiligten. Input reicht nicht, am Output werden Erfolg und Nutzen gemessen. Sinn liegt in dem, was wir für andere tun.

2. Einen Beitrag zum Ganzen leisten
Sich nicht in Teilen verlieren – Sinn durch Ganzheitlichkeit! Sich in den Dienst einer Sache stellen, die grö­ßer ist als ich oder wir selbst. „Pflicht“ kommt von „pflegen“! Es kommt darauf an, das zu tun, wozu ich verpflichtet bin oder wozu wir verpflichtet sind (nach Immanuel Kant). Ich persönlich sorge dafür, dass dies oder jenes (nicht) geschieht, bloße „Neigung“ dazu genügt nicht! „Stimmig­keit“ und „Rundheit“ des Ganzen ist wichtig.

3. Konzentration auf Weniges und Wesentliches
Permanente und konsequente Unterscheidung des Wesentlichen vom Unwesentlichen. Das Wesentliche und das Sinnvolle kommen zuerst. Was macht wirklich Sinn? Mut zur Lücke haben! Klares Fokussieren ist die Grundlage nachhaltiger Wirksamkeit. Der Sinn der Firma, der Organisa­tion oder des Lebens muss erfüllt werden, sonst droht Versagen.

4. Vorhandene Stärken nutzen
In unserer Kultur schauen fast alle immer nur auf die Schwächen, auf die Mängel und Lücken (z.B. in der Erziehung, in der Lehre, in der Arbeit). Die Stärken der Mitarbeitenden herausschälen und stärken, sonst droht der Tod des Unternehmens. Die Einzigartigkeit des Individuums muss ent­deckt, gefördert und genutzt werden – zum Wohle aller Beteiligten. Unvollkommenheit ist eine Entwicklungschance!

5. Vertrauen
Gegenseitiges Vertrauen ist die Basis aller Wirksamkeit, doch keine „Kuschelmentalität“! Nur robu­ste und stabile Beziehungen tragen in und durch Krisen. Auch hier geht es nicht zuerst um Sym­pathie, sondern um Resultate! Vertrauensvolle Vorbilder dieser Art schaffen Sinn und werden von allen Beteiligten honoriert.

6. Positiv und konstruktiv denken
Oft bleibt nichts anderes übrig, als mir die Motivation in mir selbst und aus mir selbst zu schaffen und zu schöpfen. Energie muss aus mir selbst kommen! Manager müssen gute Chancen erkennen können. Und sie müssen wissen, wozu sie tun, was sie tun. Und sie müssen tun, was getan wer­den muss. Wir dürfen nicht „auf die Welt warten“! Ein schlimmer Schicksalsschlag kann zum Sprungbrett für eine neue Freiheit werden! Das ist eine Anwendung der Franklschen „Trotzmacht des Geistes“, man muss Sinn auch sehen wollen!

Fazit:

-       Resultat-Orientierung ist der Knackpunkt; die Verantwortung dafür tragen die Manager
-       Deswegen muss Verantwortungsethik gleichwertig neben Handlungsethik treten
-       Sinn muss nicht nur gesucht, sondern vor allem verwirklicht werden!
-       Sinn im Scheitern zu finden ist das Schwerste für Manager (logotherapeutisch gesprochen: Einstellungsmodulation nach dem Scheitern ist das Schwerste für Manager)
-       Gewinne zu machen ist nicht der primäre Zweck des Unternehmens. Aber ohne Gewinne geht jedes Unternehmen zu Grunde. Wir leben ja auch nicht, um zu atmen; sondern wir atmen, um leben zu können
-       Manager tun das, wovon sie etwas haben, das ist ihre Philosophie. Doch vom Sinnvollen haben alle am meisten!

Christian Buschan MSc
Diplomierter Logotherapeut und Existenzanalytiker NDS HF
Altkatholischer Seelsorger am Flughafenpfarramt Zürich-Kloten

Mittwoch, 1. Dezember 2010

WIKILEAK Veröffentlichung

Mail vom 01.12.2010
Prof. Joachim Kohlhof 





Aus einem Mail vom 01.12.2010
(...) Die Ankündigung von Wikileak, die Geschäftspraktiken einer Großbank der USA unter ethischen und geschäftlichen Prämissen aufzudecken, zeigt einmal mehr, mit welchen Monstern wir auf den Finanzmärkten leben müssen und wie weit die Ethik von diesen Unternehmen entfernt ist. Mich wundert es daher nicht, dass die von mir als dringlich angebotenen Seminare für Bankenethik nicht besucht werden, weil das Management global wirkender Banken nichts mehr fürchtet, als die Aufdeckung ihrer unethischen und damit verantwortungslosen und menschenverachtenden Bankpraxis.

