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Mittwoch, 16. Februar 2011

Steht Ethik der Gewinnerzielung im Wege?

Prof. Dr. Joachim Kohlhof
Schirmherr der Ethic-Community


Aus einem Mail vom 16.02.2011





(…) Steht die Ethik der Gewinnerzielung im Wege oder hilft sie ihr, diese eventuell sogar langfristig zu steigern?

Diese Frage taucht in vielen Diskussionen auf und läßt bei den meisten Diskutanten den Eindruck entstehen, dass man als Unternehmer mit Rücksicht auf ethische Handlungsmaxime nicht mehr den unternehmerischen Freiraum besitzt, der erforderlich ist, um erfolgreich im Markt zu bestehen. Diese irrige Ansicht hat sich durch unkluge und völlig deplazierte Überlegungen bei vielen Unternehmen und Unternehmern manifestiert und es ist  schwer, immer wieder dieses Vorurteil auszuräumen.
 
Worum geht es in der Unternehmensethik?
Grundsätzlich wird für den Markt produziert und dieser wird von Menschen gestaltet: weder von Maschinen, noch von Systemen und auch nicht von Außerirdischen. Der Mensch steht und bleibt im Mittelpunkt des wirtschaftlichen Geschehens und das ist gut so. Wirtschaften ist nicht Selbstzweck, sondern dient ausschließlich uns, den Menschen - und zu seinem Wohl und nicht seinem Untergang.

Die moralische Orientierung des Unternehmens setzt zwangsläufig unternehmerischen Freiraum voraus. Ein Unternehmen, das behauptet, nur  unter dem Diktat der Sachzwänge zu produzieren oder zu wirtschaften, hat bereits seine moralische Kompetenz verspielt. Natürlich bestehen in einem Wirtschaftssystem Vernetzungen und Abhängigkeiten, die Grenzen ziehen, die das Unternehmen respektieren muss und nicht ohne weiteres überschreiten kann. Dies enthebt es aber nicht, bei der Wahl seiner Mittel die Gebote verantwortlichen Unternehmenshandelns außer Acht zu lassen.

Es geht bei der Gewinnerzielung unter ethischen Aspekten nicht um die Höhe des Gewinns oder der erzielten Rendite, sondern um die Mittelwahl, wie und mit welchen Mitteln  dieser Unternehmensgewinn erzielt wird. 

Der Unternehmensgewinn bildet erst die Voraussetzung, am Markt zu bestehen und sich unternehmensethischen Fragen zu stellen. Die Ethik steht also nicht konträr der Gewinnerzielung entgegen, sondern begleitet sie und beflügelt sie sogar unter der angemessenen und menschenwürdigen Mittelwahl, den größtmöglichen, d.h. unter ethischen Aspekten, den angemessenen Gewinn nachhaltig zu erzielen.

Mit der Ethik gewinnt das Unternehmen völlig neue Perspektiven. Es gewinnt den Respekt, die Achtung und die Wertschätzung von Kunden und Lieferanten hinzu und gestaltet sich als ein Partner, der in hohem Maße sich "symmetrisch" verhält: Er hält das ein, was er verabredet und sagt das, was er denkt. Dies macht ihn im wahrsten Sinne zu einem ethischen Unternehmer, der am Ende nur gewinnen kann und nicht verlieren muss. So gesehen ist der unternehmerische Freiraum die Grundbedingung für die Wahrnehmung ethischer Anliegen und moralischer Orientierung im eigenen Unternehmen.

Ohne auf theologische Weisheiten einzugehen, die immer gerne bemüht werden, um den Erfolg der "Werkstatt Kirche" zu beweisen, ist unstreitig, dass nur mit dem arbeitenden Menschen - und nicht gegen ihn - eine menschengerechte Arbeitswelt gelingen kann. Wer agrarindustrielle Massen-hühnerhaltung seinen Mitarbeitern als tiergerecht verkaufen will, hat nur dann kein Problem dies umzusetzen, wenn er z.B. Druck auf seine Mitarbeiter zur deren Arbeitsplatzerhaltung ausübt. Wer in Bangladesh als Kleiderdiscounter Kinderkleider von einheimischen Schneidern in Massenmenschhaltung zuschneidern lässt und sie in Wochenarbeit von 6 Tagen mit täglich 9 Stunden und einem Stundenlohn von kaum mehr als 0,20 Euro pro Stunde bei einer Tagesproduktion von 2500 Kinderjeans arbeiten läßt, kann kaum als ein unternehmerischer Zeitgenosse behandelt werden, dem der Respekt und die Verantwortung für seine Mitarbeiter positiv angerechnet werden kann. Es ist eher der Beweis, wie die menschliche Würde auf dem Altar wirtschaftlicher Ausbeutung geopfert wird. Hier klafft die ganze Spannweite des menschenwürdigen und menschenverachtenden Unternehmertums auseinander.

Was wirtschaftlich machbar ist, muss auch stets eine moralische Dimension haben. Diese darf und kann nicht ignoriert werden. Beides, die Ökonomie und die Ethik gehen eine Symbiose ein, die für alle Beteiligte in eine Verträglichkeit führt, die für Mitarbeiter und Kunden nur gemeinsame Vorteile hat. Wer dies missachtet, negiert die Notwendigkeit, sich mit ethischen Fragen in der Wirtschaft auseinanderzusetzen. Er übersieht deren positive Wirkung auf die Gewinnerzielung und verkennt die Rolle des Unternehmertums für die menschliche Gesellschaft.

Nochmals, es geht nicht um Verzicht oder um Verluste, sondern es geht um ein positives Bewusstsein, dass nicht diejenigen bestraft werden, die sich im Wirtschaftsleben an ethische Gebote der Menschlichkeit halten. Nur daraus werden langfristig Vorteile gewonnen, die den geschöpf- und menschenverachtenden Wettbewerbern verborgen bleiben.

(...)