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Dienstag, 29. März 2011

Zum Thema Banken-Ethik

Prof. Dr. Joachim Kohlhof
ETHIK COLLEG Mehren

Aus einem Mail vom 29.03.2011

Über das Gespräch mit dem Vorstand eines bekannten Privatbankhauses.

Das vornehme Privatbankhaus in einer deutschen Großstadt verlieh mir die Ehre zu einer Audienz mit Vorstand und Referentin. Die seit über hundert Jahren gediegenen heiligen Hallen und Flure des Bankpalastes wirkten einschüchternd und machten den Gast bescheiden und demütig. Nach üblicher Begrüßung und gegenseitigem Dank für Einladung und Gedankenaustausch war sehr schnell erkennbar, dass das mehr oder weniger erfolgreiche Institut bisher bestens ohne bankenethische Auseinandersetzungen ausgekommen ist. Auf Hinweis und Erläuterung, dass es auch für Geldhäuser inzwischen die Möglichkeit gibt, sich nach ethischen Kriterien und Standards durch das ETHIKCOLLEG, Mehren zertifizieren zu lassen, erntete ich nur ungläubiges Erstaunen. Moralische Fragen waren bisher völlig tabu. Die Bank arrangierte sich mit ihren Kunden nur über den zu erwartenden Nutzen bzw. die zu erzielende Rendite, ganz gleich, ob steuerliche Minimalstrategien im Vordergrund des Kundeninteresses standen oder Gelder von Schurkenstaaten untergebracht wurden oder auch nur ganz normales privates Bankgeschäft gepflegt werden sollte. Stets stand dabei natürlich das Interesse des Anlegers im Vordergrund, ohne selbst die bankseitige Geschmeidigkeit dubioser Kumpanei mit dem Bankklientel außer Acht zu lassen.

Diese Geschäfte liefen über Jahrzehnte mit den üblichen Auf‘s und Ab‘s wunderbar. Niemand fragte nach Gewissen und Verantwortung, solange die Bilanz stimmte und ausreichende Gewinne den Zeithorizont erhellten.

Nein, so war die Antwort des Bankleiters, eine Bank, die sich mit ethischen Fragen befasst, verliert ihre traditionsgebundene  Glaubwürdigkeit und ihr symmetrisches Verhalten gegenüber den Wünschen und Absichten des angestammten Kundenklientels und auch der der Bank anvertrauten Mitarbeiterschaft. Kunden wären irritiert und Mitarbeiter wären verstört. Die Kehrtwendung zu mehr Ethik müsste vorbereitet werden, damit alle Betroffenen entsprechende Veränderungen auch verarbeiten könnten.

Solange die Geschäfte laufen, der Staat nicht eingreift, Gelder angelegt und freigegeben werden, deren Herkunft  oder Abfluss bisher auch nicht zu ethischen Überlegungen geführt haben und die bisherigen Handlungsmaxime hinterfragt werden, solange besteht keine Notwendigkeit, sich den neuen Zeichen der Zeit zu stellen und eine Gefahr für ein risk management zu vermuten, solange  der VAR der Bank im grünen Bereich liegt.

Eine Hinwendung zu ethischen Positionen im eigenen Bankhaus würde viele Fragen aufwerfen. Die Kunden wären verunsichert und ihre Finanzströme würden möglicherweise in andere Richtungen fließen. Die Öffentlichkeit würde Fragen stellen, wozu plötzlich ein anderer Geist in dem sonst so gewohnt konservativ und auf Tradition basierendes Geschäftsverhalten Einzug hält. Die Mitarbeiter und Vorgesetzten müssten zudem in eine ganz andere Richtung geschult werden, weil Privat Equity, Hedgefonds und Wettspiele mit Derivaten und Rohstoffen und andere Anlagestrategien die Inhalte der Ausbildung bislang an Bankakademien maßgebend bestimmten.

Die Ethik hatte hier keinen Platz und wurde auch nicht als elementarer Bestandteil eines verantwortungsbewussten Bankmanagements begriffen. Es reicht nicht, einen Ethikcodex zu formulieren, der nicht gelebt wird und es reicht auch nicht, einen Mitarbeiter als Feigenblatt zu etablieren, der sich mit ethischen Ansätzen im Einklang mit den Wünschen der Vorstandsebene auseinandersetzen soll. 
 