Nichts anderes findet zur Zeit auch bei der HSH Bank in Hamburg und in vielen anderen Geldinstituten in Deutschland und weltweit statt. Der Gründer von Wikileak wird nunmehr per Interpol gesucht. Werden eines Tages wohl alle Leute, die Offenheit, Transparenz, Ethik und ihre Konsequenzen in der Wirtschaft anmahnen ebenfalls per Steckbrief gesucht?

Die Wahrheit ist eben nur für wenige zu ertragen. Schade nur, dass viele politische Gauner, die ständig die Nachhaltigkeit und die Ethik in den Mund nehmen, genau diejenigen sind, die am lautesten nach Verhinderung der wahrheitsgemäßen Informationen rufen. Ein klassisches Exemplar, wie verlogen Politik und Wirtschaft unserer Welt sind. Man will sich offensichtlich nicht der wahren Verantwortung stellen. Für mich (und für Dich) ist es daher noch ein langer Weg, die Welt zum Besseren zu verändern. Hier ist unser Weg das Ziel. Wir dürfen es nicht aus dem Auge verlieren.

(...)

Mittwoch, 24. November 2010

Die Banken auf dem "Irr-Land-Weg"

Mail vom 23.11.2010
Prof. Joachim Kohlhof an
David McLion






Lieber David,

Ich bin soeben aus den Niederlanden von einer ähnlichen Veranstaltung wie bei Lassalle zurückgekehrt. Schwerpunkt war das mangelnde (unethische) Verhalten und Unverständnis vieler deutscher Banken, die in Irland, Portugal und Spanien engagiert sind und mit ihren zinslosen Giroeinlagen ihrer Geldanleger hochverzinsliche und risikoreiche Schuldverschreibungen des irischen Staates gekauft haben, den hohen Zinsgewinn mitgenommen haben und nun nach dem irischen Kollabs nach der Rettung durch die EU, sprich Deutschland rufen, damit die einmal eingeheimsten Zinsgewinne nicht infrage gestellt werden. 

Die Banken wollen zwar ihre  Gewinne gerade wegen der hohen Länderrrisiken behalten, aber die Rettung soll bitte der Steuerzahler, insbesondere in Deutsch-land bezahlen. Eine fürwahr unethische Bankenpraxis. Die meisten Banken haben offenbar noch nicht gelernt, dass sie am Finanzchaos dieser Welt maßgeblich mitbeteiligt sind, ja sogar ihre Urheber sind und dass am Ende der Kollabs uns alle treffen wird. Das ist das, was ich sagte zum Thema "der internationale Finanzmarkt als freies Gut". Wir brauchen eine Bankenethik, die wieder eine Symmetrie herstellt zwischen den notwendigen bankseitigen Handlungsfeldern und ihrer menschen-gerechten Verantwortung zum Erhalt eines lebenswerten Daseins. Hierzu wird Dein Projekt VITAO wichtige Weichen stellen.

Ich wünsche Dir bei deiner bewundernswerten Arbeit den erhofften Erfolg.
Belächeln, Bespotten, Ignorieren, Beobachten, Beachten, Bewundern.“ In dieser Sequenz gewinnt auch die Ethik ihre Hochachtung. Man muss nur lange und überzeugend daran arbeiten.

Beste Grüße

Joachim  

Montag, 22. November 2010

(08) SR DRS - Beitrag C. Buschan




"ZEITREISE" 21.11.2010

Im April 1977 wird der deutsche Generalbundesanwalt Siegfried Buback von einem Motorrad aus in seinem Dienstwagen erschossen. Auch sein Fahrer und ein Leibwächter sterben im Kugelhagel. Seit Oktober dieses Jahres steht die ehemalige RAF-Terroristin Verena Becker in Stuttgart-Stammheim vor Gericht. Michael Buback, der Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts, will nachweisen, dass Verena Becker auf seinen Vater geschossen hat.
Der Arm der RAF reichte sogar bis in die Schweiz. Die Waffe, mit der auf Buback geschossen wurde stammte aus der Schweiz. Und zwei RAF-Terroristen wurden in der Schweiz verhaftet und inhaftiert. Ein früherer Kantonspolizist (Christian Buschan) erinnert sich an diese auch in der Schweiz bewegte Zeit.

