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Freitag, 12. August 2011

LINTHPARK-Akademie "Gesundheitsforum" (3)

Christian Buschan MSc
Mitbegründer der
VITAO ALPEN AKADEMIE
Artikelserie
"Salutogenese - was uns gesund macht und erhält"




Stressoren – 

die Stress erzeugenden Faktoren


Ein Stressor kann definiert werden als ein Faktor, der Entropie in ein System bringt. Unter Entropie verste­hen wir hier das Maß für den Grad der auf natürliche Weise ständig zunehmenden Unord­nung und Unge­wissheit in einem System. Entropie beschreibt gleich­zeitig den Grad der Nichtum­kehrbarkeit dieser Unord­nung. Entropie ist damit auch eine Lebenserfahrung, die gekennzeichnet ist durch Inkonsistenz (keinen Bestand habende, in sich selbst widersprüchliche Elemente), Unter‑ oder Überforderung und fehlende Teil­habe an Entscheidungsprozessen. Es gilt, drei Typen von Stressoren zu unterscheiden: Chroni­sche und zent­rale Lebensereignisse sowie die akuten tägli­chen Widrigkeiten. Dabei gilt es nicht zu vergessen, dass auch Nicht-Ereignisse (z.B. das Ausblei­ben einer Schwanger­schaft oder einer Beförderung) bedeutende Stressoren sein können.
In der Arbeitswelt interessiert oft primär das Ausmaß jener Arbeitsstressoren, welche das Berufs­leben nicht selten zur Vorhölle verkommen lassen: Hoher Arbeitsdruck, starke Kon­trolle durch Vorgesetzte, fehlende Autonomie und fehlende Klarheit. Im Gegensatz dazu muss aber immer auch das Ausmaß der Arbeitsres­sourcen abgeschätzt werden: Invol­viertheit in den Beruf, Zusam­menhalt unter Kolleginnen und Kollegen, Unterstützung durch Vorgesetzte.
Die salutogenetische Orientierung zwingt zur Konzentration auf das aktive Anpassen an die Umwelt, die mit Stressoren reichlich angefüllt ist. Ein hohes Ausmaß an Stressoren kann bei gleichzeitig hohem Maß an sozi­aler Unterstüt­zung sogar gesund­heitsfördernd sein (Nuckolls, Cassel, Kaplan 1972). So kann beispielsweise ein Schock sogar einen gesunden Einfluss auf den Organismus haben - vorausgesetzt, man kann ihm recht­zeitig entfliehen (Laudenslager et al 1983). Soziale Unterstützung wird hier wie ein Puffer ver­standen: Er vermindert auf Menschen gerechte Art und Weise die von den Stressoren ausgehenden Wirkungen auf ein erträgliches Maß. Damit verlang­samt soziale Unterstüt­zung ursächlich das Entstehen von Krankheit - oder sie ver­hindert Krankheiten unter Umständen sogar ganz! Die Hauptthese des salutogenetischen Modells ist, dass ein star­kes SOC entscheidend für erfolgreiches Coping mit den allgegenwärtigen Stresso­ren des Lebens und damit für den Erhalt der Gesundheit ist. In Stressituationen wird eine Person mit starkem SOC zwar nicht unbedingt glücklicher oder zufriedener sein als die mit einem schwa­chen SOC. Aber sie kann das Gefühl haben, dass sie mit den gegebenen Fakten so gut wie mög­lich umgeht und ihr Leben dennoch erträg­lich gestaltet. Für dieses besondere Gefühl des Wohlbe­fin­dens selbst im Leiden ist das SOC unmittelbar wichtig.
Die salutogeneti­sche Sichtweise ermöglicht damit eine Rehabi­litation der im menschli­chen Leben nicht weg­zudenkenden Stressoren. Der Schlüsselbe­griff dafür ist negative Entropie. Sie löst die Suche aus nach nützli­chen Inputs in das soziale System, in die physi­sche Umwelt, in den Orga­nismus - bis hinein in die einzelne Zelle! -, um dem unausweichli­chen Trend zur Entro­pie entge­genzuwirken. Vaillant, ein Psychiater, hat 1979 in einem Aufsatz die Ursachen beschrieben, wel­che die Gesundheit bis weit über das 50. Lebens­jahr hin­aus erhalten. Er fand, dass die Art, wie sich eine Person an Stres­soren anpaßt, dafür ent­scheidend sei. Und nicht etwa das Vermeiden von Stress oder ein bewusster Copingpro­zess! Hans Selye, der Begründer der Stressfor­schung, sagt gar: „Stress is the salt of life“! Viktor E. Frankl, Professor für Neurologie und Psychiatrie an der Universität Wien, Begründer der Logotherapie und selber früherer Gefangener in Auschwitz, drückt es in sei­nem Buch „Das Leiden am sinnlosen Leben“ (Herder Spektrum 4859, S. 45) noch deut­li­cher aus: „Mehr Stress als in Auschwitz gab es wohl kaum irgendwo anders. Und gerade dort waren die typischen psychoso­matischen Krankheiten, die so gerne für stressbedingt gehalten werden, praktisch vom Erdboden verschwun­den“.
Die reifsten Anpassungsmechanismen an Stressoren umfassen Humor, Selbstlosigkeit oder Unei­gennüt­zig­keit (Altruismus), Verfeinerung (Sublimation) und echtes „Wegstecken“ (Suppression). Sie erleichtern den­jenigen, die sie nutzen, die Verbindung zu anderen Menschen; denn sie machen seine oder ihre soziale Umgebung vorhersehbarer und unterstützender. Eine weitere zentral wichtige Ressource ist das Durchhalte­vermö­gen. Es beschreibt die physi­sche und/oder moralische Kraft, die nötig ist, um Krankheit, Ermüdung oder Entbehrung nachhaltig zu widerste­hen - kurz: Ausdauer (lat. Stamina, von Stamen = Lebens­faden!).
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www.linthpark.com