Wie soll ein Vorstand, dessen Sinnen und Trachten in erster Linie der Eigenkapitalrendite gilt, die insbesondere in einer dauerhaften Niedrigzinsphase die Einkommens-orientierten Investoren immer mehr verprellt, den Kopf frei haben für ethische Gedankenspiele? Ethik und Rendite stehen auf Kriegsfuß: In guten Zeiten hat man keine Zeit für ethische Werte, Normen und bankseitige Verhaltensmuster und in schlechten Zeiten fehlt das Geld hierzu. 

Und so ist es absolut verständlich, dass der Wirtschaftsethiker nur ein ahnungsvolles Lächeln erfährt, wenn er die Notwendigkeit einer ethischen Fundierung auch im Bankbusiness anmahnt. Daher wundert es auch nicht, dass  Einladungen zu bankenethischen Seminaren nicht angenommen werden und die Stühle leer bleiben, so dass der Referent unverrichteter Dinge wieder abziehen muss.

Die Banken sind noch nicht reif für eine Auseinandersetzung mit ethischen Fragen und der damit verbundenen Eigenverantwortung sowie einer Implementierung von bankinternen Ethikmanagement-Systemen, ganz ähnlich, wie die Energiewirtschaft noch nicht reif war und ist für eine Neuausrichtung des Energiemix auch ohne die Atomwirtschaft.

Einmal mehr wurde gesprächsweise klar, dass das Haupttätigkeitsgebiet der privaten und öffentlichen Bankhäuser - wie in der übrigen Wirtschaft auch - das nutzenmaximierende Gewinnstreben ist. Dies ist nicht nur völlig normal, sondern geradezu bestandsschützend, wenn das Unternehmen nicht vom Markt verschwinden will. Aber dies bedeutet doch nicht, dass der verantwortungsvolle Umgang - auch mit Geldern, die aus zweifelhaften Quellen stammen, die aus unrechtmäßiger Ausbeutung großer Teile armer und ärmster Bevölkerungsteile aus allen Teilen der Welt rekrutiert werden oder die aus Drogengeschäften, Rohstoffspekulationen und nachweislich anderen kriminellen Machenschaften abgeschöpft werden - immer wieder nach den gleichen Maßstäben verwaltet und behandelt werden, wie ehedem vor fünfzig oder hundert Jahren, wo niemand nach dem verantwortungsvollem Umgang mit vagabundierenden Geldern gefragt hat.

Auch im Bankgeschäft haben sich die Zeitzeichen geändert, nicht nur wie jüngst in der Energiewirtschaft. Wenn Banken nicht begreifen, dass es nicht ausreicht, nur hier und da einen Vortrag über Ethik für ein handverlesenes  Klientel abzuhalten oder sich selbsternannte Möchtegernpromis einzuladen, um über Moral zu plaudern, um sich damit den Anschein einer Hinwendung zu verantwortungsvollem Management zu geben, dann verlieren sie in der Tat an echter Glaubwürdigkeit vor sich, ihrer Kundschaft und ihren eigenen Mitarbeitern.

Ich hätte mir gewünscht, dass sich Vorstand und Gegenüber in dem Willen einig gewesen wären, wie wichtig es ist, sich ethischen Fragen auch im Bankgeschäft zu stellen und die Notwendigkeit einer ethischen Zertifizierung zu erkennen, denn erst diese Erkenntnis macht das Institut zukunftsfähig und den Kunden mündig. Sicherlich helfen im ersten Gang, entsprechende Schulungen auf allen Ebenen der Führungsriege anzubieten und sich auf diese Weise dem Thema anzunähern und  damit den ernsthaften Willen zu bekunden, die Zukunft mit offenem Visier an zu gehen und nicht darauf zu vertrauen, dass das business as usual auch in den nächsten hundert Jahren noch eine tragfähige Basis bildet, die das Überleben wie auch immer sichert.

Der Anfang ist gemacht. Das Gespräch über Ethik hat stattgefunden. Jetzt fehlt nur noch die Erkenntnis, dass es ohne sie auf Dauer nicht geht und die Bereitschaft, hierzu die Voraussetzungen zu liefern.