Link zum gekürzten Beitrag auf dem BLOG von Christian Buschan
Link zur gesamten Sendung
Link zum Podcast der gesamten Sendung

Sonntag, 21. November 2010

Gewaltsignale unserer Zeit (07)

Christian Buschan MSc
Mitbegründer der
VITAO ALPEN AKADEMIE
Artikelserie
Sinnlehre gegen Sinnleere!

Wir ließen und lassen es weiter zu, dass die Achtung vor gültigen gesellschaftlichen Normen und Werten sowie auch vor dem Gesetz in den Schmutz gezogen wird. Und wir nehmen hin, dass die individuelle Fähigkeit zur Übernahme von (Selbst-) Verantwortung schleichend abgebaut wird. Wir fördern mit unserem am Konsum und am Haben orientierten Lebensstil eine immer mehr Sinnlosigkeit produzierende Gesellschaft. Zu viele tragen stumpfsinnig billigend, gleichgültig fahrlässig oder sogar primitiv vorsätzlich zu dieser unheilvollen Entwicklung bei. Kurz und frei nach Erich Fromm: Es ist an der Zeit, vom Haben zum Sein zu wechseln.

Die Psychotherapie weiß, wie sehr auch junge Menschen nach einem Lebenssinn suchen, nach freiwilliger Hingabe an eine Aufgabe, die ihnen auf den Leib – um nicht zu sagen auf die Seele – geschnitten ist. Und die Logotherapie weiß ganz besonders, wie viel Aggressivität und Gewalttätigkeit sich abbauen ließe, wenn Jugendliche einen persönlichen und konkreten Sinn in ihrem Leben zu finden vermöchten. Helfen wir ihnen doch endlich dabei, Eigensinn durch eigenen Sinn zu ersetzen!

Den legeren Umgang mit Gewalt, Sicherheit und Verantwortung müssen wir uns definitiv abschminken. Wir alle müssen Verantwortung wieder häufiger, konkreter und dezidierter auch in unserem persönlichen Umfeld wahrnehmen. Und damit meine ich vor allem und zuerst, dass wir uns als Einzelpersonen, aber auch als Gruppe oder als ganze Gesellschaft endlich einen tüchtigen Ruck geben sollten und mutig das längst Notwendige nicht mehr nur weinerlich herbeireden, sondern endlich selber und gemeinsam mit anderen zumindest das unmittelbar Not-wendige tun! Es gibt mehr Gleichgesinnte als wir denken!

Zum Schluss zitiere ich das Glaubensbekenntnis der Gemeinschaft der Gebildeten (frei nach Dietrich Schwanitz):

"Ich glaube an Shakespeare und Goethe und an die kanonischen Werke, die da Anerkennung fanden im Himmel und auf Erden. Ich glaube an Vincent van Gogh, Gottes berufenen Porträtisten, geboren in Groot-Zundert bei Breda, gereift in Paris und Arles, verbrüdert und verkracht mit Gauguin, gelitten, verrückt geworden und Selbstmord begangen, aufgefahren gen Himmel, sitzend zur Rechten Gottes, von dannen er kommen wird, zu richten die Kenner und die Banausen. Ich glaube an die Kraft der Kultur, das ewige Leben der Genies, eine heilige Kirche der Kunst, die Gemeinschaft der Gebildeten und die zeitlosen Werte des Humanismus, in Ewigkeit Amen."

Dipl. Logotherapeut und Existenzanalytiker NDS HF
Pensionierter Polizeipsychologe APPS
Bühlhofstrasse 64 c, CH-8633 Wolfhausen
christian.buschan@bluewin.ch

Gewaltsignale unserer Zeit (06)

Christian Buschan MSc
Mitbegründer der
VITAO ALPEN AKADEMIE
Artikelserie
Was kann die Polizei tun?

Die Polizei muss noch wesentlich öfter als bisher aus ihren Büros und Streifenwagen herauskommen und echte Bürgernähe suchen. Informationen von Seiten der Bürgerinnen und Bürger soll die Polizei suchen, auswerten und einbeziehen. Auch scheinbar harmlose Regelverstöße soll sie konsequent aber fair verfolgen und nach Möglichkeit sofort ahnden oder ahnden lassen. Sie muss Partnerschaften vor allem mit sozialen und fürsorgerischen Einrichtungen eingehen, um die komplexen Probleme vernetzt und interdisziplinär angehen zu können. Die Öffentlichkeit muss von der Polizei regelmäßig, sachlich und offen über die wirkliche Lage im Land, in der Stadt und im Quartier orientiert werden, damit die Menschen die notwendigen – die Not wendenden! – Eingriffe der Polizei besser verstehen, akzeptieren und mittragen können.

