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Donnerstag, 24. Februar 2011

Wertediskussion, Wettbewerb, Korruption - Zusammenhänge erkennen!

Prof. Dr. Joachim Kohlhof
Schirmherr und Mentor
der VITAO Ethic Community



Aus einem Mail vom 24.02.2011

(...) Hier noch ein kleiner aber nicht unwichtiger Beitrag zur Frage der Bedeutung der Korruption und eines funktionierenden Wettbewerbs in unserer Gesellschaft:

Im Zuge der gegenwärtigen Wertediskussion erscheinen die traditionellen kulturellen, humanen und unternehmerischen Werte die einzigen bestandskräftigen Komponenten zu sein, die die Veränderungen der gesamten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Welt überleben werden. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten wird nichts mehr so bleiben, wie es einmal war. Wir erleben zur Zeit dramatische Veränderungen durch die technologische Entwicklungen, politische Umstürze, die zu gewaltigen Umwälzungen führen und  den Dimensionen der vergangenen industriellen Revolution nicht unähnlich sind. Wir stecken noch in den Kinderschuhen einer Entwicklung, die wir noch gar nicht begonnen haben zu erahnen. "Mit dem einen Fuß im Marskanal, mit dem anderen im Neandertal", so singt es treffend Udo Lindenberg und meint damit auch, dass wir noch nicht begriffen haben, wo wir eigentlich stehen und was wir eigentlich wollen.

Welchen Nutzen wir aus der Pflege und der Aufrechterhaltung unserer ethischen Werte haben werden, wird uns erst am Ende dieses Umwälzungsprozesses deutlich werden. Natürlich brauchen wir ethische Standards, die nach Hans Küng ein verbindliches Wertegebäude in einer globalen Wirtschaft ermöglichen. Angesichts der drohenden revolutionären Veränderungen in der arabischen Welt, müssen wir mehr denn je Positionen einnehmen, die verläßlich, transparent und unumstößlich sind  und damit der Welt deutlich machen, dass es Menschen und nationale Partner gibt, deren Wort noch zählt. 

Um so wichtiger bedarf es wirtschaftsethischer Strukturen in unseren Ländern, die nicht von Kumpanei, Kungelei und Bestechlichkeit bestimmt sind, sondern von einem fairen Wettbewerb untereinander, der nur auf lange Sicht der Garant ist für eine positive gesellschaftliche Entwicklung. Viele Branchen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nur über korruptive Machenschaften das Tempo ihrer Kursentwicklungen und Umsatzerfolge forcieren können und damit potentiellen Anlegern, feindlichen und willkommenen Übernehmern und Heuschrecken demonstrieren, wie wertvoll ihr Unternehmen am Markt ist.

Deutschland rangiert nach einer Studie von Transparency International in der Hitliste korruptiver Staaten in Europa im vordersten Feld. Wenn Korruption verstanden wird als "heimlicher Missbrauch von anvertrauter Macht zum privaten Nutzen und Vorteil" (TI), dann gehören hier alle Spielarten kriminellen Vergehens hinein, die sich tagtäglich im politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Raum abspielen.

Wir sind bereits so weit, dass dieser Missbrauch nicht einmal mehr verheimlicht wird, sondern auf der Tagesordnung jeder öffentlichen Auftragsvergabe, jeder internationalen Akquisition in allen Teilen der Welt gehört. Die Revolutionen im arabischen Teil der Welt haben einmal mehr demonstriert, dass viele Gelder - auch die der Entwicklungshilfe - bei den Menschen offenbar vor Ort nicht ankommen, sondern auf den Konten der Machthaber landen, die Veruntreuungen in Milliardenhöhe gegen ihr Volk begangen haben. Nicht viel anders sind auch die Korruptionsvergehen im Inland zu bewerten. In einem Land, in dem vor nicht allzulanger Zeit noch Schmiergelder an Auftraggeber und Geschäftspartner als Betriebsausgaben behandelt wurden und damit die zu zahlende Einkommensteuer senkten, ist die Bestechung zum anerkannten Mittel geschäftstüchtigen Unternehmertums geworden. Große DAX-Unternehmen müssen sich immer wieder den Ermittlungen von Staatsanwaltschaften stellen, um entsprechende Vorwürfe auszuräumen.


Korruptionen entladen sich nicht nur in illegalen Transaktionen, sondern auch in gesetzliche Praktiken, wobei sie in letzteren als noch weniger unmoralisch empfunden werden. Korruptionsanfällig sind alle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereiche. Diese finden sich bei den politischen Amtsträgern in den Amtsstuben und  Regierungspalästen ebenso wie in den Fluren öffentlicher Verwaltungen bis hin zu den  Verstrickungen in der Bauindustrie, der Rüstungsindustrie und aller anderen nicht namentlich erwähnten Wirtschaftsbereiche.

