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Dienstag, 24. Mai 2011

Emanzipation: Welche Männer wollen wir? (5)

Christian Buschan MSc
Mitbegründer der
VITAO® ALPEN AKADEMIE







Männer mordende Männlichkeit
oder ganzheitliche Gesundheit?


Die männlich geprägte Sicht- und Lebensweise ist eine hoch riskante Lebensform. Zudem trägt sie ein zerstörerisches Potential in sich. Diese Art zu denken sieht mich als Mann umso männlicher…

  •  je weniger ich auf meinen Körper achte und je weniger Ruhe, Stille und Schlaf ich benötige,
  • je mehr ich meine Gefühle kontrolliere und unterdrücke, und je mehr seelische und körperliche Schmerzen ich wegstecken kann,
  • je mehr Alkohol und Zigaretten ich vertrage, und je weniger ich mich darum kümmere was ich esse,
  • je weniger ich jemanden um Hilfe bitte, oder je weniger ich von jemandem abhängig bin,

Zu viele Männer sehen ihr privates Umfeld als eine Art Servicestation, wo sie sich auf ihre Berufsarbeit vorbereiten oder – in der Regel von Frauen – vorbereiten lassen. Statt Freizeit zu sehen als einen erfüllenden Zweitbereich neben dem Beruf, als Nährboden für seelische, geistige, soziale und körperliche Gesundheit.

Was nützt mir mein beruflicher Status, wenn er mich umbringt? Bis 65 sterben Männer in der Schweiz fünfmal häufiger an Herzinfarkten, dreimal häufiger an Verkehrsunfällen oder Suizid und zweimal häufiger an Leberzirrhose als Frauen. Polizisten haben eine um 5 Jahre geringere Lebenserwartung als ein statistischer Durchschnittsmann. Zwei Drittel aller Männer in der Schweiz glauben immer noch, dass Arbeitsstrukturen nicht veränderbar sind. Dabei gibt es längst flexiblere Arbeitsmodelle - auch beim Bund, auch für die Polizei und auch für Führungskräfte. Immer mehr Unternehmen und Verwaltungen sehen ein, dass Beruf und Privatleben vereinbar sein müssen. Aber es braucht viel Zivilcourage und mentale Stärke, sich dafür einzusetzen – das wäre männlich!

Fast alle von 4'000 befragten amerikanischen Topmanagern sehen sich als Sklaven ihrer Machtposition. Sie erwiesen sich als hochgradig arbeitssüchtig, sie fühlten sich ohne ihre Berufsarbeit leer, nutzlos und verloren. Sie alle definierten sich über eine geradezu steinzeitliche, zweifelhafte Auffassung von Männlichkeit: Ausüben von Macht, Kontrolle, Stärke, Dominanz, Erfolg, Ehrgeiz und Besitz. Entsprechend hoch war ihre Abhängigkeit von äußerem Erfolg, von Geld, Status und Statussymbolen[1].

Was hilft uns aus dieser totgeschwiegenen Misere? Am meisten die tiefe innere Überzeugung, dass die Welt und das Leben ein sinnvolles Ganzes bilden. Dieses erstmals vom amerikanischen Medizinsoziologen Antonovsky so genannte Kohärenzgefühl (engl. sense of coherence), dieses umfassende Gefühl von Stimmigkeit kann sich jedoch nur entwickeln, wenn die berufliche Identifikation nicht die einzige Quelle des Selbstvertrauens bleibt. Es müssen tragende soziale Beziehungen und Unterstützung, echte Ich-Stärke und eigene kulturelle Stabilität dazukommen. Kurz: Was wirklich Sinn macht, macht und erhält gesund.

Weiterführende Literatur:
ANTONOVSKY Aaron. Salutogenese - Zur Entmystifizierung der Gesundheit. 
Tübingen: Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie; aus dem Amerikanischen übersetzt 
von Alexa Franke 1997
KERNEN Hans. Burn-out-Prophylaxe im Management. Bern: Paul Haupt 1998.
PETERSEN Ole, EGGER Hansruedi. Fit & top im Job. Wien/Frankfurt: Überreuter 2000


[1] Walter Hollenstein, Professor für politische Soziologie, Berlin