Auf das Gemeinwesen bezogene Polizeiarbeit, also Community Policing, ist nicht nur zeitaufwendiger und personalintensiver als klassische Arbeitsformen. Sie erfordert auch mehr unmittelbare Härte gegen Straftäter sowie mehr Flexibilität im Umgang mit den anderen Akteuren. Resignierende, patriarchalische oder möchtegern-autoritäre Polizeiführungen schaffen diese Wende in der Polizeiarbeit nicht. Sie müssen deswegen von ihren politisch Vorgesetzten endlich ausgewechselt werden. Kluge, interdisziplinär denkende und handelnde Polizeibeamtinnen und -beamte sollen ihren breiten Erfahrungsschatz in alle relevanten Entscheidungsprozesse einbringen können. Demokratisches Mitwirken stärkt die Mitverantwortung aller für die Belange der Dienststelle und der Öffentlichkeit.

Die Gesellschaft und der Einzelne haben ein Recht auf Schutz vor Schädigung. Die Verursacher müssen für die von ihnen angerichteten Schäden zur Rechenschaft gezogen werden. Sicherheit, Ruhe und Ordnung sowie die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger müssen vom Staat und damit stellvertretend von der Polizei geschützt werden. Wenn die Gesellschaft das frühzeitige Eingreifen aus übersteigerter Bewertung der individuellen Freiheit unterlässt, werden ihr sehr bald die Ressourcen für die wirklichen Notfälle fehlen. Ein trunksüchtiger, prügelnder Familienvater muss lange bevor er seine Frau halb tot schlägt oder seine Tochter missbraucht aus dem Verkehr gezogen und behandelt werden!

Gewaltsignale unserer Zeit (05)

Christian Buschan MSc
Mitbegründer der
VITAO ALPEN AKADEMIE
Artikelserie
Ethik, Werte und Normen

Die letzten zwei Jahrzehnte haben fast alles in Frage gestellt und teilweise zielstrebig unterhöhlt: Ethik, Moral, Gesetze, Grenzen, Kulturen. Sowohl die am höchsten einzustufenden Einstellungswerte, als auch die schöpferischen und die (echten!) Erlebniswerte sind heute einem erschreckenden Zerfallsprozeß ausgesetzt. Selbst fundamentale Werte eines funktionierenden Gemeinwesens wie Solidarität, Hilfsbereitschaft und Uneigennützigkeit verlieren in der täglichen Realität Schritt für Schritt an Wert. Oberflächlichkeit und Beliebigkeit werden von vielen vor Stabilität, Verlässlichkeit und Dauerhaftigkeit gestellt.

In allen gesellschaftlichen Bereichen bestehen zunehmende Defizite an aktiver Vermittlung grundlegender ethischer Werte und Normen sowie an persönlichem Vorbild. Dieses halte ich für die eigentliche Bedrohung unserer Gesellschaft. Nicht die Freiheit von etwas scheint mir deshalb wichtig, sondern die Freiheit zu etwas, beispielsweise die Freiheit, sich für ein ethisch vertretbares Leben entscheiden zu können.

Ethik entstammt dem Bedürfnis nach Orientierung. Ethische Probleme ergeben sich beim Fragen nach tieferem Sinn, z.B. bei der Frage nach dem Sinn des eigenen Lebens. Konflikte zwischen dem Recht auf Entfaltung des Einzelnen und den Rechten der Gesellschaft sowie die Verteilungskonflikte, die wir heute haben, rufen nach Orientierung. Die Notwendigkeit von Einigkeit verlangt ebenfalls nach Ethik. Es geht bei der Ethik also nicht nur um grundlegende sittliche Werte und Normen wie die Ehrfurcht vor dem Leben, das Übernehmen von Verantwortung, niemandem schaden wollen, Hilfe in der Not leisten, Mitsprache, Gerechtigkeit und Ausgleich. Sondern es geht auch um Güter des Menschen, die ethisch bedeutsam sind wie beispielsweise das Leben, die Freiheit, die Wohlfahrt, die Sicherheit, die Menschenrechte und die Würde. Die Folgen der gegenwärtigen Normenkonflikte liegen auf der Hand: Es geht in erster Linie um die Beeinträchtigung der Rechte der Gesellschaft durch Gewaltanwendung aller Art bis hin zur Gefährdung des Rechtsstaates, durch Korruption, durch Ausgrenzung, Not und Verelendung von Minderheiten.