Korruption wird vielfach nicht als kollektives Übel angesehen, durch das das wirtschaftliche Wachstum gehemmt und nicht beflügelt wird, sondern persönliche Vorteilnahme lässt jedes Gespür für die damit verbundene Aussetzung wettbewerbsbewusster Regeln außer Kraft setzen. Bei der Korruption geht es um Vorteile, die sich Unternehmen oder Personen aneignen, indem sie meist praeter legem Ausnahmen, Gefügigkeiten oder Begünstigungen jedweder Art vereinnahmen oder einfordern. Die Liste dieser Anreize für die Entgegennahme von Gefälligkeiten ist so umfangreich, wie der Wunschkatalog von Menschen nur sein kann. Umgekehrt wird von den Empfängern dieser fringe benefits ein Wohlverhalten eingefordert, dass den Bestechenden die wirtschaftlichen, persönlichen oder gesellschaftlichen Vorteile verschafft. Das Spektrum der Annehmlichkeiten reicht von Geldzuwendungen bis hin zu akademischen Würden.

Allen Korruptionsversuchen ist gemeinsam, dass die Akteure, staatliche wie private, zu Lasten unbeteiligter Dritte, also praktisch zu Lasten der Mitbewerber im Markt, handeln. Wettbewerb wird durch Korruption eingeschränkt. Er kann sich nicht über Konditionen, Qualitätsofferten und Preise so entfalten, wie es der Markt eigentlich fordert. Wenn also der Wettbewerb eingeschränkt oder gar behindert wird, werden interne Kosten nach außen hin verlagert, d.h. externalisiert und private oder unternehmerische Vorteilnahmen werden zu Lasten eines gleichen Wettbewerbs auf die Allgemeinheit umgelegt. Die Allgemeinheit bzw. die Mitbewerber tragen die Lasten des entgangenen Wettbewerbsvorteils. Es steigt bei gleichen Leistungen - staatlichen wie privaten - die Abgabenlast oder umgekehrt, sinkt bei gleicher Abgabenlast die staatliche oder private Leistung. Die den Wettbewerb auszeichnende Planungssicherheit entfällt oder wird zumindest stark eingeschränkt und die Legitimität des Staatsapparates und die Produktivität privater Wirtschaftsleistungen werden untergraben bzw. eingeschränkt. Beides schreckt  ehrliche Investoren entweder ab oder zieht auch sie in den Bann korruptiven Geschäftsgebarens. Die Folgen dieser Verhaltensweisen sind, dass in toto betrachtet, Wohlstand und Beschäftigung zurückgehen, weil nicht an auskömmlichen Preisen orientierte Mitbewerber im Markt Berücksichtigung finden und Beschäftigte entlassen oder sie ganz vom Markt verschwinden müssen. Unter diesem Aspekt wird deutlich, wie wichtig die Implementierung von Ethik-Managementsystemen in kleinen und großen Unternehmen sind, um nachhaltig Korruption aus den geschäftsstrategischen Überlegungen zu eliminieren.

Korruption als ethischer Unwert wird für die meisten Akteure nur dann zum Problem, wenn sie nicht geheimgehalten werden kann und dann strafrechtlich verfolgt wird. Sehr viele spektakuläre Beispiele in der jüngsten Vergangenheit haben immer wieder den Sumpf schwarzer Kassen und geheimer Konten aufgedeckt, mit denen die Unternehmen glaubten, dem Wettbewerb ein Schnippchen zu schlagen und am Ende einen unermeßlichen Schaden für sich, ihr Unternehmen und das ganze Land heraufbeschworen haben. Bisher waren die Medien die Korruptionswächter. Politische Instanzen haben sich nolens volens nur noch in der Abwehr öffentlich bekannt gewordener korruptiver Unterstellungen üben können, aber nichts oder nur wenig zu ihrer Beseitigung oder Bekämpfung beigetragen. Im Gegenteil. Ihre Kontrollfunktion hat völlig versagt und wird kaum noch von der Bevölkerung ernst genommen.

Korruption ist kein Kavaliersdelikt. Es ist  ein strafbarer Vorgang, bei dem die Beteiligten möglichst dazu verdonnert werden, dicht zu halten. Es ist empirisch längst erwiesen, dass Korruption sich längerfristig immer negativ auf Investitionen und damit Beschäftigung auswirkt. Ergebnisse aus dieser Erkenntnis blieben jedoch bis heute unbeachtet.

Soziale Netzwerke können helfen, Korruption einzudämmen. Je offener und transparenter soziale Gruppen in der Lage sind, gegen ethische Verwerfungen vorzugehen und korrupte Machenschaften zu verhindern, desto geringer wird auch die Angriffsfläche für Korruption sein. Soziale und ethische Kompetenzen in unserer Gesellschaft und in unseren Wirtschaftsunternehmen werden immer mehr zum Gradmesser für  weniger korrupte Handlunsnechanismen und für einen  und fairen Umgang im Wirtschaftsleben.

In diesem Geist wird auch das Netzwerk von VITAO einen Meilenstein setzen, der das VITAO verpflichtende  Wertegefüge in einer Welt deutlich macht, die es verdient, dass  alles unternommen wird, damit unsere Zukunft wieder menschen-, anstands- und sachgerecht gestaltet wird.

(...)

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