Grundlegende ethische Konflikte lassen sich zurückführen auf die Spannung zwischen der Autonomie des Einzelnen und dem Paternalismus, also der Suche der Gesellschaft nach Eingriff, nach obrigkeitlicher Hilfe. Es geht um die Freiheit des Einzelnen versus das Recht und die Pflicht des Staates zum Eingreifen. Die sozialen und finanziellen Folgekosten des Nichteingreifens oder Zuwartens liegen in aller Regel um das Vielfache höher als jene der frühzeitigen Intervention. Es geht also auch um den Schadenersatz an die Gesellschaft. Wie lange noch dulden wir, dass einzelne anderen kollektiven Schaden zufügen? Die Frage ist also nicht ob, sondern ab wann und wie weit die Gesellschaft den Einzelnen von der Schadenstiftung abhalten darf.

Heute dominiert die individuelle Selbstentfaltung. Ordnungsfaktoren wie Familie, Familienleben, Kirche, Erziehung und Schule zählen kaum noch, sie werden oft sogar belächelt. Das übersteigerte Bedürfnis nach Selbstverwirklichung und den Drang, alles und jedes um jeden Preis auszuprobieren, halte ich schlicht für zerstörerisch. Dabei stellt sich Selbstverwirklichung von selbst ein, wenn ein Mensch den tieferen Sinn seines Lebens erfüllt. Sobald Selbstverwirklichung jedoch selber als Lebenszweck verstanden und krampfhaft erzwungen werden soll, kann sie nur noch verfehlt werden. Die Logotherapie benützt das Ausmaß der eigenen Orientierung auf einen Lebenssinn sogar als Hauptkriterium für psychische Gesundheit! Ethische Werte wie Nächstenliebe, Pflichtbewusstsein und Dienstbereitschaft – ja die Ethik selbst – werden heute zunehmend in Zweifel gezogen, Laisser-faire und Beliebigkeit sind im Vormarsch. Viele jagen wie pickende Hühner dem Sinn des Lebens nach und geben sich nie mit dem Erreichten zufrieden. Mit dem Ergebnis, dass sie schließlich nichts in Händen halten und das wirkliche Leben an ihnen vorüberzieht.

Hedonismus, die Orientierung am Lustprinzip, ist in Mode. Gemeint ist das Streben nach und das Bewahren von positiven Zuständen. Dabei wird den kurzfristigen Erlebnissen mehr Bedeutung beigemessen als den langfristigen Folgen. Hedonismus bedingt Sorglosigkeit, diese wird selbst zum angestrebten Dauerzustand. Sorgfalt würde mindestens kurzfristig Aufwand bedeuten, deswegen wird sie gemieden. Sorglose Menschen ignorieren Informationen, die ihnen längst Sorgen machen müssten. Ihre Frühwarnsysteme sind ausgeschaltet, und sie sind kaum motiviert, bestehende Gefahren überhaupt wahrzunehmen. Sie bewahren sich vielmehr ihre unkritische gehobene Stimmung und wenden raffinierte Strategien an, um ihre Sorglosigkeit beibehalten zu können.

Die hedonistische Sofort-Mentalität ist die Geschäftsgrundlage für die vom Marketing künstlich beschleunigten Zyklen von Herstellung und Verbrauch. Ein regelrechtes Enthemmungsprogramm wird inszeniert, eine Abkehr vom alten Ideal des Aufschiebens und Abwartens. Selbstkontrolle war einmal das Merkmal persönlicher Reife! Das gilt für die wachsende Sphäre des Konsums nicht mehr. Wir dürfen und wir sollen wieder sein wie die Kinder: Lass es raus! Greif zu! Ins! Trink! Reise jetzt, bezahle später! Du darfst!

Besonders krass zeigt sich diese Haltung am antisozialen Verhalten zunehmend zahlreicherer Menschen im öffentlichen Raum: Schwindendes Unrechtsbewusstsein im Straßenverkehr als Ausdruck offener Aggression, Mauscheln und Betrügen als Lebensprinzip und Lebensgrundlage, primitive und einfältige Sprache als Ausdruck von Beliebigkeit und unscharfen oder behinderten Denkens. Besonders widerliche Indizien dieses Niedergangs sind Kotze, Spucke, Pisse und Scheiße überall. Sind dies vielleicht die letzten Zeichen der endgültig Gescheiterten? Das Verludern des Anstandes und der guten Sitten hat immerhin schon ganze Weltreiche aufgeweicht und letztlich zerstört...

Gewaltsignale unserer Zeit (04)

Christian Buschan MSc
Mitbegründer der
VITAO ALPEN AKADEMIE
Artikelserie 
Intolerante "Toleranz"

Scheinbar toleriertes Verhalten wie allgemeiner Vandalismus, mutwillige Ruhestörung, aggressives Betteln, öffentlicher Konsum legaler und illegaler Suchtmittel, alles begleitet und umrahmt von unbekümmertem Spucken, Kotzen, Pissen und Scheißen - dies alles fördert nicht nur das rapide Zersetzen von Anstand, Moral und Rechtssicherheit. Sondern es fördert vor allem die spätere Zunahme weiterer und schwererer Kriminalität. Übeltäter am Beginn ihrer Karriere zu stoppen ist wesentlich einfacher und billiger, als später Gewaltverbrecher festzunehmen und für teures Geld zu "resozialisieren"!

Es gilt mit aller Konsequenz zu verhindern, dass ordnungswidriger – auch optischer und akustischer! – Müll und Unrat überhaupt erst entsteht. Wo Müll, da Ratten! Alle Straftaten sind Straftaten und dürfen nicht leichtfertig hingenommen werden. Recht und Gesetz bieten genügend Spielraum für legales Aufbegehren und Verändern! Dem Terrorismus militanter Minderheiten muss endlich ein faires aber klares Ende gesetzt werden. Sonst greifen immer mehr Einzelne oder radikale Gruppen zu gefährlicher Selbstjustiz.

Typischerweise spricht man viel häufiger von "notwendiger Toleranz", als von zu verteidigenden Tugenden. Die häufig höchst intolerant geforderte Toleranz ist bei vielen Menschen im Grunde nichts weiter als ein mickriges Feigenblatt vor ihrem eigenen Mangel an Zivilcourage. Sie ist bei vielen bloß noch schlechte Tarnung für persönliche oder kollektive Feigheit, für Gleichgültigkeit oder Hilflosigkeit. Toleranz besteht ja nicht darin, dass man die Ansichten eines anderen einfach teilt. Sondernd darin, dass man ihm das Recht einräumt, anderer Ansicht zu sein. Toleranz wird jedoch korrumpiert, wenn man so weit geht, Intoleranz zu tolerieren. Wohin falsch verstandene "Toleranz" letztlich führt, können wir in unseren versauten Innenstädten täglich sehen.

Geforderte Toleranz ist für Renitente oft nichts weiter als ein raffiniert verstecktes, vorsätzliches Ritzen des Rechtsstaats. Aber wehe, wenn der Rechtsstaat selber das Recht ritzt – selten zwar und nur für kurze Zeit, indem er beispielsweise über Notstandsgesetze entschlossen Ordnung bei maroden Zuständen schafft! Respekt vor den gültigen Rechtsnormen hat nichts mit spießbürgerlich kleinlichem Denken zu tun, wie es von gewissen Kreisen bösartig oder mangels besserer Einsicht immer wieder behauptet wird. Dieser Respekt ist eine der tragenden Säulen sowohl des funktionierenden Rechts- als auch des Sozialstaates. Und genau diesen Respekt fordere ich auch für die Polizei, die diesen Rechtsstaat auf vollkommen legitime Weise repräsentiert und vertritt!

Gewaltsignale unserer Zeit (03)

Christian Buschan MSc
Mitbegründer der
VITAO ALPEN AKADEMIE
Artikelserie
Neid, Hass und Gewalt

Gewalt ist ein soziales Phänomen, eine Form des Handelns. Hass ist ein seelischer Zustand, der durch das Erleben eigener Schwäche entsteht. Schwäche beruht auf einem Ungleichgewicht zwischen den eigenen Bedürfnissen und den eigenen Kräften zu deren Befriedigung – das Ergebnis ist Frustration. Was kann man dagegen tun? Zweierlei: Entweder man stärkt alle seelischen, geistigen und körperlichen Kräfte umfassend, oder man verringert die Bedürfnisse massiv. Zur Gewalttätigkeit neigende Menschen haben beides nie wirklich gelernt. Sie sind in Wirklichkeit zu schwach und sie haben zu hohe Ansprüche – an andere, nur nicht an sich selbst! Das ist der Nährboden für den Neid, der wiederum zur Grundlage des Hasses werden kann.

Hass und Gewalt haben viel miteinander zu tun. Manchmal führt Hass zu Gewalt, manchmal führt Gewalt zu Hass. Und oft ist Hass die Folge der eigenen Ohnmacht, der Unfähigkeit, Gewalt mit Gewalt zu beantworten. Es gibt Gewalt ohne Hass: Das Gewaltmonopol der Polizei zum Beispiel müsste theoretisch emotionslos ausgeübt werden. Wer Polizist ist, weiß, wie unendlich schwer das oft ist. Und es gibt Hass ohne Gewalt: Psychosomatisch kranke Menschen, die alle Wut in sich hineinfressen, können ein Lied davon singen. Und es gibt schließlich jene Fälle, wo Hass bewußt erzeugt wird, um die Effizienz der Gewalt zu steigern. Ich denke an gewisse Demonstrationen, bei denen zum vornherein für alle klar ersichtlich ist, dass es nicht oder nur zum Schein um eine Sache geht, sondern schlicht um primitive Randale.

Hass zielt auf Vernichtung, meist nur in Gedanken, öfter aber auch in der Realität. Hass ist mörderisch, weil der Hassende sich oder das, womit er sich identifiziert, nicht nur durch konkrete Handlungen des anderen bedroht sieht, sondern bereits durch dessen bloße Existenz. Die Tiefenpsychologie lehrt uns: Wodurch wir uns bedroht fühlen, darin sehen wir die verdrängten Schatten unseres eigenen Wesens. Darum sind Hass und Selbsthass oft identisch. Und deswegen kann zwar Gewalt durch Gegengewalt besiegt werden – man denke an den so genannten finalen Rettungsschuss, nicht aber Hass durch Gewalt, Verachtung oder Gegenhass.

Die Überwindung des Hasses kann nur gelingen durch das Überwinden der Schwäche, aus welcher er entspringt. Und durch das Anerkennen der Ebenbürtigkeit des anderen selbst dort, wo er uns als Feind entgegentritt und bekämpft werden muss. Deshalb kann sportlicher Wettkampf selbst unter ebenbürtigen "Feinden" zur Minderung des Hasses beitragen. Sportlich gewinnen und verlieren können gilt damit zu Recht als eine Übung und Tugend, welche die Welt besänftigen kann. Zu Recht setzen bestimmte Gewaltpräventions-Programme beim gemeinsamen Ausüben einer Mannschaftssportart an. Es gibt bereits nächtliche Korbballturniere unter Jugendlichen und Polizisten!

Gewaltsignale unserer Zeit (02)

Christian Buschan MSc
Mitbegründer der
VITAO ALPEN AKADEMIE
Artikelserie
Jugendgerechter Jugendkult?

Immer mehr Kinder, Jugendliche und Erwachsene zeigen heute Auffälligkeiten, die stark an das psycho-organische Syndrom (POS) erinnern. Die Symptome der Betroffenen sind auch für Laien unübersehbar:

•  Ein Gefühl der Leistungsschwäche, häufig verbunden mit dem Gefühl, nie die Ziele zu erreichen – auch nicht die selbst gesteckten! Und dies unabhängig davon, wie viel man tatsächlich erreicht hat (gestörter oder fehlender Realitätsbezug).

•  Probleme mit der Organisation des Alltagslebens: Planungsmängel, Chaos, Schwierigkeiten mit dem Einhalten von Regeln, es mangelt an Pünktlichkeit, Gehorsam, Sorgfalt und Hygiene. Aufgaben werden vertrödelt oder gar nicht erledigt, zu viele gleichzeitig laufende Vorhaben, kaum etwas wird konsequent bis zum Ende durchgezogen (Schul- oder Lehrabbruch z.B.).

•  Die Neigung, auszusprechen, was einem gerade in den Sinn kommt, ohne Rücksicht darauf, ob man den richtigen Zeitpunkt oder die richtige Gelegenheit dafür gewählt hat (man denke an das unaufhörliche Handy-Geplapper und -gesimse ringsum!).

•  Mangelnde Toleranz gegenüber ruhigen, stillen "Leerzeiten", daher häufig hektische Jagd nach hochgradiger Stimulierung bis hin zu eindeutigem Suchtverhalten ("Kick" oder "Flash" muss her – um jeden Preis).

•  Ablenkbarkeit, Konzentrationsprobleme, die Neigung, mitten in der Lektüre eines Textes oder mitten in einem Gespräch abzuschalten. Das alles nicht selten verbunden mit der paradoxen Fähigkeit zu kurzer extremer Aufmerksamkeit (krasse Comics und Flyer, hektische Videoclips, Piktogramme statt ausführlichem Schrift- oder Bildgut).

•  Ungeduld, geringe Frustrationstoleranz, aufbrausendes Temperament, Impulsivität im Reden und Handeln: Impulsives Geldausgeben, Schnäppchenjagd, Ändern von Plänen (Last-Minute-Angebote), wahlloses
Herumprobieren, zielloses Wählen neuer Berufe.

•  Die Neigung, sich unaufhörlich unnötige bis geradezu lächerliche Sorgen zu machen. Mit Argusaugen wird Ausschau gehalten nach Anlässen zur Sorge, abwechselnd mit Blindheit oder Gleichgültigkeit gegenüber realen Gefahren (Bin ich "in", dünn oder schön genug? Essstörungen).

•  Chronisch angeschlagenes Selbstwertgefühl, unzutreffende Selbstbeurteilung. Innere Unsicherheit, Stimmungsschwankungen und Stimmungslabilität. Motorische und/oder innere Unruhe (unaufhörliches paradoxes Balzverhalten, "Gezappel", Suizidneigung).

•  In der Herkunftsfamilie gehäuftes Auftreten von POS, manisch-depressiver Erkrankung, Depression, Suchtverhalten (Tabak, Alkohol, Medikamente, illegale Drogen), Probleme mit der Impulskontrolle oder mit Stimmungen (wütende Gewaltausbrüche bereits wegen Nichtigkeiten, Vandalismus, Suizidgedanken).

Eine Ursache für diese Symptome liegt in der unbewussten Förderung des Narzissmus bei Kindern und Jugendlichen durch ihre Bezugspersonen. Eine auch hierzulande weit verbreitete psychologische Bewegung glaubt, dass es richtig sei, das Selbstwertgefühl der Heranwachsenden durch Lob nach Kräften zu fördern. Auf so genannt ”Destruktives” – vor allem auf klare Grenzen oder gar Kritik! – sei zu verzichten. Jedem Kind wird eingehämmert, es sei etwas ganz, ganz Spezielles, ja geradezu abgöttisch Einzigartiges.

Die Vermutung, dass es vom übersteigerten Selbstwertgefühl zum Narzissmus nur ein kleiner Schritt ist, wurde von mehreren Studien bestätigt. Es konnte nachgewiesen werden, dass narzisstische Personen vermehrt zur Aggression neigen, wenn sie kritisiert werden. Die permanent Gelobten fühlen selber, dass ihre gespielte Überlegenheit eine sehr brüchige ist. Übertrieben heftig reagieren sie deswegen auf das Infragestellen ihrer Person. Ein gefährlicher Nebenaspekt des unaufhörlich gelobt Werdens ist die Neigung, die Verantwortung für eigenes Fehlverhalten abzulehnen und andere zu beschuldigen. Unbeteiligte zu Opfern zu machen ist nicht nur sozial zersetzend, sondern fördert auch die Bereitschaft, Probleme gewaltsam lösen zu wollen.

Depressive Störungen haben in der Schweiz seit den fünfziger Jahren um das Zehnfache zugenommen. Ebenso dramatisch zugenommen haben die Selbstmordanfälligkeit, die Häufigkeit von Gewalttaten, die Suchtprobleme sowie die Anfälligkeit für zahlreiche neurotische Erkrankungen.

Selbstunsicherheit und Schüchternheit sind längst Zeitkrankheiten geworden, die auf die verhängnisvolle Überzeugung zurückgehen "Etwas stimmt nicht mit mir". Schamängste wurden zu einem neuen Volksleiden, welches besonders von Jugendlichen meist aggressiv überspielt wird. In der Schweiz hat die Suizidneigung besonders bei Jugendlichen stark zugenommen. Bei Männern zwischen 15 und 44 Jahren ist die Selbsttötung inzwischen zur häufigsten Todesursache geworden!